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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 130

 

gewesen, es liegt einzig und allein an der Grundstücksspekulation. Nein, es handelt sich tatsächlich um systemimmanente Entwicklungen! Genau deshalb ist es, glaube ich, notwendig, dass wir entgegenarbeiten, dass wir auch diese Verteilungsschieflage der letzten Jahrzehnte korrigieren und dass Wien sowohl in Bezug auf die Position, die die Stadt Wien immer wieder auch innerhalb der Europäischen Union in dieser Hinsicht einnimmt, als auch innerhalb Österreichs, dass der Wiener Gemeinderat gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten diesbezüglich auch Stellung nehmen soll.

 

Deshalb bringe ich heute zwei Anträge ein. Der eine, Kapitalismus in der Krise, beschäftigt sich vor allem damit, in welche Richtung eigentlich die Stadt Wien und auch die Bundesregierung auf europäischer Ebene gegenlobbyieren sollten. Eines ist vollkommen klar: Wenn wir neue Regeln aufstellen wollen, dann bedarf es einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer, dann bedarf es einer schlagkräftigen europäischen Finanzmarktaufsicht, einer Verschärfung von Eigenkapitalvorschriften. Die Rechnungslegungsvorschriften müssen geändert werden. Die Bewertung der Risiken darf nicht de facto von Rating-Agenturen durchgeführt werden, die von Investitionsgesellschaften finanziert werden.

 

Es geht endlich um das Trockenlegen von Steueroasen - wie viel Geld dort versickert! -, von Offshore-Zentren. Es geht um die Regulierung von Private-Equity-Fonds, von Hedgefonds, und selbstverständlich geht es auch darum, den Status der Europäischen Zentralbank zu ändern. Der wesentliche Punkt der Zentralbank müsste es sein, für den Erhalt der Kaufkraft und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum einzutreten und sich in diese Richtung zu verändern. Ich sage es ganz konkret: Wir brauchen keine Europäische Zentralbank, die Lohnzurückhaltung empfiehlt - genau dann, wenn die Vermögenswerte und Einkommen der Reichsten der Reichen explodieren! (GR Mag Alexander Neuhuber: Aber das betrifft ... KMUs! Das sind nicht nur die Reichen!)

 

Das betrifft auch das Wettbewerbsrecht. Jetzt sage ich einmal ganz bewusst etwas dazu. - Aber vorher übergebe ich noch den ersten Antrag.

 

Zu den KMUs sage ich ganz bewusst: Vergleichen wir nicht KMUs mit großen, multinationalen Unternehmen! (GR Mag Alexander Neuhuber: Aber wie wollen Sie das unterscheiden?) Die Probleme der KMUs und auch von Ein-Personen-Unternehmen sind mittlerweile häufig viel ähnlicher den Problemen von Arbeitnehmern und Arbeiternehmerinnen gelagert als den in derselben Wirtschaft verbundenen riesigen Konzernen. Da ist ein großer Unterschied! (GR Mag Alexander Neuhuber: Ach geh!) Und glauben Sie mir, eine Umverteilung, die tatsächlich die angehäuften Reichtümer mehr Menschen zur Verfügung stellen würde, würde vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen nützen. Da haben Sie in den GRÜNEN durchaus einen Partner.

 

Aber was den Beschäftigten und kurz- und mittelfristig auch den kleineren und mittleren Unternehmen nicht hilft, das sind Vorschläge wie die eines Herrn Veit Sorger, der sagt: Wenn es uns schlecht geht, na ja, dann sollen eben die Beschäftigten auf 25 Prozent ihres Nettolohns verzichten, zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze. Aber - und das war ja das Perfide - fast in derselben Presseaussendung, als Chef der Banken-ÖIAG darauf angesprochen, ob es für die Banken mehr Kontrolle braucht: Nein, vorläufig glauben wir nicht, dass man den Banken irgendwelche Regulierungsvorschriften machen sollte.

 

Oder ein Karlheinz Kopf, der in einer Zeit, in der absehbar ist, dass es mehr Arbeitslose gibt - und ich hoffe, Sie stimmen mit mir überein: alle gegen ihren Willen, die jetzt von der Wirtschaftskrise betroffen sind -, eine Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien verlangt: Da ist unsozial schon das falsche Wort, das ist asozial! Das zeigt, dass in Wirklichkeit Menschen wie Veit Sorger, Menschen wir Karlheinz Kopf nichts aus dieser Krise gelernt haben - außer in ihrem eigenen Kopf zu haben: Wie profitieren die Vermögenden in diesem Land selbst noch in der Krise? Wie schaffe ich es, in dieser Krise den Armen und dem Mittelstand Geld wegzunehmen, damit ich das eigene Vermögen noch besser ausbauen kann?

 

In dem Sinn werde ich heute diesbezüglich keinen Antrag einbringen, aber er wird kommen. Ich habe vor drei, vier Tagen eine Presseaussendung bezüglich einer Vermögenssicherungsabgabe gemacht. Denn wenn wir uns die Banken anschauen, sehen wir, dass die Einlagensicherung bis 25 000 EUR tatsächlich für den kleinsten Sparer, die kleinste Sparerin war. Wie viele Menschen kennen Sie, die mehr als 1 Million EUR auf dem Bankkonto haben? Sie viele; mir würden, wenn ich ganz scharf nachdenke, vielleicht auch zwei einfallen, aber ich habe es nicht präsent. Ich sage es, wie es ist. Auf jeden Fall gibt es nicht sehr viele Menschen, die mehr als 1 Million EUR auf dem Sparkonto haben. Auch diesen Menschen soll ihre Einlagensicherung geschenkt sein, kein Problem, und auch denen, die 100 Millionen EUR auf dem Sparkonto haben.

 

Aber dann reden wir doch eher einmal von einer Versicherung! Dann sagen wir: Für eine Versicherung zahlt man, da lässt man nicht wirklich die Kleinverdiener, die Kleinverdienerinnen zahlen, sondern da zahlt man selbst. Wenn ich mein Vermögen über 100 Millionen EUR vom Staat versichert haben will, dann soll man da etwas zahlen.

 

Nun habe ich die Idee einer Vermögenssicherungsabgabe eingebracht, einmalig 3 Prozent und nur dann zu leisten, wenn man mehr als 1 Millionen EUR hat. Das trifft keinen Kleinen, keine Kleine und kein Kleiner wird davon getroffen: Vermögenssicherungsabgabe von 3 Prozent für Vermögen über 1 Million EUR. Trotzdem - und nichts zeigt die Konzentration des Vermögens, die ungerechte Konzentration des Vermögens deutlicher - würden wir binnen kürzester Zeit zwischen 16 Milliarden und 20 Milliarden EUR an Einnahmen haben! Damit könnten wir jedes Konjunkturpaket finanzieren.

 

Davon hätte sogar die Stadt Wien, grob geschätzt, 100 Millionen EUR! Da müssten sich StRin Brauner und ich nicht mehr darüber streiten, ob es jetzt sinnvoll ist, 1 Million in ein Konjunkturpaket zu investieren. Ich hoffe, unter diesen Rahmenbedingungen wäre das auch für

 

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