Gemeinderat,
52. Sitzung vom 27.01.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 68
Haus
kommt, immer wieder vertröstet wird und genau nichts passiert von dem, was er
sich vorstellt, aber nicht nur er, also der Sprecher, sondern alle anderen mit.
Sie stehen meistens vor verschlossenen Türen und wenn sie drinnen sind, werden
sie halt in einer kurzen Gesprächsrunde abgefertigt.
Der Antrag, den die Grünen
eingebracht haben auf die Aufarbeitung der Geschichte der Militärjustiz während
der NS-Zeit, ist im Kulturausschuss ohne Begründung abgelehnt worden. Und es
ist die alte Schule da wieder hervorgetreten, die mir der Kollege Günther
Kenesei erklärt hat, wie das früher war, als die Grünen da neu angefangen haben. Nämlich, man stellt eine
Frage in einem Ausschuss und dann sagt der Vorsitzende, gibt es weitere
Wortmeldungen, und es gibt keine Antwort.
Das ist so nicht mehr üblich, ich weiß, es ist heute
nicht mehr üblich. Im Kulturausschuss war es aber so letztes Jahr, und ich war
völlig verblüfft. Marie Ringler ist neben mir gesessen und hat gesagt, das ist
auch nicht die übliche Vorgangsweise und sie war auch verblüfft. Es war ein
heikles Thema, die Begründung war, der Antrag hat nichts mit Wien zu tun, ist
nicht Wien-spezifisch. Es sind aber ausschließlich Punkte darin gestanden, die
mit Wien zu tun haben wie Militärjustiz während des 2. Weltkriegs in Wien.
Uninteressant. So uninteressant für die SPÖ, dass ich nicht einmal eine Antwort
bekommen habe auf mehrere Fragen, die ich gestellt habe. Und da fehlt mir bei
der SPÖ eben der Mut, da fehlt mir der Mut zur Selbstkritik, da fehlt mir der
Mut zur Kritik an der Politik, die die letzten 60 Jahre passiert ist.
Jetzt ist es leicht für alle in Österreich, sich zu
distanzieren von den Gräuel der NS-Zeit, aber dass wir Antisemitismus nachher,
in den 40er, 50er, 60er, 70er Jahren und heute noch haben, ist ein Thema.
Deswegen gibt es unter anderem die Ausstellung “Jetzt ist er bös, der
Tennenbaum“. Das ist ja eine gute Idee, aber das, was schon dazu gehört, ist
dass die SPÖ über die eigenen Punkte auch nachdenkt, und das fehlt mir da
drinnen. Und statt dessen habe ich im Dezember ein Jubelfest, es heißt sogar
noch Jubelfest, heißt gar nicht anders, “Jubelfest“, “Das Fest der Freiheit“
und fertig. Kritik nichts, Selbstkritik nichts, Einbindung der Opposition
nicht.
Das kann es nicht sein, weil auch das wäre eine
geschichtliche Aufarbeitung, wie hat sich die Demokratie weiterentwickelt in
den letzten 60 Jahren, wie hat sich das Demokratieverständnis der SPÖ
weiterentwickelt, sagen wir nur die letzten 20 Jahre. (GR Godwin Schuster: Die letzten fünf Jahre!)
Und die Befürchtung ist, wenn nicht einmal ein Bezirksvorsteher
einbezogen wird, obwohl es hier steht, dass er einbezogen wird, nun, wo ist
denn das Demokratieverständnis heute. Das fehlt mir. Es ist leicht zu
kritisieren, was in den 30er und 40er Jahren passiert ist, und das machen wir
ja alle, fast alle. Fast alle, weil wir immerhin auch leider wieder an
Deutschland erinnern müssen, und was in Sachsen in den Landtagen abgeht. Da
muss man ja froh sein, dass wenigstens das nicht bei uns passiert. Aber es ist
zu wenig, Herr Schuster, wenn man sich ausschließlich aufregt über die Fehler,
die während der NS-Zeit passiert sind, und nicht überlegt, was man selber
nachher für Fehler gemacht hat. Das sind ja nicht so wenige. (GR Godwin Schuster: Es ist schon seltsam,
dass ich Demokratie anspreche und nicht weiß, was sich Positives entwickelt
hat, gemeinsam entwickelt hat!)
Das ist ein ernstes Thema, deswegen will ich nicht da
herumpolemisieren, sondern ich sage nur die Fakten. (GR Godwin Schuster: Das sind aber nicht die Fakten!) Sie erheben
auch den Einwurf, die braunen Flecken in der SPÖ und das BSA-Papier, die
Studie, ist an und für sich nicht von der SPÖ. Nun, das ist mir schon klar,
dass die SPÖ diese Aufarbeitung nicht selber macht, aber jetzt liegt es einmal
da und widerlegt, widerlegt wurde es noch nicht.
Ein anderer Punkt, der noch im Antrag steht.
300 000 EUR gehen zur "Hallo Austria - Hallo Vienna!"
zusätzlich. Sie wechseln das Bankkonto zusätzlich zu den 299 772 EUR
für die Fernsehfilm-Produktion Dr Heinz Scheiderbauer für die Ausstrahlung von
165 Programmminuten zu den Jubiläen. Er bekommt viel mehr Geld, aber das
ist jetzt einmal das zusätzliche Geld ausschließlich für die Jubiläen. Da ist
auch nicht ausgeführt, wie das geht. Ausschreibungen finden in der Regel nicht
statt, das steht auch vorne drinnen, “In-Haus-Vergabe“. Da geht es doch
immerhin um mehrere Millionen Euro, die insgesamt vergeben werden, in dem
ganzen Akt. Die Vergabe, auch von den einzelnen Initiativen und einzelnen
Ausstellungen, die ich unterstütze, ist trotzdem fraglich. Es kann doch nicht
sein, dass die Geschichte der letzten 60 Jahre von der SPÖ alleine
geschrieben worden ist. Sie kritisieren völlig zu Recht, dass im Bund, die
Bundesregierung - das ist ja fast schon übertrieben, weil die
Geschichtsschreibung macht ja die ÖVP fast allein dort -, dass die ÖVP dieses
Jahr nützt, sich darzustellen als Erfinder der zweiten Republik. Das sind sie
natürlich nicht, aber Sie sind auch nicht in Wien die Erfinder der Gemeinde
oder der Stadt Wien, das sind Sie auch nicht, aber in Wirklichkeit versuchen
Sie uns genau das einzureden.
Ich finde es sehr, sehr schade, dass es bis jetzt -
aber es ist erst Jänner - dass es bis jetzt nicht geglückt ist, über den Kreis
von zumindest SPÖ-nahen Leuten hinaus, Leute in die Planung einzubinden. Aber
es ist ja erst Jänner, und es würde sich immer noch anbieten, dass man
Veranstaltungen macht, um das Demokratieverständnis und die Entwicklung der
Demokratie zu hinterfragen und vor allem auch einen Ausblick wagt.
Was soll denn noch passieren?
Jetzt ist 2005, was soll passieren die nächsten 5 oder 10 Jahre im Bereich
demokratischer Entwicklung. Kein Angebot, steht da nirgends drin, denkt auch
offensichtlich keiner darüber nach. Wenn Sie Vorschläge brauchen, wir sind
gerne bereit und falls wir eingebunden werden - und es steht nicht nur im Akt,
dass wir immer angefragt wurden, was aber leider nicht richtig ist -, so sind
wir gerne bereit, darüber nachzudenken. Und man könnte auch dazu, gerade heuer,
nicht nur kleine Veranstaltungen machen,
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