Gemeinderat,
4. Sitzung vom 14.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 119
Und ich möchte Sie jetzt an einen Vorfall erinnern, den ich persönlich mit großer Bedenklichkeit aufgenommen habe, nämlich das Einstampfen einer Broschüre, die zur Vermittlung der Ausstellung im Belvedere für Gymnasiasten gedacht war, die von einer sehr engagierten Gruppe von jungen Historikern unter dem Namen “Trümmerträume/Topfenstrudel“ gestaltet war und sich unter anderem sehr fokussiert mit dem Schicksal der Roma und Sinti in der NS-Zeit beschäftigt hat, aber auch mit den fürchterlichen Praktiken der Nazis in den KZ.
Und der Sponsor Hannes Androsch hat diese Broschüre
nach eigenen Worten einstampfen lassen, weil sie nicht seinem Geschichtsbild
und dem, was in dieser Ausstellung eigentlich vermittelt werden sollte,
entsprochen hat. Konkret hat er etwa davon gesprochen, dass der wunderbare
wirtschaftliche Aufbau nach 1945 nicht ausreichend erwähnt worden sei.
Wie stehen Sie zu derartigen Eingriffen von Sponsoren
bei Veranstaltungen und Ausstellungen, die von der Stadt Wien zum größten Teil
mitfinanziert werden. Ich halte das für höchst problematisch und dem Gedenken
und Gedanken sicherlich nicht angemessen.
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Bitte,
Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!
Zunächst einmal muss man sagen, dass diese
Ausstellung wohl nicht zustande gekommen wäre, hätte es nicht das Engagement
von in diesem Fall konkret drei Persönlichkeiten gegeben, die sich sehr dafür
eingesetzt haben, Nummer 1.
Nummer 2, es ist diese Ausstellung auch deshalb
in dieser Form zustande gekommen, weil sich der Herr Bürgermeister selber und
damit die Stadt Wien dafür eingesetzt hat, eine solche Ausstellung unter der
Bedingung zu machen, dass es nicht nur darum geht, das Jahr 1955 isoliert
zu sehen und gewissermaßen darauf eine Staatsvertrags-Jubelveranstaltung zu
machen, sondern sehr wohl die Geschichte der Ersten Republik, den
Austrofaschismus, den nächsten Faschismus, den Nationalsozialismus, kritisch zu
reflektieren und dann auch die Geschichte der Zweiten Republik.
Es ist also jedenfalls mit Sicherheit auch dann durch
den Einfluss und durch das Engagement der Stadt Wien dazu gekommen, dass diese
Ausstellung eine sehr viel breitere Basis bekommen hat, als es vielleicht
ursprünglich ganz zu Beginn angedacht war, und es wurde auch durch die Teilhabe
von Dr Düriegl beziehungsweise dann letztendlich durch die wissenschaftliche
Leitung jedenfalls auch eine kritische Reflexion sichergestellt.
Dass es dabei zu Diskussionen über einzelne
Publikationen und auch über die Ausstellung selbst gekommen ist, dass sich die Ausstellungsmacher
untereinander erst auf Dinge einigen mussten, liegt in der Natur der Sache. Es
waren verschiedene, durchaus auch kritische Persönlichkeiten beteiligt und ich
glaube nicht, dass insgesamt gesehen eine kritische Reflexion bei dieser Ausstellung
zu kurz gekommen ist. Ob und inwieweit welche Vorgänge stattgefunden haben, was
Publikationen, was einzelne Ausstellungsobjekte anbelangt, kann ich nicht
beurteilen, weil ich mich insgesamt in die Geschichte nicht eingemischt habe,
und es auch nicht die Aufgabe des Stadtrates ist, darüber zu befinden, ob jetzt
einzelne Ausstellungsobjekte gezeigt werden oder nicht. Da muss ich schon davon
ausgehen, dass die Ausstellungsmacher das insgesamt untereinander
ausdiskutieren. Und ich wäre wohl schlecht beraten, in diesem wie in anderen
Fällen auch, mich einzumischen und vorzugeben, was zu geschehen hat und was
nicht zu geschehen hat. Ich halte mich da als Subventionsgeber in diesem Fall,
wie in anderen Fällen auch, mit voller Berechtigung, glaube ich, sehr zurück.
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. Die
3. Zusatzfrage wird von Herrn GR Dr Wolf gestellt.
GR Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Herr Stadtrat!
Ich teile Ihre Ansicht über die Ausstellung im
Belvedere und auch über Ihre Meinung, dass Nachhaltigkeit ein wesentlicher Wert
dieses Gedankenjahres sei.
Und ich will daher an Sie die Frage stellen, ob Sie
die Initiative des Industriellen Hannes Androsch, zur Fortführung der
Ausstellungen im Gedankenjahr ein Haus der Geschichte in Wien zu errichten,
politisch, ideell und finanziell unterstützen werden?
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Bitte,
Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Sehr geehrter Herr Gemeinderat!
Zunächst und zuvörderst ist einmal ein Haus der Geschichte
für Österreich, wie es ja schon sozusagen aus dem Titel heraus geht, primär
eine Frage, die sich die Republik Österreich und damit die Bundesregierung zu
stellen hat. Diese Diskussion gibt es schon sehr lange, da gibt es
unterschiedliche Ideen, unterschiedliche Persönlichkeiten, die sich dafür
eingesetzt haben. Ich weiß vom Herrn Bürgermeister, auch von mir und von
einigen anderen, dass wir selbstverständlich grundsätzlich positiv allen
Initiativen gegenüber stehen, die eine kritische, auch selbstkritische
Aufarbeitung der eigenen Geschichte, auch Darstellung der eigenen Geschichte,
unterstützen.
Das war im Übrigen mit ein Grund, warum wir als Stadt
Wien einer Einrichtung, die eigentlich auch eine gesamtösterreichische
Einrichtung ist und sein sollte, nämlich das Dokumentationsarchiv des
österreichischen Widerstands, eine, glaube ich, durchaus angemessene und
großzügige Unterstützung haben zukommen lassen, damit endlich einmal die
Ausstellungsräume zeitgemäß adaptiert werden können und ich sehe mit Spannung
und auch einiger Erwartung einmal den Ideen und Vorschlägen der Republik
Österreich, des Bundes, entgegen, in welcher Weise auch nach dem
Gedenkjahr 2005 die Bundesregierung versucht, diesen Ideen nachzukommen.
Ich meine, dass Wien in vielem
hier bereits in die Vorlage getreten, in vielem Aufgaben bereits übernommen
oder auch finanziert oder wenn Sie so wollen, vorfinanziert hat, die die
eigentlichen Aufgaben des Bundes sind und ich meine, dass hier nun einmal auch
ein klares Wort von Seiten der Bundesregierung und des
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