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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 104

 

Freiheitlichen, angenommen. (Ruf beim BZW: Ohne BZW!) Und ohne BZW. - Pardon!

 

Es gelangt nunmehr Postnummer 37 zur Verhandlung. Sie betrifft einen Vertragsabschluss zwischen der MA 53 und der Compress VerlagsgesmbH bezüglich Leistungen im Rahmen der Auslandskommunikation.

 

Berichterstatter ist Herr GR Vettermann. Ich bitte ihn, die Verhandlung einzuleiten.

 

Berichterstatter GR Heinz Vettermann: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich bitte beim soeben einreferierten Geschäftsstück um Zustimmung.

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Danke schön. - Ich darf die Debatte eröffnen.

 

Zum Wort gemeldet ist Herr StR Ellensohn. Ich erteile es ihm.

 

StR David Ellensohn: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Compress Verlag - großes Aktenstück! Es ist leider notwendig, kurz zurückzublicken und die vielen Geschäfte, die mit Compress gemacht wurden und werden, intensiver zu beleuchten. 1991 bis 1996, das war noch vor dem Vertrag, der heute vorliegt, beziehungsweise dem Vorgängervertrag, bevor es diese Verbindungsbüros in den - damals - Erweiterungs-Hauptstädten gegeben hat.

 

Der Compress Verlag hat immer gute Geschäfte mit der Gemeinde Wien gemacht. Ich zähle ein paar auf, die wir Ihnen schon vor über 10 Jahren an dieser Stelle erklärt haben: Gemeinderatswahl 1991 - das Wahlservice hat die Compress übernehmen dürfen; die Bundespräsidentenwahl - das Wahlservice, das sind hier jeweils nur 1,5 Millionen ATS, das waren damals noch Schillingbeträge; die Sondernummer für "Unser Wien" für die verschiedenen Wahlen; alle möglichen Beilagen, Bücher, Bürgerdienst-Folder. Ein paar größere Aufträge: 30 Millionen für Auslands-PR und 642 Millionen ATS - das wird auch schon in Euro etwas hergeben - für die Gratiszeitung "Unser Wien". Sehr viele schöne, lukrative Aufträge, eine ganze Menge davon ohne Ausschreibungen, freihändig vom PID erhalten. Eine Firma, die in Privathand ist. Bei weitem nicht jeder Auftrag ausgeschrieben, und immer wieder verlängert worden.

 

Dann kommt das Jahr 1995, und man überlegt sich, ob man diese Verbindungsbüros braucht. Jetzt macht man eine Ausschreibung, eine Ausschreibung über einen großen Vertrag, und diesen Vertrag, um den sich mehrere beworben haben, gewinnt am Ende die Compress, ein alter Bekannter, mit dem man sehr viele gute Geschäfte gemacht hat.

 

Das "profil" schreibt darüber in seiner Ausgabe vom 19. Oktober 1998; damals ist ein Rohbericht des Rechnungshofs betreffend die gemeinsamen Arbeiten der Stadt Wien mit der Compress VerlagsgesmbH vorgelegen. Es schreibt in einem Text Herr Gernot Bauer über die Informationen, die hier abgerufen werden, über die Art und Weise der Ausschreibung und vor allem über die Kosten. Bei der Ausschreibung bezieht er sich auf den Rechnungshofbericht. Der Rechnungshofbericht sagt ungefähr - in aller Kürze -, es war eigentlich keine echte Ausschreibung, und es ist alles viel zu teuer.

 

Im Detail heißt das: Im August 1995 suchte der PID mittels öffentlicher Interessentensuche eine Unternehmung, welche Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit in den so genannten Reformstaaten Europas übernehmen soll. Im Rahmen dieser Interessentensuche gaben 13 Unternehmungen Bewerbungsunterlagen ab, fünf sind schlussendlich zum Hearing eingeladen worden. Bis dahin gilt ein Kriterienkatalog - das kommt jetzt wahrscheinlich manchen bekannt vor -, den man einhalten soll. Dann gibt es die Schlussbewertung. Woher kenne ich das? Woher kennen es die, die aufpassen? Weil wir das bei anderen Verträgen auch schon gehabt haben! Der Rechnungshof hält fest: Bei der abschließenden Gesamtbeurteilung durch den PID wurden noch weitere, zuvor nicht festgelegte Beurteilungskriterien herangezogen.

 

Jedes Mal der gleiche Schmäh: Zuerst eine Ausschreibung mit Kriterien, da geht es um viel Geld, da geht es um Millionenbeträge; dann gibt es eine Ausschreibung, da gibt es welche, die noch weiterkommen; dann werden die Kriterien geändert, nachträglich geändert - das haben wir gestern schon gehabt, das haben wir vorgestern schon gehabt, das haben wir praktisch in jeder Gemeinderatssitzung -, und es gewinnt einer, in diesem Fall die nicht ganz unbekannte Compress, die nicht zu Unrecht als zumindest SPÖ-naher, SPÖ-freundlicher Betrieb in den Medien genannt wird.

 

Der Rechnungshof beanstandete die Änderung, die Erweiterung der Beurteilungskriterien. Zum Beispiel völlig flachgefallen ist das Kriterium, das zuerst gegolten hat – immer das gleiche Theater! -: Wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit war zuerst wichtig, dann gab es dafür null Punkte, vollkommen unwichtig im zweiten Verfahren! Die Ausrüstung zählt nicht. Es zählen nachher nicht die Kosten, sondern es zählt, dass dieses Büro schon gute Verbindungen hat. Unter anderem wird dann genannt, wer gute Verbindungen hat. Gute Verbindungen hat laut PID, die zuvor sagen - das muss man sich auch einmal ausrechnen: Da gibt es diese Ausschreibung, da geht es um viel Geld, und da steht drin: „Ein Kostenvergleich zwischen der Compress und den anderen Agenturen erschien als nicht zielführend"!

 

Also zu schauen, was es kostet und ob die anderen billiger sind oder nicht, ist nicht zielführend, weil es vollkommen Blunzen ist, ob die anderen billiger sind oder teurer! „Erscheint uns als nicht zielführend", das ist kein Zitat aus einer Zeitung, sondern das ist ein Originalzitat aus dem offiziellen Antrag der MA 53: „Ein Kostenvergleich zwischen der Compress und den anderen Agenturen erschien als nicht zielführend, da nur die Firma Compress über die gewünschten Kontakte zu Spitzen der Politik und Verwaltung verfügt." Na, dann hätte man das zuerst auch in die Ausschreibung hineinschreiben können: Egal, wie viel es kostet, alles, was ihr bieten müsst, sind gute Kontakte.

 

„Und da hatte Compress", schreibt dann das "profil", „ein unüberbietbares Atout in der Hand", nämlich einen Compress-Konsulenten honoris causa bei bloßem Spesenersatz - was "bloßer Spesenersatz" heutzutage heißt,

 

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