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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 108

 

Ich finde es auch traurig, dass gerade von den Grünen jetzt nichts kommt. Wenn man in die APA geht – Sie haben ja die Möglichkeit – und dort zum Beispiel einmal hineinschaut, wie viele Presseaussendungen zum Thema „Gesamtschule, Grüne, Oberösterreich oder Modellversuch“ da überhaupt gemacht wurden, wie viele Aussagen getroffen wurden, dann ist da leider gähnende Leere. Das ist ein bisschen eigentümlich, weil die Grünen ja immer behaupten, sie sind die Einzigen, die die richtige Bildung und die richtige Pädagogik erfunden haben, und die Einzigen, die das auch jemals umsetzen werden. Und dann findet so eine Debatte statt, wie sie gerade stattfindet, und dann gibt es von den Grünen gar nichts. In Oberösterreich gibt es keinen Antrag, keine Presseaussendung. Nichts. Kein Statement zum Modellversuch, keinen Aufschrei: Hallo, Oberösterreich will auch Modellversuchsland werden! et cetera. Dort, wo Sie nämlich die Möglichkeit hätten, etwas einzubringen, etwas einzufordern, etwas umzusetzen und die Verantwortung zu tragen, kommt nichts. Das ist bezeichnend, und das finde ich schade, weil ich mir immer gedacht habe, wir arbeiten hier auf demselben Weg miteinander. (Beifall bei der SPÖ.)

 

In der jetzigen Debatte, die ich jetzt seit, glaube ich, fast zwei Stunden verfolgen durfte, haben wir wieder festgestellt, dass wir uns nicht an diesen Begrifflichkeiten festhaken dürfen, sondern genau davon lösen müssen, um uns anzunähern, und zwar auf beiden Seiten. Da nehme ich keine Gruppe aus. Ich glaube auch, dass wir da oder dort sicher auch noch Debatten führen müssen, wie der Leistungsbegriff definiert ist, aber ich denke, abgelegt haben wir diese grundsätzlich negative Besetzung des Leistungsbegriffs.

 

Ich erwarte mir aber natürlich auch von der anderen Seite eine Annäherung dahin gehend, dass es in der Definition unserer Begrifflichkeit nicht darum geht, einen Einheitsbrei irgendwie zu fordern oder umsetzen zu wollen. Das veranlasst mich dazu, die Frage des Kollegen Aigner zu beantworten: Warum will das denn die SPÖ? Was will denn da die SPÖ? Na, was die SPÖ will, ist relativ klar darzulegen, wenn man sich anschaut, wo wir gerade stehen.

 

Wir haben jetzt ein System: Zuerst Kindergarten als Bildungseinrichtung – da ist der Besuch noch variabel da oder dort in Wien – kurz vor dem Eintritt in die Schule, relativ flächendeckend angeboten, dann vier Jahre einer gemeinsamen Schule, nämlich die Volksschule. Und dann kommt dieser Zeitpunkt, wo ein Kind neuneinhalb Jahre alt ist und wo festgestellt wird, in welche Schule es nachher geht, ob es in eine AHS oder in eine Kooperative Mittelschule oder in die Hauptschule geht, doch das wird nicht nach einem ganzheitlichen Beurteilungssystem des Kindes entschieden, sondern es wird nach einer einzigen Schwäche, die aufgetreten ist, entschieden, nämlich, wenn es zum Beispiel in einem Fach nicht die erforderliche Note hat, die man braucht, um in eine AHS zu gehen. Alles andere ist wurscht, alles andere ist quasi null und nichtig geworden, wenn diese eine Schwäche im Zeugnis steht.

 

Und was findet dann statt? – Dann findet Klassenselektion statt, nämlich in zwei verschiedene Gruppen, und schon diese Teilung in die eine und in die andere Gruppe führt dazu, dass Bildungslaufbahnen zum großen Teil vorbestimmt sind. Und dann kommt noch dazu – und das ist natürlich einer der wirklich ungerechtesten Umstände –, dass diese Selektion zum Teil nicht einmal nur auf dem Leistungs- oder Notenprinzip aufbaut, sondern in sehr, sehr vielen Fällen auch noch nach dem sozioökonomischen Status stattfindet. Und das ist das Ungerechteste, was es überhaupt gibt. Und deshalb findet die SPÖ, dass diese Selektion nicht stattfinden soll, deshalb möchte sie nicht, dass Kinder mit neuneinhalb Jahren entscheiden sollen, das heißt, sie selbst entscheiden es nicht, aber die Eltern gemeinsam mit den Lehrern und anderen entscheiden, was mit dem Kind passieren soll, und wie hier selektiert wird.

 

Deshalb fordern wir die gemeinsame Schule für 10- bis 14-Jährige, sehr wohl mit einer Individualisierung und einer Differenzierung. Ich habe das hier an dieser Stelle, ich weiß nicht wie oft, schon klarzulegen versucht. Es geht uns darum, nach innen zu differenzieren. Es geht uns darum, die Schwächen zu erkennen und sie zu schwächen, die Stärken zu erkennen und diese zu stärken, ein System zu haben, wo das möglich ist, ein System, wo individuell ganz genau geschaut wird: Welche Talente und Begabungen gibt es? Wie kann man Schule so organisieren, dass diese Talente und Begabungen auch ausgebaut werden können? Wie kann man Schule so organisieren und Unterricht so organisieren, dass Schwächen, die vorhanden sind, abgeschwächt beziehungsweise beseitigt werden können, um Kinder soweit begleitend auszubilden, dass sie dann erst mit 14 oder 15 Jahren entscheiden, welches meiner Talente, welche meiner Stärken möchte ich beruflich auch nutzen, um zu einer beruflichen Ausbildung zu kommen.

 

Und da steht wieder die Vielfalt im Vordergrund, auch in der Oberstufe, nämlich, ob es eine sehr, sehr starke Praxisausbildung geben soll oder eine weniger starke Praxisausbildung, ob da betriebliche Träger dahinter sind oder nur staatliche Träger dahinter sind. Auch da ist alles möglich

 

Und da Kollege Aigner in einer Schule unterrichtet, wie ich weiß, nämlich in einer HTL, wo es zum Glück so ist, dass ein paar jener, die eine Laufbahn eingeschlagen haben, auch wieder durchlässig zurückkehren können, dann unterrichten sie in einer Gesamtschule, nämlich in einer HTL. Und ich denke, das ist genau das, was wir wollen, nämlich dass allen die Möglichkeit offen steht, im Endeffekt ganz oben anzugelangen. (GR Mag Wolfgang Jung: Das steht schon jetzt jedem offen!) Nein, es steht nicht allen offen. Sie haben mir nicht zugehört, ich habe vorher gesagt ... (Neuerlicher Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Ah, das mit dem Zuhören, das ist immer schwierig. (GR Mag Wolfgang Jung: Nein, aber Ihre Träume sind etwas anderes als die Realität! – VBgmin Grete Laska: Wir haben wenigstens noch Träume! – GR Franz Ekkamp: Da redet überhaupt der Schulexperte!)

 

Ich weiß nicht, ob Sie noch reden, Kollege, aber ich

 

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