Gemeinderat,
39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 91 von 130
Frauenarbeitslosigkeit und das Reagieren auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise sich überhaupt nicht in dem vorliegenden Budgetvoranschlag widerspiegelt.
Etikettenschwindel orten wir erneut beim so genannten
Gender Budgeting, das zwar eine gute Idee ist - wir GRÜNEN haben uns dafür
jahrelang eingesetzt -, aber der vorliegende Voranschlag enthält alles, nur
kein Gender Budgeting. Das ist mehr ein Bericht der Geschäftsgruppen über
willkürliche Einzelmaßnahmen zur Frauenförderung oder zur Vereinbarkeit von
Beruf und Familie, was ohnedies schon fragwürdig ist, ob es eigentlich
ausschließlich Frauenförderung betrifft. Es fehlen Zahlen, es fehlen
Vergleichsmöglichkeiten. Es fehlt überhaupt die Möglichkeit, sich Entwicklungen
während der letzten Jahre anzuschauen. Es fehlen politische Maßnahmen, es fehlt
eine Budgetumverteilung. Man denkt sich, eigentlich heißt Gender Budgeting,
Budget von Männern zu Frauen umzuverteilen. Uns fehlen hier sämtliche
Maßnahmen. Man fragt sich, welche Wirkung das Gender Budgeting überhaupt hat.
Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass das Budget der Stadt Wien eigentlich
völlig gleich aussehen würde, wenn es das Gender Budgeting nicht gäbe. Also
bitte erklären Sie uns einmal, was hier denn wirklich die umverteilenden
Budgetwirkungen dieser Maßnahme sind.
Manche Dienststellen liefern sogar ziemlich
fragwürdige Angaben, was das Gender Budgeting betrifft. Zum Beispiel nennen die
MA 8 und die MA 9 die Zunahme von freien Dienstverträgen und Werkverträgen
als gelungenes Beispiel für Gender Budgeting. Wir finden das alles andere als
ein gelungenes Beispiel für Gender Budgeting, denn eigentlich sind die
Förderungen von atypischen Arbeitsverhältnissen für Frauen der Frauenförderung
am Arbeitsmarkt und insbesondere der Schaffung existenzsichernder und
nichtprekärer Arbeitsplätze gegenläufig. Die meisten Dienststellen
dokumentieren nur Nutzerinnenanalysen als Budgetverteilung. Nur bei einigen
Dienststellen hat man überhaupt den Eindruck, dass es ein Bewusstsein für
Gleichstellung und Gender Mainstreaming gibt.
Das heißt, eine qualitative Verbesserung und
Weiterentwicklung des Gender Budgetings wäre dringend nötig, zum Beispiel in
Form einer richtigen Verankerung als Prozess und nicht nur als Feststellung von
Einzelmaßnahmen einmal im halben Jahr, mit klaren politischen
Umverteilungszielen und mit messbaren Ergebnissen. Wir GRÜNE sehen jedenfalls
die Gefahr, dass, so wie es jetzt vorliegt, eine gute Idee mangels Akzeptanz
und Sinnhaftigkeit systematisch zerstört wird. Insgesamt ist dieses Gender
Budgeting, wie ich eingangs schon sagte, eigentlich ein gutes Beispiel für die
Frauenpolitik der SPÖ. Gutes Marketing, wenig Substanz. Viele
Lippenbekenntnisse, große Ankündigungspolitik, eine Reihe von Forderungen, die
Sie großmundig angekündigt haben, teils in Wien, teils an den Bund, die Sie im
letzten halben Jahr, denn das ist eigentlich der Berichtszeitraum anhand der
Budgetdebatte, nicht umgesetzt haben, vom Papa-Monat angefangen, das jetzt
augenscheinlich zwar im Bund kommt, aber das Sie in Wien längst hätten umsetzen
können, über die Koppelung der Wirtschaftsförderung und der öffentlichen
Auftragsvergabe an Frauenförderpläne in Betrieben.
Wenn Sie sich schon in den Regierungsverhandlungen
bei dem Punkt nicht durchsetzen konnten, dann frage ich mich ernsthaft, warum
Sie es in Wien nicht endlich umsetzen. Sie geben ein schickes Handbuch, eine
Toolbox und eine Studie heraus, die sich nennt: „Frau und Mann gleich fördern =
Gewinnen, Gleichstellung als Erfolgsformel für Unternehmen." Das ist sehr
schön, wir entdecken auch einiges an grünen Ideen drinnen, nämlich die
Koppelung von Wirtschaftsförderung an Gleichbehandlungsbilanzen in Betrieben.
Dieses Tool, dieses Werkzeug, gibt es längst, allein warum setzen Sie es in
Wien denn nicht endlich um?
Nächste Forderung, die Sie erst, Frau StRin
Frauenberger, anlässlich der FemCities-Fachkonferenz gefordert haben, ist die
Offenlegung sämtlicher Einkommen, transparente Gestaltung der Gehaltsschemata,
verstärkte Förderung von Väterkarenz. Warum nicht endlich längst in Wien? All
diese Punkte haben die GRÜNEN in den letzten Jahren wiederholt gefordert. Zu
all diesen Punkten liegen Anträge vor, die Sie abgelehnt haben! Zu all diesen
Punkten haben Sie die Handlungsspielräume dieser Stadt nicht genutzt!
Dieses Budget wird also auch heuer wieder den
Problemen von Frauen, insbesondere von Frauen in dieser Stadt, in keiner Weise
gerecht. Eine aktive Frauenpolitik spiegelt sich nicht wider. Wien ist von der
frauenfreundlichsten Stadt Europas - für diesen Anspruch sind Sie jedenfalls zu
Beginn dieser Legislaturperiode eingetreten - weit entfernt! Frauenpolitische
Defizite werden nicht abgebaut. Die Auswirkungen der Finanz- und
Wirtschaftskrise bleiben völlig unberücksichtigt. Das ist auch einer der
Gründe, weshalb wir heute einen diesbezüglichen Antrag gestellt haben. Das ist
schade, das ist enttäuschend und aus diesem Grund werden wir das Budget auch
heuer wieder ablehnen! (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Wie ich schon erwähnt habe, haben wir beziehungsweise
hat meine Kollegin Klubobfrau Maria Vassilakou heute bereits zwei
frauenspezifische Anträge eingebracht. Ich als Stadträtin darf das formal
leider nicht und ich werde mich auf Grund der fortgeschrittenen Zeit sehr kurz
fassen, was die nähere Erläuterung dieser Anträge betrifft.
Das Erste war ein Antrag auf ein frauenspezifisches
Maßnahmenpaket gegen die Wirtschaftskrise, weil wir finden, dass das 100
Millionen EUR-, so genannte Konjunktur- und Beschäftigungspaket, das Sie
vorgelegt haben, nicht ausreicht, um Antworten auf die Probleme der Frauen am
Arbeitsmarkt zu finden. Frauen finden keinerlei Berücksichtigung in diesem
Paket. Gefördert werden fast ausschließlich Verkehrsinfrastruktur,
Bautätigkeiten, also die Schaffung von Arbeitsplätzen, die wenig bis kaum
frauenspezifisch sind, aber Frauen werden von der Finanz- und Wirtschaftskrise
besonders hart getroffen.
Sie wissen, Frauen sind immer die
Ersten, die bei
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