Gemeinderat,
22. Sitzung vom 26.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 64 von 118
sondern über die Art und Weise, wie diese Diskussion
geführt wird. Denn man könnte bei manchen Wortmeldungen den Eindruck gewinnen,
im Gemeindebau wohnen Asoziale, Abschaum, das Ende – wie heißt das in
Deutschland? – der Unterschicht. Im Gemeindebau in Wien wohnen in
212 000 Wohnungen doppelt so viele Menschen, und wenn wir so viele
Leute hätten, die man so bezeichnet, dann hätten wir ein echtes Problem in der
Stadt, das wäre bald schon jede vierte Person. Das ist höchst ungerecht. Der
Gemeindebau ist natürlich sehr viel besser durchmischt, als manche glauben
möchten. Es wohnt auch ein Dr Peter Pilz in einem Gemeindebau. Es haben
Leute von unserer Fraktion schon einmal im Gemeindebau gewohnt. Wahrscheinlich
etliche in dem Haus, quer durch die Parteien, nehme ich einmal an, zumindest
sicher einige der Sozialdemokratie.
Der Gemeindebau mit 212 000 Wohnungen ist
nicht der Ort, in dem ausschließlich Leute wohnen, die so kategorisiert werden
dürfen, wie das momentan passiert. Die Verteilung im Gemeindebau spiegelt zu
einem guten Teil die Gesellschaft wider. Natürlich sind dort keine Millionäre
drinnen und keine von ganz oben, die oberen Zehntausend, die fehlen da. Der
Mittelstand ist zu einem Teil schon drinnen, weil manchmal einer zum
Mittelstand wird. Da kommt jemand aus einer ökonomisch schwächeren Familie, mit
dem Bildungsgrad steigt die Chance, ein besseres Einkommen zu erzielen, und die
Leute bleiben dann trotzdem im Gemeindebau drinnen. So wie der Peter Pilz, der
sagt, ich will dort wohnen. Er würde gerne mehr zahlen, wenn es die Möglichkeit
gäbe und wenn wir so etwas hätten wie einkommensabhängige Mieten, aber er
möchte nicht ausziehen. Dort kennt er sich aus, dort kennt er die Nachbarn,
dort kennt er die Gegend, der will dort drinnen bleiben. Das machen viele
andere Leute auch so und investieren auch in ihre Wohnung.
Es ist allerdings heute auch nicht seltsam, wenn im
Wiener Gemeindebau 20, 25, 30 – die Zahlen sie ja momentan eher Phantasie, als
dass sie belegt sind – meinetwegen 30 Prozent Wiener und Wienerinnen mit
Migrationshintergrund wohnen, denn so viele haben wir halt in der Stadt. Da ist
es nicht ungewöhnlich, wenn im Gemeindebau auch so viele sind. Denn wo sollen
sie denn sonst sein? Irgendwo werden sie wohnen müssen. Vermutlich ist es nach
wie vor so, dass im Gemeindebau der Prozentsatz nicht höher ist, als er rund um
die Gürtelgegend im 15. und 16. Bezirk ist, in der Gegend, in der ich
wohne, sondern wahrscheinlich ist er immer noch wesentlich niedriger.
Die Anträge der FPÖ, der eine betreffend
Quotenregelung, der andere mit dem Deutschkurs: Nehmen wir einmal an, wir
nehmen das ernst – und ich nehme noch die Unterstellung dazu, die können eh
alle nicht Deutsch; nehmen wir diese Unterstellung auch noch dazu –, dann sagen
wir am Schluss, es soll – das ist ja die Intention dieses Antrages – einfach
niemand drinnen sein dürfen mit Migrationshintergrund. Die sollen woanders
wohnen. Wahrscheinlich ist die Idee, sie sollen gar nicht in Österreich wohnen,
aber nehmen wir einmal an, sie sollen woanders wohnen. Wenn ich sehr viele
Menschen – Milchmädchenrechung – mit Migrationshintergrund nehme und dann
blende ich 212 000 Wohnungen aus und lasse die übrigen
700 000 Wohnungen für die Leute zum Wohnen und dann schaue ich die
Preissegmente dort an, dann habe ich vermutlichen am Schluss für
30 Prozent der Bevölkerung einen Wohnungsmarkt, der ungefähr 30 Prozent
widerspiegelt. Das ist dann tatsächlich ein Zusammendrängen von Leuten mit dem
gleichen Migrationshintergrund an einem Platz. Das ist genau das, das ist die
Alternative dazu.
Selbstverständlich ist es hundertmal intelligenter,
wenn auch Leute mit Migrationshintergrund oder MigrantInnen selber oder solche,
die gerade frisch gekommen sind, im Gemeindebau wohnen, weil sich dann – das
ist die Intention von anderen Anträgen – eine Durchmischung der gesamten Stadt
sehr, sehr viel leichter ergeben würde.
Zum Antrag selber habe ich mir überlegt, wie man den
abqualifizieren soll, aber ich setze mich nicht einem Ordnungsruf aus. Er ist
dumpf, rassistisch, aber das ist nicht der einzige Antrag, also ist es nichts
Besonders bei der FPÖ, und viel Schlimmeres braucht man dazu nicht zu sagen.
Die Quotenregelung ist natürlich der gleiche
Schwachsinn, das lehnen wir genau so ab.
Ich muss allerdings auch dazu ein paar Worte sagen,
was da in der Früh offensichtlich für große Aufregung gesorgt hat. Ich habe die
Integrationsdebatte leider nicht zur Gänze verfolgen können, habe allerdings
gehört, dass es eine kleine Aufregung bei der Sozialdemokratie gegeben hat,
weil meine Kollegin, die GRin Korun, davon gesprochen hat, dass die SPÖ über
Jahrzehnte hinweg den Gemeindebau zu einem weißen Ghetto gemacht hat.
Offensichtlich hat es da Wellen geben, und jetzt habe ich mir das genauer
angeschaut, was sie alles gesagt hat. Ich muss leider sagen, sie hat mit jedem
Wort recht gehabt. Denn Sie können nicht jahrzehntelang einer
Bevölkerungsschicht den Zugang komplett sperren, und erst dann, wenn es Ihnen
die EU vorschreibt, machen Sie was. Denn freiwillig hätten Sie es nicht
gemacht, freiwillig haben Sie es nicht gemacht. Sie haben es erst gemacht, als
Sie gesetzlich dazu gezwungen worden sind.
Freiwillig haben Sie es nicht gemacht, denn die
Anträge dazu haben wir schon gestellt, bevor ich in dem Haus war, und ich bin
seit 2001 hier. Die Anträge von Grünen in dieser Frage kommen aus dem letzten
Jahrhundert, und die sind da regelmäßig abgelehnt worden. Eine Öffnung des
Gemeindebaus, unabhängig vom Pass, wurde in diesem Haus mehrfach von der
Sozialdemokratie abgelehnt. Leider! Es ist zwar eine deftige Wortwahl der GRin
Korun, wenn sie sagt, ein weißes Ghetto, aber sie müssen sich diese Kritik
gefallen lassen. (GR Friedrich Strobl: Aber es stimmt nicht! – GR
Dr Kurt Stürzenbecher: Ich werde darauf eingehen! Das ist die glatte
Unwahrheit, Herr Kollege!)
Es ist die glatte Unwahrheit, wenn
Sie jahrzehntelang Leute aussperren ausschließlich wegen der
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