Gemeinderat,
58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 104
brauchen eine Vernetzung der Einrichtungen und eine
niederschwellige Elternbildung. Lebenslanges Lernen gibt es in Wien auch nicht,
wenn ich an die Zustände in Wiener Pflegeheimen denke und daran, wie die Leute
dort untergebracht sind: Warm, satt, sauber - Förderung und Forderung von alten
Menschen gibt es dort nicht. Lebenslanges Lernen - eine Herausforderung, der
die Wiener SPÖ einfach nicht gewachsen ist! Es ist eine Schande, dass Sie
dieses Thema heute als Aktuelle Stunde gewählt haben. (Beifall beim BZW.)
Vorsitzender GR Dr Herbert Madejski: Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Jerusalem. Ich
erteile es ihr.
GRin Susanne Jerusalem
(Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Ich befürchte ja, dass Frau Schmalenberg und ich zu
keinem Erziehungskonsens finden werden. (GR Dr Wilfried Serles: Das ist
vielleicht nicht einmal so schlecht! - GR Kurth-Bodo Blind: Gott sei Dank!)
Nichtsdestoweniger möchte ich mich einmal bedanken für dieses freundliche
Wald-und-Wiesen-Thema "Bildung von Anfang an". Da kann sich jeder und
jede aussuchen, was sie dazu redet. Ich möchte das Thema für mich ergänzen und
sagen: Bildung von Anfang an für alle! Für alle Kinder, die in dieser Stadt
leben, aus welchen Ländern immer sie kommen mögen, welche Muttersprachen auch
immer zu Hause gesprochen werden und welche Voraussetzungen auch immer sie
mitbringen.
Deshalb von Seiten der GRÜNEN ein klares Bekenntnis
zum interkulturellen Lernen! Ich kann es nicht oft genug betonen: Die
mehrsprachige Stadt Wien muss auf interkulturelles Lernen setzen! Weil ich
befürchte, dass - und das ist ganz verständlich - nicht alle eingearbeitet sind
in das, was interkulturelles Lernen heißt, füge ich hinzu: Es geht darum zu
fördern - in der Muttersprache! -, dass wirklich alle Kinder gut Deutsch
können, und das Gemeinsame, das Zusammensein der Kinder, das Lernen
voneinander, und dass auch interkulturelle Freundschaften entstehen können -
dass das gefördert wird!
Jetzt denke ich mir, die SPÖ kann das, was ich bis
jetzt gesagt habe, durchnicken und wird eben auch sagen: Interkulturelles
Lernen, bravo, machen wir! Das ist aber der springende Punkt: Wir machen es
nicht! Deswegen möchte ich ganz kurz darauf hinweisen, wo die Probleme liegen.
Wenn es darum geht, Deutsch zu lernen, dann sind fünf
bis zwölf Stunden Deutsch-Förderunterricht in der Schule vorgesehen. Raten Sie
bitte einmal alle mit, wie viele von diesen Deutsch-Förderstunden die Kinder in
der Praxis tatsächlich bekommen. Es sind nämlich nicht fünf, es sind schon gar
nicht zwölf, es sind zwei - und das ist zu wenig! Damit ist dem nicht Genüge
getan.
Man hat die Schule kaputt gespart, kann jetzt das
interkulturelle Lernen nicht umsetzen und wird immer weiter mit dem Problem
konfrontiert sein, dass die sprachliche Förderung zu kurz kommt. Da kann die
ÖVP die Schuleinschreibung vorverlegen an den Anbeginn von allem, zu den
zweijährigen Kindern, oder Sie können die Kinder mit drei einschreiben, wann
immer! Wenn das interkulturelle Lernen nicht umgesetzt wird, dann wird sich
nichts zum Positiven verändern.
Zweiter Punkt: Muttersprachliche Förderung. Sie wissen
- und wir sagen das immer wieder -, es ist die Voraussetzung dafür, dass die
Kinder dann auch Deutsch lernen können. Die muttersprachliche Förderung in der
Praxis, schauen wir uns auch das an: Was heißt das in den Wiener Schulen? Das
heißt, dass das ein Freigegenstand ist und dass an dem Freigegenstand maximal
ein Drittel der Kinder, die es eigentlich brauchen würden, teilnehmen. So
schaut es aus! Mit dieser Verringerung des interkulturellen Lernens auf fast
nichts kann nicht gefördert werden und kann Chancengerechtigkeit nicht hergestellt
werden. So kann es nicht gelingen.
Würde aber im Umkehrschluss jetzt das, was wir schon
darüber wissen, was interkulturelles Lernen braucht und was wir organisieren
müssen, sowohl im Kindergarten als auch in der Schule tatsächlich stattfinden
und nicht nur auf dem Papier stehen, und wäre die Praxis interkulturelles
Lernen, dann hätten wir keine Probleme. Wir hätten weder eine
Schnittstellenproblematik noch ein Problem, das die ÖVP mit einer Vorverlegung
der Einschreibung beantworten möchte. Wir hätten alle diese Probleme nicht,
sondern wir hätten Interkulturalität, wir hätten Mehrsprachigkeit, und wir
hätten Kinder, die Chancengerechtigkeit für sich in Anspruch nehmen können. Man
muss es nur machen. In dem Augenblick, in dem man sich darauf beschränkt, nur
zu reden, zu reden, zu reden, aber in der Praxis nichts zu tun, scheitern diese
Dinge.
Abschließend, meine Damen und Herren: Die ÖVP hat der
SPÖ vorgeworfen, sie verschlafe die moderne Schulentwicklung. Mag schon
stimmen, aber ich befürchte, dass die ÖVP nicht einmal weiß, was das sein
könnte. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Dr Herbert Madejski: Zum Wort gemeldet ist GR Dr Aigner. Ich erteile es
ihm.
GR Dr Wolfgang Aigner
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Wie sehr die ÖVP mit ihrer Forderung nach dem
Gratiskindergartenjahr, zumindest dem letzten, ins Schwarze getroffen hat,
zeigt die Sensibilität, mit der die SPÖ auf diese nur allzu berechtigte
Forderung reagiert, und es zeigt, dass die Versäumnisse eigentlich im Bereich
der Gemeinde Wien zu suchen sind.
Ich kann mit meinen Ausführungen
daran anknüpfen, was meine Kollegin Mag Feldmann gestern bereits gesagt hat,
und es liegt nicht an den mangelnden pädagogischen Fähigkeiten der Kollegin
Feldmann, dass wir Sie davon nicht überzeugen konnten, sondern an Ihrer
ideologisch bedingten Unbelehrbarkeit. (Beifall bei der ÖVP.) Sie wollen
einfach nicht verstehen, dass die Benchmark für die Gemeinde Wien nicht die
österreichische Durchschnittsgemeinde mit im Schnitt 3 000 oder 4 000
Einwohnern sein kann, sondern andere Großstädte, noch dazu, wo die Gemeinde
Wien ja sehr kräftig in den Steuertopf hineingreift und auch sehr viel Geld zur
Verfügung hat. Deswegen gilt es nicht, Wien mit Dornbirn, sondern
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