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Gemeinderat, 30. Sitzung vom 24.01.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 95

 

Vertragsteil erfüllt wird. Ich verstehe - ich sage das auch ganz offen - in keiner Weise die Junktimierung mit der Finanzierung des Wiesenthal-Instituts oder der Stiftung hier in Wien, dazu besteht keinerlei vertragliche Verpflichtung, denn hier sind wir in einer freien Verhandlungs- und potenziellen Vertragssituation. Ich sage aber da gleich vorweg, dass das mit den Friedhöfen aus meiner Sicht in keiner Weise im Zusammenhang steht, und dass selbstverständlich die Stadt Wien bereit ist, ihren Beitrag zu leisten, der zumindest bei einem Drittel der künftigen Kosten für eine solche Wiesenthal-Stiftung auch sein wird, weil ich auch glaube, dass dies ein weiterer wichtiger Mosaikstein ist, mit dem man nicht nur Geschichte aufarbeitet und sorgsam mit Geschichte umgeht, sondern damit eigentlich eine Zukunftsarbeit in Menschenbildung macht. Und daher halte ich das für wichtig.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 2. Zusatzrage wird gestellt von GR Lasar. Ich bitte darum.

 

GR David Lasar (Klub der Wiener Freiheitlichen): Ich ziehe meine Frage zurück. Danke.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 3. Zusatzfrage wird gestellt von GR Schreuder. Bitte schön!

 

GR Marco Schreuder (Grüner Klub im Rathaus): Guten Morgen, Herr Bürgermeister!

 

Wir haben über den Währinger Friedhof hier im Gemeinderat ja schon sehr oft diskutiert und ich teile nicht ganz die Ansicht, denn ich denke mir, eine Pflege jetzt würde auch bedeuten, dass keine weiteren Zerstörungen passieren, unabhängig davon, ob man eine Lösung findet oder nicht. Allerdings, es gibt im 9. Bezirk in der Seegasse den ältesten erhaltenen Friedhof Wiens, einen jüdischen Friedhof im Hof des Pensionistenwohnheims, und die Geschichte der Vertreibung der Juden aus Wien ist ja eine unendlich viel längere, als jetzt im Gedenkjahr an 1938 zurückzudenken. Bereits 1671 wurden Juden aus Wien vertrieben und damals hat die jüdische Gemeinde, die es in der Form noch nicht organisiert gab, weil es ja in dieser Zeit noch verboten war, ihr Geld beim Magistrat der Stadt Wien erlegt, damit die Stadt die Pflege dieses Friedhofs übernimmt. Dieser Vertrag existiert noch aus dem Jahr 1671 und jetzt ist meine Frage, weil in der Seegasse auch tatsächlich ein großes Problem darin besteht, dass die Steine derzeit auf dem Boden liegen, verpackt, Kondenswasser sich sammelt und die Steine zerfallen: Gibt es hier nicht eine vertragliche Verpflichtung Wiens aus dem Jahre 1671, für die Pflege dieses Friedhofs zu sorgen?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Gemeinderat!

 

Ich danke Ihnen für diese historisch weit zurückreichende Information. Wahrscheinlich könnte man vor diesem Hintergrund auch argumentieren, dass es eigentlich eine Verpflichtung der Stadt Wien war, die Or Sarua-Synagoge freizulegen und für kulturhistorisch interessierte Besucher zugänglich zu machen, denn dieses Pogrom liegt noch wesentlich weiter zurück, und da haben wir dann ins 15. Jahrhundert zu gehen.

 

Also es ist ja, ganz im Ernst gesagt, eine traurige Geschichte, die wir hier auch aufzuarbeiten haben, und Sie haben schon recht, Antisemitismus und Judenverfolgung haben zwar die Nationalsozialisten zu einem schauerlichen instrumentellen Höhepunkt gebracht, aber sie sind nicht die Erfinder des Ganzen, denn es sind viele Jahrhunderte, die wir hier gleichfalls aufzuarbeiten und zu bedenken haben.

 

Unabhängig davon, wenn Sie diese Frage auf dieser Ebene auch anschneiden, dann kann ich Ihnen sagen, dass wir diesen Vertrag insofern übererfüllen, denn ich verweise noch einmal auf die 320 000 EUR, die wir pro Jahr der Kultusgemeinde zur Pflege und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe zur Verfügung stellen, und das ist sicherlich mehr, als sich aus dieser Vertragsverpflichtung ergeben würde. Wenn dieser Friedhof in dem Zustand ist, wie Sie das schildern - ich habe das noch etwas anders in Erinnerung, aber ich gebe zu, es liegt schon etwas zurück, dass ich das letzte Mal dort gewesen bin -, dann stellt sich schon auch ein bisschen die Frage, was passiert denn eigentlich mit dem Geld, das die Stadt Wien hier zur Pflege und Erhaltung der Friedhöfe zur Verfügung stellt. Die Frage sei mir dazu auch gestattet.

 

Aber unabhängig davon, ich wiederhole es, es kann sein, dass wir hier Meinungsunterschiede haben. Ich habe auch Meinungsunterschiede mit dem einen oder anderen Hofjuristen der Österreichischen Bundesregierung. Ich glaube aber, dass der Vertrag zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten ein so klarer ist, dass es eigentlich nur darum geht zu sagen, er ist zu erfüllen. Und wir werden unser Angebot, wenn es angenommen wird, auch entsprechend einhalten und künftig die Pflege der jüdischen Friedhöfe übernehmen.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. Und die vierte und letzte Zusatzfrage wird gestellt von GR Dr Wolf.

 

GR Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Bürgermeister!

 

Wir sind ja sozusagen im Bestreben, hier etwas zu erhalten, einer Meinung. Die Frage ist: Was geschieht, wenn trotz aller Appelle die Bundesregierung nichts tut? Bleiben Sie dann bei Ihrer Ablehnung, subsidiär einzuspringen oder gibt es vielleicht die Möglichkeit, dass die Stadt Wien in Vorleistungen tritt, über diejenigen Vorleistungen hinaus, die bereits erbracht wurden?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister!

 

Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Gemeinderat!

 

Erstens habe ich mich natürlich an Beschlüsse zu halten, die der Wiener Gemeinderat gefasst hat, und zu diesem Themenfeld gibt es einen einstimmig verabschiedeten Beschluss seitens des Gemeinderates.

 

Zum Zweiten werde ich in einer Fragestunde des Gemeinderates, wenn man sich mitten in Verhandlungen befindet, selbstverständlich keine derartige Zusage machen, weil da brauche ich keine weiteren Verhandlungen führen, dann ist die Geschichte erledigt.

 

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