Gemeinderat,
55. Sitzung vom 28.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 85
Thema an sich ist, glaube ich, einmal österreichweit
Konsens, und das ist gut so.
Dann soll man eben offen legen, dass es hier um einen
anderen Punkt geht, und den soll man ansprechen: Wer zahlt das Ganze? Ist es
beim Kindergarten angesiedelt – und ich glaube, dass die Kindergärten, auch die
städtischen Kindergärten, absolut die Kompetenz hätten, es zu tun –, dann zahlt
es die Gemeinde – so sieht es die Bundesverfassung vor –, wird es schulpflichtig,
wie es von der SPÖ vorgeschlagen wird, zahlt es der Bund. Darauf reduziert sich
dann auch im Praktischen diese Frage, und das soll man auch einmal klar
aussprechen. Also das Kindeswohl hängt durchaus auch von dieser scheinbaren
Trivialität ab. – Das zum einen.
Zum anderen, auf die Kollegin Lakatha und Ihre
Schlusssätze eingehend: Es gibt eine Begebenheit aus der letzten Sitzung des
Sozialausschusses, die ich dem Plenum nicht vorenthalten möchte. Ich kann das
deshalb machen, weil ich reiner Beobachter war. Auslöser war Prof Strobl, der
jetzt gerade den Sitzungssaal verlässt. Prof Strobl hat bei der letzten Sitzung
des Gemeinderatsausschusses einen Antrag gestellt, einen Antrag, der – Sie
kennen unsere Geschäftsordnung zur Genüge, ich brauche das hier nicht zu
wiederholen – in einem Bericht der zuständigen Stadträtin inhaltlich praktisch
umgesetzt worden ist, und dieser Bericht der Stadträtin hat daher auch die
allgemeine Zustimmung des Ausschusses erfahren.
Um dem Formalen Genüge zu tun, kam dann der Antrag
selbst zur Abstimmung. Aber das, was jetzt logisch gewesen wäre, nämlich dass
man dem Antrag auch zustimmt, weil die Umsetzung im Sinne des Antrages erfolgt,
ist nicht passiert. Dem Antrag haben die Vertreter der SPÖ die Zustimmung verweigert.
Verwunderung allenthalben im Ausschuss. Wieso denn das? Da konnte einer der
SPÖ-Kollegen – ich nenne ihn hier zu seinem Schutze nicht namentlich – dann doch
nicht an sich halten und hat das mit erfrischender Offenheit erklärt: Weil er
von dir ist. (Heiterkeit bei der ÖVP.)
Das war die inhaltliche Begründung, warum man einem Antrag, der von einem
Vertreter der Opposition kommt und dem man inhaltlich zustimmt, nicht die
Zustimmung erteilt: Weil er von dem Vertreter einer anderen Fraktion ist. Der
kann inhaltlich richtig sein, aber er hat das Stigma, nicht von der SPÖ
eingebracht zu sein, und daher darf es einfach nicht sein. Es darf nicht sein,
was nicht sein kann, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Das ist das in
Wahrheit eigentlich Erschreckende in Ihrer gesamten Haltung in dieser Frage.
Jetzt kann ich Ihnen natürlich ewig und drei Tage –
die Redezeit begrenzt mich hier auf eine Minute noch – Ihre Verteuerungspolitik
vorhalten, die sich quer durch die Stadt zieht. Das ist ja nicht nur bei den Kindergärten
so. Da können Sie noch so sehr kommen mit denjenigen, die nichts bezahlen
müssen, diejenigen, die bezahlen müssen, die zahlen nämlich in allen Bereichen
der Stadt volle Länge, volle Post, denen greifen Sie querbeet drüber in die
Tasche, von denen nehmen Sie es gerne, ohne irgendwie auch nur mit der Wimper
zu zucken. Sie kennen keine Skrupel, wenn es darum geht. Sie greifen querbeet
durch in allen Bereichen dieser Stadt, wo immer Sie können, den Menschen in die
Tasche. Und das ist ein Akt der politischen Unanständigkeit, meine Damen und
Herren. (Beifall bei der FPÖ und von GR Günther Barnet.)
Sie machen sich nämlich nicht die Mühe, darüber
nachzudenken, wo man hier zu Kostenreduktionen kommen kann. Wir werden das in
weiterer Folge noch besprechen, aber ich empfehle Ihnen zum Beispiel wirklich
einmal, dieses grüne Handbuch, das jeder Abgeordnete hat, zur Hand zu nehmen
und sich anzuschauen, wie der Magistrat organisiert ist und welche Größe er
gewonnen hat. Da ist so etwas an Einsparungspotential enthalten alleine durch
die Reorganisation in diesem Bereich, dass Sie die Finanzierung des
Kindergartens locker zustande brächten. Ein Gratiskindergarten für alle Kinder,
die den Kindergarten besuchen – eine langjährige Forderung der Freiheitlichen. (Beifall
bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als letzte
Rednerin der heutigen Aktuellen Stunde bitte ich Frau GRin Martina LUDWIG.
GRin Martina LUDWIG (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau
Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Österreich ist tatsächlich fast Schlusslicht, was das
Thema Kinderbetreuung anbelangt. Nur Griechenland ist, glaube ich, noch hinter
uns. Das hat die EU uns schon mehrmals wissen lassen und das hat uns auch im
letzten Jahr, im Jahr 2004, bereits eine Rüge der Europäischen Union
eingetragen. Nach den Richtlinien der Europäischen Union und der Festlegung der
so genannten Lissabon-Ziele würden derzeit in Österreich rund 60 000
Kinderbetreuungsplätze fehlen. Außer in Wien! Wien ist nämlich das einzige
Bundesland in Österreich, welches laut dieser EU-Richtlinie die EU-Forderungen
erfüllt.
Ich fasse jetzt noch einmal kurz zusammen, weil –
darauf komme ich dann noch zu sprechen – das ein bisserl skurril ist, was Sie
uns hier heute bieten. Ich behaupte, dass gerade die ÖVP ein wenig mit
gespaltener Zunge spricht, je nachdem, ob sie sich gerade im Parlament oder
hier im Wiener Gemeinderat befindet. Denn Wien hat eine Vollversorgung für alle
drei- bis sechsjährigen Kinder, das heißt, Wien ist in Wirklichkeit auch das
einzige Bundesland, in dem wir überhaupt darüber diskutieren können, ob man
eigentlich hier noch Verbesserungen einführen soll, damit noch mehr Kinder in
den Kindergarten gehen. Wien hat diese Vollversorgung, und in Wien sind drei
Viertel aller Krippenplätze Österreichs. Das muss man, denke ich mir, immer
wieder betonen, weil nämlich tatsächlich in Vorarlberg beispielsweise – auf das
Beispiel komme ich dann noch – eine Mutter oder ein alleinerziehender Vater
überhaupt keine Chance hat, arbeiten zu gehen, weil dort für Kinder unter vier
Jahren überhaupt kein Kinderbetreuungsplatz da ist. Die gibt es einfach nicht.
– Ich denke mir, das ist vor allem dieser große Unterschied zwischen Wien und
den anderen Bundesländern.
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