Gemeinderat,
20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 108
Wien eine flächendeckende Gesamtschule ab dem
Schuljahr 2009/2010. Klartext gesprochen, wunderbar! Ich habe sofort eine
Aussendung gemacht und habe gesagt: Gratulation, bestens! Volle Unterstützung
der GRÜNEN, alles ganz hervorragend!
Heute liegt uns ein Beschluss- und Resolutionsantrag
der SPÖ vor, bei dem ich nicht weiß: Schwimmen Sie wieder zurück, oder was ist
jetzt? (GR Mag Wolfgang Jung: Wie überall!) Jetzt kenne ich mich
überhaupt nicht mehr aus. Da fällt mir sofort ein, dass im Jahr 2001
Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl der Presse ein großes Interview gegeben
hat, in dem sie gesagt hat: Die Gesamtschule ist anachronistisch, über die
reden wir überhaupt nicht mehr.
Jetzt weiß ich nicht, schwimmen Sie da auch wieder
zurück? Es kommt in der Antragsbegründung das Wort Gesamtschule nicht vor. Wenn
man sich den Text durchliest, kann man nur mit dem allerbesten Willen, wenn man
es hineinlesen will, die Gesamtschule hineinlesen. Aber dann kommt der Antrag
selber, und auch im Antrag selber kommt die Gesamtschule nicht vor.
Das wäre noch kein Grund für die GRÜNEN, dem nicht
zuzustimmen. Warum nicht! Was Sie da schreiben - ja bitte, meine Güte, wir
haben schon verwascheneren Anträgen die Zustimmung gegeben, wenn wir gesagt
haben, Sie sind gutwillig. (Heiterkeit bei StRin Dr Monika Vana.)
Sei's drum! Aber dann lese ich in diesem Antrag, und ich sehe, dass man es
zwischen der Erstfassung und der Zweitfassung heute in der Früh geschafft hat,
ihn zu verschlechtern. Das war schon eine Leistung!
Aber jetzt möchte ich die Punkte nennen, die es den
GRÜNEN tatsächlich nicht möglich machen, diesem Nicht-Gesamtschulantrag die
Zustimmung zu geben.
Erstens ist dies der Hinweis darauf, dass dieser
Antrag auf Basis des Regierungsübereinkommens stattfindet. Das
Regierungsübereinkommen ist sozusagen die Nullaussage zur Gesamtschule. Die
brauchen wir nicht - nein, danke!
Zweiter Punkt: Wir ziehen die Ergebnisse der
Zukunftskommission heran. Na, da war ich dann aber schon wirklich sehr
erstaunt! Denn die Zukunftskommission sagt sehr viel Gescheites zu sehr vielen
Schulthemen - aber zur Gesamtschule nicht, Punkt. (Heiterkeit bei den
GRÜNEN.) Warum man sich da auf das beziehen soll? Ich weiß es nicht.
Das Einzige, worin die Zukunftskommission die
Gesamtschule erwähnt, lautet folgendermaßen: Auf Grund der
historisch-kulturellen Vergangenheit Österreichs kann man derzeit an eine
Einführung der Gesamtschule in diesem Land nicht denken. (Heiterkeit bei den
GRÜNEN.) Haben Sie das gemeint? Wahrscheinlich.
Aber jetzt kommt es erst! Jetzt kommt das, wo ich mir
gedacht habe: Jetzt bricht bei mir Fassungslosigkeit aus. Denn für das, was Sie
da drinnen haben wollen, verweisen Sie im Antrag auf die Vorarbeiten zu den
Bildungsstandards. Mit Verlaub, wir werden in diesem Haus noch darüber reden,
aber etwas Blöderes als die Bildungsstandards ist mir in meinem pädagogischen
Dasein noch nicht untergekommen. (Heiterkeit bei den GRÜNEN.) Das ist
Unfug höchster Ordnung! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Das ist Ihr Antrag. Nein, danke, wir werden ihn
ablehnen! Daher haben wir uns dazu gefunden, einen eigenen Gesamtschulantrag
einzubringen. Er liegt Ihnen mittlerweile vor. In der Begründung verweisen wir noch
einmal eindringlich auf die Chancengerechtigkeit, denn um diese geht es uns.
Der Antrag lautet wie folgt:
„Der Wiener Gemeinderat möge beschließen, dass der
Stadtschulrat für Wien ersucht wird, in Verhandlungen mit dem Bundesministerium
für Unterricht, Kunst und Kultur zu treten, um die Voraussetzungen für die
Implementierung einer Gesamtschulregion Wien zu schaffen."
Wir hätten uns nie getraut, diesen Antrag im
Gemeinderat zu stellen! Denn Sie hätten uns erklärt: Meine Güte, die GRÜNEN,
jetzt sind sie schon so lange im Gemeinderat und können immer noch nicht den
Gemeinderat und Landtag auseinander halten! Klassischer Antrag, der in den
Landtag gehört!
Gut, nachdem Ihr Antrag zugelassen ist, ist meiner
hiermit auch zugelassen. (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN.) Er ist
hiermit zugelassen, danke schön, und ich fahre fort. Wir haben noch ein paar
Sachen dazugeschrieben:
„Das Konzept für eine Wiener Gesamtschulregion soll
dem Wiener Gemeinderat zur Beratung vorgelegt werden."
Wir wollen nämlich ganz genau wissen, was Sie machen.
Wir wollen zum Beispiel wissen: Führen Sie wieder diese schändlichen
Leistungsgruppen ein? Oder wird es wirklich eine heterogene Klasse, in der
unterrichtet wird?
Dann kommt noch ein letzter Satz, der uns wichtig
ist, weil wir immer viel davon halten, dass die Menschen, um die es eigentlich
geht, informiert, beteiligt und mit einbezogen werden. Deswegen steht hier noch
ein letzter Satz:
„Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Beteiligung
der Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen an einem qualitativen
Diskussionsprozess sichergestellt wird.
In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige
Abstimmung dieses Antrages."
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit bin ich
auch schon am Ende meiner Rede angekommen. Wir werden in den nächsten Sitzungen
noch viel Gelegenheit haben - auch auf Grund des heute eingelangten
Kontrollberichtes über die Schulen -, über die Schulen zu sprechen. Das freut
mich sehr, und ich freue mich auf viele spannende und vor allem qualitative Auseinandersetzungen,
die dieses Gemeinderates und Landtages auch würdig sein sollen. - Danke schön. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. -
Als Nächste am Wort ist Frau StRin Mag Cortolezis-Schlager. (Auf der
Galerie versucht eine Gruppe jugendlicher Zuhörer, ein Transparent zu
entrollen.)
Meine Herrschaften, es ist nicht
erlaubt, Transparente zu spannen. Nehmen Sie es bitte weg. (Das
zusammengerollte Transparent wird von Bediensteten des
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