Gemeinderat,
39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 130
ohne Vorwarnung von heute auf morgen gekündigt werden. In der Praxis habe ich das leider mehrmals erleben müssen. Das Ergebnis, sehr geehrte Frau Vizebürgermeister: Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenz, obwohl sich beim kreditnehmenden Unternehmen überhaupt nichts zum Negativen verändert hat!
So, sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, entstehen
auch Insolvenzen: Nicht, weil die Ergebnisse des Unternehmens sich
verschlechtert haben, sondern weil die Banken schlichtweg nicht wollen. Hier,
sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, müssten die Betriebe von der Politik
unterstützt werden. Sprechen Sie bitte mit den Banken, übernehmen Sie
Haftungen, gewähren Sie entsprechende Förderungen, wie dies in anderen
Bundesländern zum Teil schon üblich ist. (Beifall
bei der FPÖ.)
Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Viele
Persönlichkeiten haben schon auf die Problematik der Anwendung von
Basel II auf die Klein- und Mittelbetriebe hingewiesen, so auch zum
Beispiel Herr Bundeskammerpräsident Leitl. Es wäre für die Wiener Wirtschaft,
insbesondere für die Klein- und Mittelbetriebe, sicher vorteilhaft, wenn
Basel II nur dort angewendet werden würde, wofür Basel II gedacht
war. Bitte unterstützen Sie den Herrn Kammerpräsidenten bei seinen Bemühungen
im Interesse der Wiener Klein- und Mittelbetriebe.
Zur Problematik von Basel II kommt nun die seit
September andauernde Finanzkrise hinzu, durch sie wurde die Vergabe der
Bankkredite noch schwieriger. Ich habe am letzten Montag, also heute vor einer
Woche, mit dem Vorstand der Zweigstelle einer Wiener Bank geplaudert. Auf meine
Frage, ob die Kreditvergaben an die KMUs auf Grund der staatlichen Geldspritzen
an die Kreditinstitute nun einfacher würden, bekam ich eine für mich
erstaunliche Antwort, nämlich: Natürlich nicht! Auch wenn das Unternehmen gute
Bilanzen vorlegt, wird es ohne Sicherheiten wie Grund, Boden oder Immobilien
auch weiter keine Kredite bekommen.
Die Wiener Wirtschaftskammer hat bekanntlich bereits
eine Ombudsstelle eingerichtet, an die sich Klein- und Mittelbetriebe, die von
ihrer Bank kein Geld für Investitionen bekommen, wenden können. Auch die
Arbeiterkammer hat bereits Kritik an den Banken geübt. Auch Herr
Nationalbankgouverneur Prof Nowotny fordert jetzt für Banken, die eine
staatliche Geldspritze bekommen, eine überprüfbare Verpflichtung, Kredite zu
vergeben. Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, sogar der Herr
Nationalbankgouverneur setzen sich intensiv für solche Anliegen ein. Was ich
vermisse, sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, ist das Engagement unserer
Wirtschaftsstadträtin. Zumindest habe ich nirgendwo gelesen, dass Sie in diese
Richtung tätig wurden.
Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister! Die SPÖ
behauptet immer, dass sie sich für die Anliegen der österreichischen KMUs stark
macht. Wir konnten das leider nicht feststellen. Bitte verabsäumen Sie es
nicht, dem größten Arbeitgeber Wiens, den KMUs, die überlebensnotwendigen
Unterstützungen im Interesse aller Wiener zu geben. Seien Sie nicht die Lobby
der Headquarters, der Banken, der Industrie, seien Sie die Lobby für die KMUs!
Die Unterstützung der freiheitlichen Fraktion haben Sie dazu. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dipl-Ing Margulies. -
Bitte.
GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub
im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich habe in der Generaldebatte schon gesagt, ich will
mich beim Thema Wirtschaft ein bisschen tatsächlich auch mit dem
Wirtschaftssystem auseinandersetzen. Ich denke, es macht Sinn, zu begreifen zu
versuchen, warum wir jetzt letztendlich global an dem Punkt angelangt sind, an
dem wir momentan stehen.
Was war in den letzten zehn, fünfzehn Jahren, am
Höhepunkt des Neoliberalismus, als alle geglaubt haben, es kann nur aufwärts gehen?
- Deregulierung, Privatisierung, Liberalisierung, der Wettbewerb bestimmt das
ganze Leben. Das ganze Leben ist Wettbewerb. Das beginnt oft schon in der
Schule, es zieht sich später durchs Arbeitsleben, und wer in diesem
Hochgeschwindigkeitsrennen nicht mitkommt, der bleibt eben auf der Strecke.
Ich glaube, genau diese Wettbewerbsphilosophie,
gepaart mit der dem kapitalistischen System immanenten Gier nach Geld und
Macht, hat dazu geführt, dass tatsächlich alles, was nicht explizit verboten
ist - und manchmal sogar auch das, was verboten ist -, genutzt wurde, um
möglichst rasch, möglichst schnell dem marxistischen Grundgesetz vom
tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken und immer mehr Kapital und
Vermögen anzuhäufen. Das ist auch lange genug gelungen. Es hat eine immer
größere Vermögenskonzentration gegeben. Es hat im Endeffekt, national wie
global, immer höhere Vermögenswerte gegeben, nur in immer konzentrierterer
Form.
Aber was wir, glaube ich, alle hier im Saal
zweifelsfrei feststellen können, ist, dass in den letzten zehn, fünfzehn Jahren
Reichtum und Vermögen exorbitant explodiert sind und sich auf immer weniger
Menschen konzentriert haben. Ich glaube, das kann man feststellen und als
Ausgangsbasis hernehmen, wenn wir jetzt auch darüber nachdenken: Wie schaut es
eigentlich nun in der Krise aus? Wer wird zu Hilfe gerufen? Wessen Gelder
sollen dafür verwendet werden, und zwar weltweit, den in Not geratenen Reichen
ihre Reichtümer zu beschützen?
Ja, selbstverständlich geht es nicht nur um die
Reichen und Vermögenden. Denn wir wissen, wie das Wirtschaftssystem
funktioniert, und es nützt dem ärmsten Menschen oder einem Arbeitslosen nichts,
wenn es einem reichen Menschen ein bisschen schlechter geht und man noch tiefer
in die Armut rutscht. Das nützt nichts. Selbstverständlich glauben auch wir,
dass Bankenrettungspakete in der konkreten Situation notwendig sind, dass
Konjunkturpakete notwendig sind - aber es darf nicht ein „more of the
same" sein: für den Fall, dass die Wirtschaftskrise überwunden wird,
zurück genau zu diesen Punkten, die die Wirtschaftskrise erst verursacht haben!
Man macht es sich zu leicht, wenn
man glaubt: Das sind ein paar Leerverkäufer auf den Aktienmärkten
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