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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 30.10.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 106

 

Ich möchte auch nicht einem Antrag zustimmen, der gleich, sozusagen im ersten Satz, unterstellt, dass Menschen sich nicht integrieren wollen, denn das ist nicht der Fall. Menschen, die in ein Land einwandern, wollen ja dazugehören. Und ich glaube, es gehört zur kritischen Auseinandersetzung - die wir auch mit uns selbst haben müssten -, dass wir uns die Frage stellen, ob wir es ihnen immer leicht machen, und ob wir es ihnen ermöglichen.

 

Ja, es gibt natürlich unter Hunderttausenden von Menschen aus anderen Ländern, die jetzt seit den 60er Jahren nach Österreich eingewandert sind und in dieser Stadt leben, unterschiedliche Menschen. Es gibt diese und es gibt jene, es gibt natürlich auch Gruppen, die das womöglich nicht möchten, aus welchen Gründen auch immer, es gibt auch in manchen Bereichen Parallelgesellschaften. Wir wissen, dass es so ist, niemand leugnet, dass es das auch gibt. Aber das Gros von Zuwanderern möchte sehr wohl ein neues Zuhause finden, und hätten Sie einen Teil Ihres Lebens, und sei es auch für ein paar Monate, in einem anderen Land verbracht, dann würden Sie das auch wissen, dass, wohin man auch kommt, man zu Beginn unsicher ist, dass man Anschluss sucht, und dass man sehr wohl dankbar alles aufnimmt, was einem angeboten wird. Und ich bestehe darauf, wir werden uns auch selbstkritisch die Frage stellen müssen, was man angeboten hat, und ob es auch die richtigen Angebote waren. Es kann ja sein, dass man zum Schluss draufkommt, es waren die falschen Angebote oder die falsche Art, sie anzubieten.

 

Jedenfalls würde ich, noch einmal, niemals einen Antrag unterstützen, der mit Unterstellungen in diesem Bereich arbeitet und der etwas erfindet, was ich nicht brauche. Denn es reicht für uns alle, wenn wir zu einem bestimmten Zeitpunkt geloben, die österreichische Verfassung und den österreichischen Rechtsstaat zu achten. Und nebenbei, gebürtige Österreicher und Österreicherinnen haben selten das Privileg, dieses Gelöbnis abzulegen, weil sie ja in diese Gesellschaft sozusagen hineingeboren werden. Eingebürgerte müssen das, wie gesagt, sehr wohl, es ist ja bereits jetzt vorgesehen, und wir alle haben das auch hinter uns gebracht, dass wir angelobt worden sind.

 

Also, abschließend nur noch eines: Ja, ich finde, dass es sehr viel Sinn macht, auch über die Werte unserer Gesellschaft zu diskutieren. Nur, Herr Kollege Schock, ich habe Ihnen sehr, sehr vorsichtig und aufmerksam zugehört. Sie haben gesagt, Zuwanderer müssen sich uns anpassen, und Sie haben gesagt, sie müssen unsere Werte übernehmen.

 

Meine Frage ist: Wer sind wir, Sie und ich, was sind die gemeinsamen Werte, die Sie und ich haben. Denn ich meine, dass es vielleicht Sinn machen würde, bevor wir jetzt an andere herantreten und sagen, sie müssen unsere Werte übernehmen, dass wir schauen, worauf wir uns einigen können und was unsere Werte sind. Und umso mehr meine ich das, als wir hier, nicht nur in diesem Haus, sondern in Wien, dieser Stadt, und auch in Österreich, tatsächlich dringend eine öffentliche Wertedebatte nötig haben, und zwar eine, die nicht nur von Ihnen mit Ihren Werten geführt wird, sondern eine, die sehr wohl auch von progressiven linken liberalen Kräften geführt wird mit den eigenen Werten.

 

Und ich kann mir dann schon vorstellen, dass am Ende des Tages relativ Bescheidenes überbleibt, was die gemeinsamen Werte ausmacht, denn Sie sprechen von den Menschenrechten als Werte. Ich sage ja, da könnte es sein, dass wir gemeinsame Werte haben, allerdings inklusive der Genfer Asylkonvention.

 

Das ist sehr wichtig, und da kann ich mir schon vorstellen, dass wir womöglich plötzlich dann draufkommen, dass Sie Schwierigkeiten haben damit, ich nicht. Sie sprechen von der Selbstbestimmung, ich auch. Ich spreche von Feminismus, Sie nicht. Sie sprechen von der liberalen, demokratischen Rechtsordnung, ich auch. Aber der ehemalige Chef Ihrer Partei, Herr Dr Haider, hat ein Buch geschrieben, „Die Freiheit, die ich meine“, ich weiß nicht, wer das alles gelesen hat, und da waren ja durchaus Visionen enthalten, die ich nicht als unbedingt vereinbar mit der liberalen demokratischen Rechtsordnung erachten würde. Und in Ihrer Fraktion sitzen Mitglieder von Burschenschaften, die mitunter zeitweise sogar behördlich aufgelöst worden sind.

 

Es tut mir leid, also ich rede jetzt von Fakten. Olympia war zeitweise behördlich aufgelöst und wurde wieder gegründet und hat immer wieder Referenten bei ihren Abenden, die durchaus Spannendes von sich geben, hat also Referenten, die sich beispielsweise zum Großdeutschen Reich bekennen und nicht zu Österreich, und hat auch Referenten - es liegen Zitate vor, die kennen Sie ja, weil manche von Ihnen womöglich auch bei diesen Abenden waren -, die einfach sagen, dass heute die einzig richtige Geisteshaltung Zivilcourage, Antisemitismus und Faschismus ist.

 

Ich kann sagen, wie verträgt sich das mit dem Bekenntnis zur liberalen, demokratischen Rechtsordnung, wie verträgt sich das mit dem Bekenntnis zu Österreich. Ich bekenne mich zu Österreich in seiner heutigen Form, mit seinen heutigen Grenzen. Tun das alle bei Ihnen?

 

Umso mehr also denke ich, ja, das ist eine spannende Debatte, die Sie hier begonnen haben, lassen Sie uns also darüber reden, welche Werte wir gemeinsam haben und wenn wir uns geeinigt haben, treten wir an die Zuwanderer heran und fordern von ihnen ein, dass sie diese auch achten. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Nurten Yilmaz. Ich erteile es Ihr.

 

GRin Nurten Yilmaz (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Also, ich bin ja der Meinung, Frau Klubobfrau Vassilakou, dass die Wertedebatte eigentlich tagtäglich und immer schon geführt wird. Das ist doch kein Zufall, dass hier vier verschiedene Fraktionen sitzen, es hat was damit zu tun, das es verschiedene Werte und Zugänge zum gesellschaftlichen Leben und für das politische Verständnis gibt. Aber nur eines macht mir Sorgen, dass

 

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