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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 03.10.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 37

 

gesamtgesellschaftliches Problem; traurig genug, wenn es in der Schule zum Ausbruch kommt. Als gesamtgesellschaftliches Phänomen kennen wir ja bekanntlich aus der Gewaltforschung drei Phänomene:

 

Phänomen eins ist die physische und psychische Gewalt, die, die wir alle erfahren können, also das, was uns da oder dort immer wieder einmal passiert.

 

Zweitens: Die strukturelle Gewalt, eine Form der Gewalt, wie sie sich in der Gesellschaft durch ungleiche Chancenverteilung, durch ungleiche Lebens-, Zukunftsperspektiven und soziale Benachteiligung darstellt.

 

Und als drittes Gewaltphänomen: Die kulturelle Gewalt, jene Gewalt, die legitimiert ist - von der Kultur her, von der Gesellschaft, in der Polizei, in der Ordnungsmacht, aber auch in den verschiedensten Formen, wie Gesellschaften nun einmal strukturiert sein können. Das gilt ja nicht nur für demokratisch organisierte Gesellschaften, daher gibt es auch andere Formen, negative Formen der legitimierten Gewalt.

 

All das sind Gewaltphänomene, die uns im täglichen Leben da und dort immer wieder begegnen. Gewalt ist also sozusagen latent vorhanden und kann jederzeit akut werden.

 

Das, was wir aber hier nicht tun sollten, ist, den Versuch zu unternehmen, Gewalt nur in der Schule anzusiedeln und Gewaltprävention allein der Schule zu überlassen oder zu überantworten, weil dadurch ganz einfach die Schule Gefahr läuft, in einer gewissen Form der "Mistkübel" der Gesellschaft zu werden, wo man gerne ungelöste Probleme der Gesellschaft hineinschiebt und sagt: Löst mir hier das Problem, denn wir haben keine passenden Antworten.

 

Die Vielschichtigkeit, wie sich Gewalt darstellen kann, verlangt natürlich auch eine Vielzahl von Angeboten, von Beratung, von Hilfestellung - vor allem durch diese Stadt. Wir müssen daher alles dafür tun, meine Damen und Herren, dass Gewaltprävention schon im Vorfeld der Schule beginnt und dass wir nicht erst dann, wenn es bei 14-, 15-Jährigen tatsächlich, wie wir es ja erlebt haben, zu dramatischen Formen eines Gewaltausbruchs kommt, nachdenken müssen: Was können wir da dagegen tun?

 

Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Das heißt, die wichtigsten Sozialisationsschritte für Kinder, für Jugendliche erfolgen hier. Es gilt daher vor allem, die Keimzelle der Gesellschaft besonders zu unterstützen, ihr Hilfe dort anzubieten, wo sie Hilfe braucht, und vor allem Information zu geben. Das heißt, wir brauchen Rahmenbedingungen, die schon im Kindergarten beginnen, Rahmenbedingungen, die sich vom Sozialbereich dieser Stadt bis hin zum Jugendbereich dieser Stadt ziehen. Und da, meine Damen und Herren von der SPÖ, haben Sie in hohem Ausmaß bisher versagt.

 

Was wir Ihnen vorwerfen, ist mangelnde Kooperationsbereitschaft, mangelnde Förderbereitschaft gegenüber Institutionen und Organisationen, die hier professionelle Arbeit anbieten können - wobei Schulen sehr oft auch auf diese Organisationen zugreifen möchten -, weil wir ganz einfach glauben, dass neben dem Erziehungsauftrag in der Schule, wo ja Friedenserziehung, soziales Lernen teilweise Unterrichtsprinzipien sind, ... – Es ist daher nicht so, wie meine Vorrednerin, Frau Jerusalem, in einem Propagandaantrag schreibt, dass beim Projekt "Soziales Lernen" Kürzungen vorgenommen worden sind. Das ist einfach falsch! Ich behaupte - auch im Schutze meiner Immunität, ich bin aber gerne bereit, das auch ohne Immunität zu bezeugen -, das ist schlichtweg eine Lüge. Sie behaupten hier etwas, was nicht stimmt. Das hat es nie gegeben! Es hat nie einen Gegenstand "Soziales Lernen" gegeben. Es hat das Projekt "Soziales Lernen" in der Form gegeben, dass manche Schulen einen besonderen Schwerpunkt darauf gesetzt haben. Und der Wiener Stadtschulrat - das muss ich hier wirklich zur Ehrenrettung des Wiener Stadtschulrates sagen - stellt für diesen Bereich gebundene Werteinheiten in einem Ausmaß zur Verfügung, wie es das schon lange nicht mehr gegeben hat. Das heißt, die Schulen haben alle Möglichkeiten, wenn sie das wollen, das tatsächlich umzusetzen. Wir werden daher dieser Propaganda nicht zustimmen, im Gegenteil: Wir werden sagen und aufzeigen, was Sie hier wieder versuchen, nämlich auf dem Rücken der Lehrer mit Vorurteilen, mit Verunsicherung und Unwahrheiten "Kleingeld-Politik" zu machen, weil Sie glauben, dass Sie dafür von einer bestimmten Seite Applaus bekommen. Das ist nicht unsere Art der Politik! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Die Stadt ist gefordert, ihrer Verpflichtung nachzukommen, im Kindergarten, in der Schule, in der Jugendbetreuung Rahmenbedingungen zu schaffen, wo eben Unterstützung, Hilfe und Beratung möglich werden. Wir haben daher in unseren Antrag sieben Forderungen aufgenommen:

 

Die erste Forderung betrifft ganz trivial die gesetzliche Möglichkeit, im Bedarfsfall die Schultasche perlustrieren zu dürfen. Es ist ja eigentlich skurril, wenn man sich das überlegt: Wer jemals als Lehrer in einer Klasse tätig war, weiß, dass Kinder, wenn sie eine Waffe mithaben, gerne damit prahlen. Die wenigsten kommen mit einer Pistole und schießen gleich drauf los – das ist eigentlich in Österreich, bis auf einen einzigen Fall, nicht wirklich passiert -, aber sie zeigen sie gerne her, um Macht zu demonstrieren, um zu zeigen: Ich bin stark! - Das gilt auch für alle möglichen anderen Waffen und auch für Gegenstände, die waffenähnlich sind. So etwas bleibt nie geheim in der Klasse, das weiß man. Als guter Lehrer, als guter Klassenvorstand weiß man, was in seiner Klasse los ist, und es macht daher Sinn, im Anlassfall als Klassenvorstand, eventuell gemeinsam mit dem Direktor oder der Direktorin, solch eine Schultasche zu perlustrieren. Sollte es dabei zu einer Eskalation kommen, na ja, meine Damen und Herren: Dann wird man diesen Schüler in der Direktion isolieren und eben die Polizei dazu holen, wenn der extreme Verdacht besteht, dass er im Hosensack eine Pistole hat. Aber ich kann nicht zur Tagesordnung übergehen und sagen: Das darf alles nicht geschehen, denn hier greife ich in die Privatsphäre des Schülers ein, und daher darf ich überhaupt nichts tun und muss warten, bis etwas passiert. - Also da haben wir einen sehr konkreten Zugang, von dem wir meinen, dass

 

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