Gemeinderat,
39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 56 von 130
einen
Anreiz für Investitionen zu geben, ist nämlich zu wenig, weil sich viele
Unternehmen die Investitionen gar nicht mehr leisten können. Vielmehr geht es
gerade für viele Klein- und Mittelbetriebe im nächsten Jahr ums nackte
Überleben. Da wird man mehr als Förderungen benötigen, so gut etwa Sanierungen
thermischer Natur auch sein mögen. All das ist positiv zu bewerten, wirklich
mangeln wird es den Wiener Betrieben im nächsten Jahr aber an Eigenkapital. Wie
Kollege Stark heute sehr gut schon ausgeführt hat, ist die Eigenkapitaldecke in
Österreich nämlich traditioneller Weise leider sehr dünn, und das ist auch in
Wien der Fall. Das heißt, das kommt uns jetzt im negativen Sinn quasi zu
Schlechte, statt zu Gute. Wenn die Eigenkapitaldecke dünn ist und es wenig
Finanzierungsmöglichkeiten gibt, dann gibt es auch nichts mehr von den Banken,
und dort wird das Problem für viele Klein- und Mittelbetriebe in Wien liegen.
Das
heißt, Frau Stadträtin, ich hätte mir wesentlich mehr von Ihnen in Bezug auf
Haftungsübernahmen der Stadt Wien erwartet, dass Sie etwa einen Haftungs-Pool
schaffen und Bürgschaften übernehmen! Dort drückt nämlich die kleinen Betriebe
in Wien der Schuh und wird sie demnächst noch viel mehr drücken. Ich bin davon
überzeugt, meine Damen und Herren, dass wir in ein paar Monaten oder in einem
halben Jahr wahrscheinlich ein zweites oder drittes Konjunkturpaket schnüren
müssen werden. Das jetzige allein ist jedenfalls wesentlich zu wenig!
Es gibt noch viele andere
Dinge, über die man diskutieren könnte und die Kollege Stark auch schon erwähnt
hat, wie etwa Basel II. Braucht man in der heutigen Zeit wirklich
Basel II?
Und auch das Thema Steuer
ist ein Wiener Thema, aber auch ein Bundesthema. Wie wird die Finanz in den nächsten
Monaten mit Rückständen bei Betrieben umgehen? Auch das ist ein hoch
interessantes Thema, das natürlich auch andere mögliche Gläubiger
betrifft. Ich bin neugierig, inwiefern das vielleicht noch zu einer
Verschärfung der Situation führen wird!
Direkte Möglichkeiten hätten wir in Wien etwa bei der
Werbesteuer gehabt. Über die Werbeabgabe diskutieren wir ja schon ewig lang.
Man hätte zum Beispiel ein Signal an die Werbewirtschaft geben können, diese
Werbeabgabe endlich einmal, wie schon oft von uns gefordert, abzuschaffen!
Nun ein paar Worte zu Herrn Margulies. – Es war
ja heute herrlich! Sie wären ein sensationeller Prater-Redakteur gewesen! (Zwischenrufe
bei der SPÖ.) Das war jetzt ein Freud’scher Versprecher, ich meine
natürlich Prawda-Redakteur! Ich hab das Gefühl, Ihnen geht jetzt das Herz über,
weil Sie jetzt endlich einmal gegen den Kapitalismus zu Felde ziehen können!
Sie haben heute mehrere Anträge eingebracht. Der
erste Antrag betrifft das Konjunkturpaket. Da gäbe es sicherlich viele Dinge,
über die man diskutieren könnte und die wir auch unterstützen könnten. (GR
Dipl-Ing Martin Margulies: Na, dann gehen wir das einmal durch!) Es
ist natürlich Geschmackssache, ob 1 Milliarde zu viel ist oder
100 Millionen zu wenig sind. Der Antrag enthält aber viele Dinge, die
durchaus sinnvoll wären! Ich glaube, dass wir alle hier im Saal uns darüber
einig sind, dass die 100 Millionen zu wenig sind. Es steht aber wirklich
viel Vernünftiges drin.
Beim zweiten Antrag zum Bankenpaket wird es dann
schon ein bisschen deftiger. (Zwischenrufe
bei den GRÜNEN.) Ich habe ihn nicht da, aber ich habe den dritten da. Da
ist davon die Rede, dass der Kapitalismus in der Krise ist. Der Antrag ist
wirklich ein Hammer, der ist wirklich nicht schlecht! (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.)
Sie haben vorhin in einem Zwischenruf noch
dazugesagt, dass Sie nicht gegen die Marktwirtschaft an sich sind. Das liest
sich hier aber schon ein bisschen anders! Ich lese hier zum Beispiel: „Selbst
der politische Mainstream, der bislang noch den freien Markt als allein selig
machende Instanz gepriesen hat, sieht sich unter dem Druck der Krise gezwungen,
neue Finanzmarktregeln zu fördern.“ – Eine Liebeserklärung an die
Marktwirtschaft lese ich da nicht heraus! Ganz im Gegenteil. (GR
Dipl-Ing Martin Margulies: Das soll auch keine Liebeserklärung sein!)
Das habe ich ja gesagt! Ich komme schon noch dazu!
Auch da wäre, wenn Sie nicht so sehr polemisieren würden, noch viel drin,
worüber wir reden könnten. So könnte man etwa über die Finanzmarktaufsicht
österreichweit, europa- und weltweit durchaus reden, und auch Steueroasen
stellen ein durchaus praktikables Thema dar. Wir dürfen aber nicht vergessen:
Wir haben jetzt zwar eine Systemkrise, aber dennoch ist das System an sich
nicht falsch. Ich glaube, in diesem Punkt unterscheiden wir uns. Die
Marktwirtschaft an sich ist nicht falsch! Das, was 1989 kollabiert ist, war
nämlich nicht die Marktwirtschaft, sondern das war, wenn ich mich recht
erinnere, genau das Gegenteil! (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Das war auch
nicht richtig!)
Das war auch nicht richtig? Dann suchen wir doch
einmal einen kleinsten gemeinsamen Nenner! Immerhin hat uns dieses System der
freien Marktwirtschaft in den letzten 80 Jahren in Europa, vor allem nach dem
Zweiten Weltkrieg, eine Zeit relativ breiten Wohlstandes verschafft. (Zwischenruf
von GR Dipl-Ing Martin Margulies.) Ich habe jetzt von Europa und den USA
gesprochen. Und auch China hat sich in den letzten 15 Jahren ganz gut
entwickelt. Es wird das also möglicherweise auch weiterhin ein Motto für die
halbe Welt bleiben.
Ich würde da nicht so in die Trickkiste der Rhetorik
greifen und sagen, dass es sich jetzt um eine völlige Systemkrise handelt.
Vielmehr waren die Auswüchse der Fehler. Die Marktwirtschaft an sich kann da
gar nichts dafür! Wir können jetzt natürlich lang überlegen, worin die
Auswüchse bestanden. (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Martin Margulies.) Das
können wir dann in einem Privatissimum diskutieren!
Das, woran es wirklich
krankt – in diesem einen Punkt bin ich wirklich bei Ihnen –, ist die
Kontrolle. Ich möchte jetzt gar nicht auf die Weltwirtschaft eingehen. Schauen
wir uns nur an, was in Österreich mit Anlegern und Aktionären in den letzten
Jahren aufgeführt wurde!
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