Gemeinderat,
4. Sitzung vom 14.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 119
entscheiden, dann ist das gut und richtig, aber nicht, indem man Instrumente der sozialen Kontrolle einbaut, in das System einbaut. Die Krux an der Geschichte ist, dass wir mit der Abstimmung gestern noch nicht einmal genau wissen, ob diese Wahlen jetzt geheim sein werden oder nicht. Das heißt, es haben Menschen über etwas abgestimmt, von dem am Ende gar nicht klar ist, wie es vergeben wird. Und Wahlen, die nicht geheim sind, sind aus meiner Sicht höchst problematisch, weil was passiert in solchen Prozessen? Sie kennen das doch alle aus Abstimmungen in politischen Gremien. Wie ist das mit einer Wahl, wenn man die Hand hebt, und wie ist das mit einer Wahl, wenn man geheim auf einen Zettel schreibt? Wir haben das ja selbst hier im Raum erlebt. Ich glaube, für diese eine Person der Sozialdemokratischen Fraktion, die eine Stadträtin nicht gewählt hat, war es ziemlich wichtig, dass man nicht weiß, wer sie ist, wer diese Person ist, dass nicht die soziale Kontrolle und der Terror beginnen: Du hast mich nicht gewählt! Ich halte das für ganz, ganz wichtig.
Das ist eines der Prinzipien, von denen ich glaube,
dass wir uns eigentlich hier alle darauf einigen können, und ich meine, dass es
auch im Fall von Subventionsvergaben gelten muss. Wenn es Wahlen gibt, dann
müssen diese Wahlen geheim sein.
Das zweite Modell, über das gestern abgestimmt worden
ist und das Teil dieser Hybridlösung werden soll, wobei wiederum nicht ganz
klar ist, in welcher Form, ist ein System, bei dem vorgeschlagen wurde, dass
alle Beteiligten, die wahlberechtigt sind, zufällig eine Anzahl von Punkten
zugesprochen bekommen, nach dem sie wählen können. Das heißt, dass
unterschiedliche Gruppen unterschiedlich viel Punkte haben und dass diese
Punkte noch dazu über einen sehr raschen Zeitablauf weniger werden. Was heißt
das? Das heißt, erstens einmal ist nicht jede Stimme gleich viel wert. Und auch
dafür haben Generationen von Menschen gekämpft, dass jede Stimme gleich viel
wert ist. Und zweitens führt ein System, bei dem die Punkte, die ich zu vergeben
habe, rasch und rapide weniger werden, wenn ich nicht schnell entscheide, dazu,
dass ich uninformierte Entscheidungen treffe, weil natürlich will ich die
maximale Punkteanzahl vergeben. Ich bin ja nicht blöd, oder?
Wenn ich tatsächlich so vorgehe, dann führt das dazu,
dass ich erstens keine geheimen Wahlen habe, zweitens einmal uninformierte,
rasche und übereilte Entscheidungen treffen muss. Ich glaube nicht, sehr
geehrte Damen und Herren, bei aller Freude über neue Vergabesysteme, dass
derartige Vorgehensweisen weder im Interesse jener sind, um deren Gelder es
geht und wir sie vergeben müssen, noch in unserem Interesse sein können über
die Art und Weise, wie öffentliche Gelder vergeben werden.
Ich halte es für höchst problematisch, so vorzugehen.
Wenn man sich überlegt, was wahrscheinlich passieren wird, wird es so sein, und
das freut uns natürlich, dass jetzt sehr viel mehr Institutionen Geld bekommen.
Es werden also wahrscheinlich doch an die 70 Fördernehmerinnen und -nehmer
tatsächlich an Gelder kommen, und das ist gut so. Es ist auch gut so, dass
viele zum ersten Mal an Geld kommen, das freut uns auch.
Aber was passiert in so einem Wahlsystem, wo man sich
gegenseitig bewertet, in drei Jahren? In drei Jahren werden einige vielleicht
wachsen wollen. In drei Jahren, wenn es ein paar Neue gibt, ein paar Neue, die
frech daherkommen, werden sie sagen: Wir wollen jetzt auch zu den
70 Fördernehmern dazugehören.
Wie verhindern wir in so einem System, dass es eine
völlig selbstreflexive Blase wird, wo man sich nur gegenseitig nach
Freundschaftsbeziehungen Gelder zuschiebt? Das ist doch das, was wir kritisiert
haben bei vielen anderen Fördervergaben. Das ist doch mit einer der Gründe
gewesen, weshalb wir die Theaterreform gemacht haben, weil wir wollen, dass das
System sich immer wieder selbst erneuern kann.
Ich habe große Bedenken, was die derzeitige
Vorgehensweise betrifft. Sie ist unklar, es gibt eine Menge Hintergründe und
Probleme, und ich finde es ehrlich gesagt keine gute Idee, das heute in dieser
Form zu beschließen.
Weil wir aber durchaus signalisieren wollen, dass wir
der Meinung sind, dass man solche neuen Vergabesysteme braucht, dass man sich
auf Experimente einlassen kann, haben wir einen Antrag vorbereitet, von dem wir
hoffen, dass er die Zustimmung der Sozialdemokratischen Fraktion findet, und
werden sozusagen dem eigentlichen Subventionsantrag mit sehr viel Bauchweh
zustimmen. Ich erwarte mir aber, und dieses Bekenntnis wünsche ich mir von den
Rednern der Sozialdemokratischen Fraktion heute und hier und auch vom Herrn
Stadtrat, dass es jedenfalls halbjährliche Berichte im Gemeinderatsausschuss zu
den Fortschritten dieses Systems geben wird.
Denn auch die von uns eingeforderte Transparenz wird
leider von jenen, die an diesem System arbeiten, damit beantwortet, es wäre eh
auf der Mailingliste oder am Website. Wenn man dann genauer nachschaut, muss
man feststellen, es ist leider nicht so wirklich am Website und das mit der
Transparenz und der Nachvollziehbarkeit ist auch nicht so klar gegeben.
Also ich wünsche mir, dass der Herr Stadtrat einmal
im nächsten Halbjahr berichtet im Ausschuss über den Fortschritt, dass er uns
im Gemeinderatsausschuss Bericht erstattet und dass wir auch sehr offen darüber
sprechen, wenn das System schlussendlich vielleicht scheitert. Es würde mir
sehr Leid tun, wenn es scheiterte, weil Scheitern würde bedeuten, dass
tatsächlich Freundschaftsklüngel gewonnen haben oder dass sich alle zerstritten
haben, weil sie draufgekommen sind, sie haben nicht so abgestimmt, wie man es
sich erwartet hätte, oder ähnliches mehr.
Ich hoffe sehr und wünsche mir dieses Bekenntnis von
Seiten der Sozialdemokratie, dass zumindest dieses Mindestmaß an Transparenz
gegeben sein wird, und ich kann Ihnen versichern, wir werden diese Angelegenheit
mehr als aufmerksam in den nächsten Monaten beobachten.
Ich bringe folgenden Beschluss- und
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