«  1  »

 

Gemeinderat, 20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 108

 

den Eindruck, als ob bei der SPÖ ein innerparteiliches Wettrennen darüber entstanden wäre, wer in der Frage der Gesamtschule die radikalsten Forderungen aufstellt. (GRin Barbara Novak: Nein, nicht Gesamtschule! Die SPÖ ist für eine Differenzierung!) Sie wissen, losgegangen ist ja dieses Match, als die SPÖ-Bildungsministerin mit dem BZÖ-Landeshauptmann Haider ein Gesamtschulprojekt angekündigt hat, und dann – so der Eindruck – hat sich die SPÖ-Stadtregierung bemüßigt gefühlt, diese Ankündigung auch zu toppen. Mal sehen, wie die nächste Runde ausgehen wird. Wir sind sehr gespannt, ich persönlich auch.

 

Abgesehen davon, wie die innerparteiliche Kommunikation in der Frage abläuft, bleiben uns die Rathausverantwortlichen aber viele Details und Antworten schuldig (GRin Barbara Novak: Nein, für alles sind wir nicht verantwortlich!), und sie scheinen auch die vielen praktischen Probleme des Wiener Schulwesens, die auch ohne Gesamtschule zu lösen wären, schlichtweg zu ignorieren.

 

Zur Kollegin Novak möchte ich an dieser Stelle Folgendes aufklären: Sie haben, glaube ich, des Öfteren heute schon betont, dass Kindern, die eine Hauptschule besucht haben, der weitere Bildungsweg versperrt bleibt. (GRin Barbara Novak: Nicht immer, aber sehr oft!) Sie haben das aber so unterstrichen und es ist so rübergekommen, jetzt relativieren Sie es wieder. Ich habe eine Hauptschule abgeschlossen, dann ein Gymnasium und habe in zweieinhalb Jahren mein Politikwissenschaftsstudium abgeschlossen. Mein Bruder hat auch eine Hauptschule abgeschlossen, hat eine HTL absolviert und studiert Maschinenbau, und viele, viele weitere Kinder, die ich in meiner Umgebung kenne, auch. Also das nur so darzustellen, ist sehr kurz gegriffen, und Sie projizieren meiner Meinung nach das, was Sie hören wollen und was Sie wissen wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – GRin Barbara Novak: Einzelne Beispiele haben keine empirische Aussagekraft!)

 

Sie kennen die Problematik im Migrationsbereich genau. In 5 von 23 Bezirken lebt ein Großteil der Migranten geballt zusammen. Wir haben in den Schulen oft einen Migrantenanteil von 80, 90 Prozent. Und kommen Sie mir ja nicht mit der Diskussion, das ist ja nicht so schlimm et cetera, denn die Migranten selber sind sich des Problems bewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von den Roten. Ich habe des Öfteren an dieser Stelle schon ausgeführt, was Bildungsexperten den Migranten zu diesem Thema sagen. Das hängt auch mit der Verteilung zusammen, mit der Verteilung, wie wir von der Wiener ÖVP sie wollen, nämlich dass der Anteil von Kindern, die Sprachförderbedarf haben, in einer Klasse nicht mehr als 30 Prozent ist. (GRin Barbara Novak: Sie wollen mit mir reden, dann reden Sie nur herum!)

 

Schauen Sie mal, Sie kennen sicher Bündnis Mosaik, das ist eine Fraktion der Arbeiterkammer von Migranten und Migrantinnen, und ich habe zufällig deren Antrag – nicht ganz neu – diesmal gefunden, und das könnte die Handschrift der ÖVP tragen, auch wenn das nicht ÖVP-nahe ist. Auch sie fordern, dass das letzte Kindergartenjahr gratis sein soll, eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung und alles, was Sie in der Vergangenheit verabsäumt haben. (GRin Barbara Novak: Was? Kennen Sie die Nachmittagsbetreuung, die qualitativ hochstehende pädagogische Nachmittagsbetreuung?) Und dann kommen Sie und sagen, wir brauchen eine Gesamtschule, damit Chancengleichheit für die Migranten besteht. Ich glaube, das ändert nichts, wenn jetzt draußen Gesamtschule draufsteht, aber die Probleme drinnen nicht gelöst werden, meine Damen und Herren.

 

Die Probleme, die wir dann weiterhin haben werden, werden nicht gelöst sein. Sie hätten die Möglichkeit, da entgegenzusteuern. Das wollen Sie nicht, da können Sie reden, was Sie wollen. Ich werde mein Statement da abgeben, und wir können dann gerne nachher noch einmal diskutieren.

 

Da wäre auch das Problem mit dem Personal. Sie wissen alle, dass trotz gültiger, im Länderfinanzausgleich festgeschriebener Lehrer-Schüler-Verhältnisse viele Pflichtschulstandorte darüber klagen, dass ihnen die zustehenden Lehrerkontingente fehlen. Genau die Lehrer, die dann Integrationsarbeit machen könnten, fehlen da, Lehrer, die im Sprachunterricht und Förderunterricht nötig wären. Das sind Fehler, die dem regionalen Bildungsmanagement zuzuschreiben sind.

 

Auch hier sieht die Lösung eigentlich einfach aus, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ: Geben sie einfach den Schulen die Lehrer, die ihnen zustehen und finanzieren Sie das auch. So einfach geht das, aber da tut sich nichts. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Und dann könnte man ja auch einen Beitrag zur Senkung der Klassenschülerhöchstzahl leisten und einen sehr wichtigen Schritt zur Integration tun. Wir werden sehen, wie Sie da in Zukunft vorgehen werden, meine Damen und Herren.

 

Einen Punkt möchte ich zum Schluss noch erwähnen, und zwar Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir haben uns in der ÖVP-Fraktion immer dafür eingesetzt, dass das letzte Kindergartenjahr gratis ist, denn wir wissen, dass der Kindergarten nicht nur ein Kinderbetreuungseinrichtung, sondern auch eine Bildungsstätte ist, und wir wissen, dass viele Migranten sich die Tarife nicht leisten können (GRin Barbara Novak: Sie wissen, dass jene, die es sich nicht leisten können, von den Zahlungen befreit werden! Das wissen Sie schon!), genau die Menschen, bei denen es wichtig wäre, dass deren Kinder spielend Deutsch lernen sollten. Aber da stellen Sie sich ja auch quer. (GR Godwin Schuster: Haben Sie noch nie etwas von der sozialen Staffelung gehört?) Da gibt es auch einen Antrag vom Bündnis Mosaik, das heißt, die Migranten fordern das auch, meine sehr geehrten Damen und Herren.

 

Bevor Sie aus bundespolitischen Überlegungen heraus ein bildungspolitisch riskantes und in der Bevölkerung umstrittenes Projekt und Experiment starten, sollten Sie auf kommunalpolitischer Ebene, Frau Kollegin Novak, Ihre eigenen in Ihrem Kompetenzbereich liegenden Probleme lösen, denn genug zu tun gibt es ja. – Danke.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular