Gemeinderat,
18. Sitzung vom 02.03.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 104
Ziel einer nachhaltigen Pflege der jüdischen
Friedhöfe in Wien.
In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung
verlangt.“
Wie gesagt, in dieser Frage des Währinger Friedhofs,
für den ich mich bekanntermaßen sehr einsetze, sehen wir das als einen
wichtigen ersten Schritt, aber sicher nicht als den letzten. Wenn man den
jüdischen Friedhof wirklich als kulturhistorisches Erbe der Stadt begreift und
versteht, wenn man bedenkt, was die Menschen, die Familien, die dort begraben
sind, für die Stadt geleistet haben, vor allem in den Zeiten der industriellen
Revolution, dann glauben wir, dass ein Engagement und eine Initiative der Stadt
wirklich notwendig sind.
Ich möchte hier auch noch einmal betonen: Ich habe in
all den Jahren nie gesagt, die Stadt Wien soll das alles finanzieren, ich bin
der Meinung, Wien soll einen finanziellen Beitrag leisten, und ich bin der
Meinung, Wien soll die Initiative übernehmen, weil Wien selbst ein vitales
Interesse daran haben muss, dass dieser Friedhof gerettet wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Dr Wolf hat sich gemeldet. Bitte schön.
GR Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich kann meine Wortmeldung kurz halten. Meine
Fraktion wird dem Restitutionsbericht zustimmen. Er ist eine gute
Dokumentation, was in Sachen Restitution geschehen ist, und wahrscheinlich und
noch mehr, was in Zukunft noch zu geschehen hat. Auch das lässt sich aus diesem
Bericht ableiten.
Zu dem bereits vorher erwähnten jüdischen Friedhof
und zu dem gemeinsamen Antrag möchte ich auch die Bereitschaft meiner Fraktion,
diesem Antrag beizutreten, hier deponieren. Auch wir sind der Meinung, dass es
ein wichtiger und erster Schritt ist, den jüdischen Friedhof Währing endlich
zugänglich zu machen, ihn zu sanieren und die seit Jahrzehnten verschleppte
Sanierung endlich anzugehen. Wir sind zuversichtlich, dass mit diesem
gemeinsamen Antrag nun der erste Schritt gemacht wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zu Wort gemeldet ist Dr Troch. Ich bitte ihn zum
Rednerpult.
GR Dr Harald Troch (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Es liegt
der siebente Restitutionsbericht des Stadtrates für Kultur, Kunst und
Wissenschaft vor, und ich glaube, dieser Restitutionsbericht ist ein
anschauliches Beispiel, dass die Stadt Wien mit dem jüdischen Erbe hier in
unserer Stadt in keiner Weise nachlässig, sondern sehr, sehr verantwortungsvoll
umgeht.
Mein grüner Vorredner hat auf die Provenienzforschung
hingewiesen, das heißt, woher stammen verschiedene Kunst- und Kulturgüter, die
sich in Sammlungen der Stadt Wien befinden. Bei dieser Forschungsarbeit, bei
dieser Recherchearbeit wird sehr gezielt und sehr grundlegend vorgegangen, und
ich möchte diese Gelegenheit jetzt nützen, auf einen ganz, ganz zentralen und
wesentlichen Unterschied einzugehen, wie die Bundesmuseen, die Bundesstellen
Restitution betreiben und wie das die Stadt Wien macht. Der große Unterschied
ist, dass hier in Wien aktive Eigentümerforschung betrieben wird, und nicht nur
Eigentümerforschung, sondern auch Erbenforschung, also, wer könnten mögliche
Erben dieser Kunst- und Kulturgüter sein. Wir warten nicht darauf, dass jemand
zu uns kommt und sich meldet, wir versuchen, die Menschen ausfindig zu machen.
Dieses Beispiel von Provenienzforschung Wiener Art
ist genau der Unterschied, der uns in Wien nicht nur von einem nachlässigen
Umgang mit dem kulturellen Erbe der Juden in dieser Stadt unterscheidet,
sondern das ist genau ein Beispiel, dass hier verantwortungsvoll mit dem Erbe
und auch mit den Nachfahren möglicher Eigentümer umgegangen wird.
Insgesamt kann ich zur Kunstrestitution sagen, dass
in diesen sieben Jahren mittlerweile 5 000 Objekte restituiert worden
sind und dass die Wiener Praxis der Restitution international als vorbildlich
anerkannt ist. Ich glaube, darauf können wir sehr, sehr stolz sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Ein konkretes Beispiel, das mir sehr, sehr
interessant erscheint, ist auch die Vorgangsweise der Wienbibliothek, wo in
einem dreigliedrigen Rechercheverfahren zuerst einmal alle Erwerbungsvorgänge
der Jahre 1938 bis einschließlich 1950 angeschaut wurden, also sämtliche Akten der
Bibliothek zu den Erwerbsvorgängen, und dann auch auf Vorbesitzervermerke
überprüft wurden. Die Vorgangsweise ist sehr, sehr engagiert, sehr ehrlich und
gleichzeitig auch sehr zielführend; daher auch die große Anzahl von
zurückgegebenen Objekten.
Ich kann aber darauf verweisen, dass weit über
70 Prozent restituierter Güter entweder wieder zurückgekauft wurden durch
die Stadt, mit Mitteln der Stadt, aber vielfach auch Schenkungen stattgefunden
haben, wo frühere Eigentümer oder Erben sagen, nein, wir wollen eigentlich,
dass es in Wien bleibt, und wir machen der Stadt eine Schenkung. Das soll dort
bleiben, wo es ist, und es soll die Stadt Wien auch nichts kosten. Ich sage
ganz einfach, die Stadt freut sich auch über derartige Vorgänge.
Abschließend noch ein kurzes Wort zum Währinger
Friedhof. In der Aktuellen Stunde hatten wir leider nur sehr kurz Zeit für die
Auseinandersetzung mit diesem spannenden und auch notwendigen Thema. Da bin ich
ganz bei Ihnen. Die gemeinsame Anstrengung, die in diesem Antrag von Grünen, ÖVP und SPÖ zum Ausdruck kommt,
ist eine gute Sache, ich freue mich darüber und ich denke mir, dass unter der
jetzigen Konstellation der Bundespolitik auch wesentlich bessere
Voraussetzungen gegeben sind, dass mit der Restitution und in dem Fall auch im
generellen Umgang mit dem jüdischen Erbe aktiver vorgegangen wird. Ich bin
sicher, dass die Nationalratspräsidentin Prammer sehr schnell aktiv werden
wird, dass es zu offenen Gesprächen zwischen dem Bund, den Gemeinden und den
Ländern kommen wird und dass dann am jüdischen Friedhof Währing auch mit
Bundesmitteln wirklich was Nachhaltiges passiert.
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