Gemeinderat,
52. Sitzung vom 27.01.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 32 von 68
zuschauen, was sich bis in die Gegenwart alles
geändert und verändert hat.
Und man sollte darauf hinweisen, dass im
Jahr 1945 auch in unserer Stadt nichts bestanden hat. Es hat keine Gas-,
keine Stromversorgung gegeben, es hat keine Post, kein Telefon, keinen
öffentlichen Verkehr gegeben, keine Medikamente, keine Kleidung, und fast
nichts zum Essen.
Ich möchte da nur ein Zitat bringen, um zu zeigen, welche Lebensumstände damals geherrscht haben. Das hat damals nämlich Fiorella La Guardia, der damalige Generaldirektor der UNHRA, der Hilfs- und Wiederherstellungsverwaltung der Vereinten Nationen, am 2. Mai 1946 erklärt. Ich möchte es kurz zitieren: „Das österreichische Volk gehört zu jenen Völkern der Welt, die dem Niveau des Hungertodes am nächsten stehen."
Ich sage das nicht nur aus historischen Gründen,
sondern ich sage das auch deshalb, weil dem österreichischen Volk und
insbesondere der Stadt Wien damals viel geholfen wurde. Es hat damals den
Marschallplan gegeben, es hat die Carepakete gegeben, es hat den Versuch vieler
skandinavischer Länder gegeben, ebenso von Spanien, Portugal, der Schweiz und
den Niederlanden, den Wienerinnen und Wienern zu helfen. Es sind Kinder aus
unserer Stadt in diese Länder gebracht worden, wo sie aufgepäppelt worden sind.
Es sind Hilfslieferungen in unsere Stadt gekommen, die mitgeholfen haben, dass
viele Menschen nicht verhungern und zumindest keine gesundheitlichen Schäden in
die Zukunft mitnehmen mussten.
Ich denke, auch daran sollten wir denken, wenn wir
heute darüber diskutieren, anderen Menschen zu helfen, die in anderen Ländern
Probleme haben, unabhängig davon, ob die Ursache Krieg ist oder
Naturkatastrophen sind. Ich denke, dass die Behandlung von Menschen, die aus
anderen Ländern aus politischen Gründen flüchten müssen, die bei uns in
Österreich um Asyl ansuchen, dass sich gerade diese Thematik nicht für
politische Diskussionen eignet und auch nicht dafür, politisches Kleingeld zu
erzielen. Ich denke, die Beschäftigung mit der Geschichte unserer Stadt soll
uns auch helfen, politische Maßnahmen in der Gegenwart zu setzen und uns zu
wehren, wenn es darum geht, solche Fragen wie Flüchtlingsproblematik,
Asylantenfragen politisch zu instrumentalisieren.
Ich möchte aber noch auf ein besonderes Anliegen auch dieses Antrags eingehen, nämlich die Frage, inwieweit es möglich ist, hier einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über diese Ereignisse zu entspinnen. Ich möchte darauf verweisen, dass es immer weniger Menschen gibt, die diese Zeit, die Jahre 1945 bis 1955, noch aktiv erlebt haben. Die Zeitzeugen dieser Geschehnisse sind mittlerweile eine statistisch kleine Gruppe. Das sind bestenfalls 17 Prozent der insgesamt mehr als 8 Millionen Österreicher, also rund 1,35 Millionen Menschen, die eine vage, sehr schemenhafte Kindheitserinnerung an die Nächte im Luftschutzbunker, Bombeneinschläge oder sonstige Erinnerungsfragmente haben. Und nur 8 Prozent, das sind ungefähr 640 000 Personen haben das Kriegsgeschehen selbst erlebt.
Das heißt, der Informationstransfer aus dieser Zeit
in die Gegenwart ist sehr stark angewiesen auf neue methodische Formen, die wir
auch in diesen Projekten verankert haben. Es hat eine IMAS-Umfrage im Herbst
des vergangenen Jahres gegeben, die gezeigt hat, dass es eine abnehmende
Kenntnis über Personen des Zweiten Weltkriegs und des NS-Regimes, aber auch des
Widerstands, und eine abnehmende Kenntnis über die damaligen politischen
Zusammenhänge gibt. Ich denke, dass der Versuch, der zu Recht mit den
verschiedenen Projekten, die in diesem Antrag zusammengefasst sind, gemacht
wird, ein wichtiger Versuch ist, diese Wissenslücken aufzuarbeiten und das, was
mehrfach gefordert wurde, nämlich ein Gespräch zwischen den Generationen
herzustellen, zwischen jenen Menschen, die diese Zeit erlebt haben und jenen
Menschen, die auf Grund anderer Information angewiesen sind, sich damit zu
beschäftigen, dass dieser Informationstransfer Gültigkeit haben soll. Ich sehe
darin eine große Möglichkeit im vorliegenden Akt.
Ich möchte vielleicht noch ein paar Dinge erwähnen, die von meinen Vorrednern konkret angesprochen worden sind, wobei ich in vielen Fragen auch die Einschätzungen teile.
Herr StR Ellensohn, ich komme jetzt nur auf die
Punkte, wo ich anderer Meinung bin, weil Sie haben selbst zu Recht viele
Projekte, die in diesem Antrag sind, gelobt. Ich halte es, so wie Sie, ebenfalls
für richtig, dass hier insbesondere all jene, die im Widerstand gearbeitet
haben, auch eine entsprechende Unterstützung bekommen.
Wenn Sie fragen, wer beispielsweise das Denkmal für
die politisch Hingerichteten bei der Gruppe 40 am Zentralfriedhof
vorgeschlagen hat, so ist es der Dachverband der KZ-Verbände und
Widerstandskämpfer. Ich denke, das ist auch das Besondere an dieser
Zusammenfassung der Projekte, dass möglichst viele Gruppen eingebunden worden
sind, weniger die politischen Parteien, aber die betroffenen Gruppen. Ich finde
das fast noch wichtiger.
Es ist deshalb nicht, wie die Kollegin Schmalenberg
gesagt hat, eine Blitzaktion, die zu diesem Antrag geführt hat, sondern der
Versuch, möglichst viele Einzelpersonen, Gruppierungen, die mit den
verschiedenen Themen zu tun haben, einzubeziehen.
Wenn der Herr Bezirksvorsteher Blimlinger Vorschläge
und Ideen dieses Jahr betreffend gehabt hat, dann gehe ich davon aus, dass er
diese Ideen sicher kundgetan hätte, wie das auch andere Bezirksvorsteher und
andere Gruppen gemacht haben. Ich denke, dass es sicher auch in dem
Gesamtbereich möglich ist, hier - Sie haben selbst das Buch angesprochen - auch
auf die besondere Geschichte des 7. Bezirks einzugehen.
Sie haben auch das Projekt einer
Gedenkstätte am Aspanghof, nicht zu verwechseln, sage ich nicht Ihnen, sondern
generell, mit dem Flugfeld Aspern, wo es um ein Denkmal für den deportierten
Nachbarn geht, wie der Titel auch lautet. Es geht darum, einen Wettbewerb für
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