Gemeinderat,
23. Sitzung vom 27.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 32 von 99
haben.
Wir alle kennen die demographische Entwicklung. Wir
wissen, wie es in 20 Jahren aussehen wird, dass wir in 20 Jahren um
70 Prozent mehr 60-Jährige haben werden, aber dass vor allem die Hochaltrigen,
80, 85, sich mehr als verdoppeln werden. Das heißt, jetzt spreche ich nicht
dafür, dass wir so viele Pflegeheime mehr brauchen werden. Das glaube ich
nicht, sondern was wir brauchen, ist ambulante Pflege bestens ausgebaut. Da hat
es schon in den letzten Jahrzehnten unglaubliche Versäumnisse gegeben. Es ist
wirklich zu Fehlentwicklungen gekommen. Daher werden wir das auch in Zukunft
aufzeigen, weil ich hoffe, dass Sie in Zukunft rascher lernen, dass es nicht so
lange dauert, dass es nicht so viel Überzeugungsarbeit bedarf, dass Sie rascher
auf die Vorschläge der Opposition, die nicht von ungefähr kommen, die auch aus
Expertenwissen und so weiter kommen, eingehen!
Ich frage Sie noch einmal: Wo sind die finanziellen
Vorkehrungen, die es Menschen ermöglichen, so lange wie nur irgendwie möglich
zu Hause bleiben zu können und vor allem gut und menschenwürdig betreut zu
werden? (Beifall bei der ÖVP.)
Ich habe das hier schon einige Male aufgezeigt, daher
möchte ich es nicht wiederholen, aber die Damen und Herren, die die Betreuung
durchführen, stehen zeitmäßig unter einem unglaublichen Druck. Die
HeimhelferInnen oder AltenbetreuerInnen hetzen wirklich durch die Wohnungen. Wo
bleibt da die Möglichkeit, den Menschen zuzuhören? Die Betreuerin ist vielleicht
die einzige Person, die an einem Tag überhaupt in die Wohnung kommt, der
einzige Kontakt zur Außenwelt. Hier ist einfach vieles zu verändern. Nicht nur
das Essenhinstellen oder das Waschen ist notwendig, sondern ganz wichtig ist
einfach auch der menschliche Kontakt, die Zuwendung. Dafür ist Zeit aufzuwenden
und diese Zeit muss vorhanden sein, auch wenn man es sich aus wirtschaftlichen
Überlegungen ansieht, Frau Stadträtin. Wir wissen, dass 1 EUR stationäre
Pflege 3 EUR im mobilen Bereich sind. Das heißt, man könnte hier wirklich
viel mehr Geld einsetzen, das humaner, menschlicher wäre und trotzdem
finanziell, sogar wirtschaftlich, leichter zu bewerkstelligen wäre als eben die
stationäre Pflege. Ich bitte Sie, darüber mehr nachzudenken, mehr Initiativen zu
setzen, weil das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt auch
erwarten sollten! Da ist durchaus Handlungsbedarf gegeben!
Dasselbe gilt für Tageszentren. Meine Kollegin
Praniess-Kastner wird darauf stärker eingehen. Tageszentren sind unglaublich
wichtig, unglaublich notwendig. Ich weiß, Sie haben vor, sieben weitere
Tageszentren einzurichten, aber meine Damen und Herren, wir haben heute in Wien
75 000 Menschen, die über 80 Jahre alt sind und in etwa 750,
800 Tagesplätze haben wir. Also überlegen Sie sich, was das für ein
Missverhältnis ist! Und überlegen Sie sich, dass es in 20 Jahren mehr als
doppelt so viele sind. Das heißt, dass gerade Tageszentren unglaublich wichtig
sind, weil es eben den Menschen ermöglicht, zu Hause zu sein, weil es den
Angehörigen ermöglicht, berufstätig zu bleiben oder sich andere Freiräume zu
schaffen. Da würde ich Sie ersuchen, verstärkten Einsatz zu zeigen!
Ich wollte Ihnen den Vorarlberger Bedarfs- und
Entwicklungsplan vorstellen, nämlich als Vergleich, Geriatriekonzept Wien zu
Entwicklungsplan Vorarlberg. (Die Rednerin zeigt die angesprochenen
Unterlagen her. - Beifall bei der ÖVP.)
Ich muss Ihnen sagen, es ist beeindruckend. Ich gebe
es Ihnen auch gerne, weil man kann immer gescheiter werden. Wir können davon lernen.
Gerade Vorarlberg ist, wie wir wissen, im medizinischen Bereich, aber auch im
pflegerischen Bereich Vorreiter, auch in der Prävention Vorreiter. (GR Dr Matthias Tschirf: Dabei ist
Vorarlberg doch viel größer als Wien!) Nicht umsonst leben die Vorarlberger
länger als wir. Das ist auch bekannt. Daher bin ich ganz begeistert von diesem
Plan, der für 20 Jahre vorgesehen ist und wo wirklich der Bedarf an
Pflegeheimplätzen abhängig von der Gestaltung des Gesamtsystems ist, wo
wirklich ein Gesamtsystem dargestellt wird, das vom niedergelassenen Arzt über
die Pflegebedürftigen, privaten Haushalte, über ambulante Dienste, über
Kurzzeitpflege, Tagesbetreuung, Übergangspflege, Pflegeheime, Krankenhäuser,
betreutes Wohnen und so weiter geht, also wirklich eine Kette bildet. Das ist
genau das, was bei uns fehlt. Da ist Flickwerk und dort ist ein ausgereiftes
System, das bestens funktioniert. Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, sich das
anzuschauen.
Aus diesem Grund werde ich wieder einmal mit meiner
Kollegin Praniess-Kastner einen Beschluss- und Resolutionsantrag einbringen:
„Erstellung eines Wiener
Geriatrieplanes. Sie mögen einen Geriatrieplan mit einer Perspektive von
mindestens zehn Jahren erstellen, der sämtliche Ebenen und möglichen
Trägerschaften berücksichtigt und somit die Leistungen für Pflege und Betreuung
im Sinn einer durchgehenden Pflege- und Betreuungskette für Wien optimiert, und
dem Gemeinderat vorlegen. Der Erstellung ist ein fixer Zeitplan vorzugeben.
In formeller Hinsicht beantragen wir die Zuweisung an
den Gemeinderatsausschuss für Gesundheit und Soziales.“ (Beifall bei der
ÖVP.)
Zum Schluss möchte ich auch noch ganz kurz auf das
Kuratorium der Pensionistenwohnhäuser eingehen. Das war auch toll. Ich bin 2001
gekommen, und einer meiner ersten Beiträge war, dass ich es nicht verstanden
habe, dass es gerade in dem Bereich sehr viele Wohneinheiten gibt, die sicher
notwendig waren, als sie gebaut wurden. Aber auf Grund der Wohnsituation der
Menschen, die sich heute eben eine gute Wohnqualität schaffen, sind gerade
diese Wohnplätze nicht von so großer Bedeutung wie eben diese kleinen
Grätzeleinheiten.
Es hat natürlich auch wieder Jahre
gedauert - also immerhin sechs Jahre -, aber auch hier haben wir Sie
offensichtlich überzeugt, und ich freue mich darüber. Ich freue mich wirklich
über das Projektergebnis und über alle innovativen Wohnformen, die jetzt
angedacht sind. Ich glaube, das sollte auch eine Diskussion werden, für
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