Gemeinderat,
39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 92 von 130
Konjunktureinbrüchen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden und einen härteren Konkurrenzkampf zu spüren bekommen. Wir haben jetzt schon eine alarmierende Situation von Frauen auf dem Wiener Arbeitsmarkt. Man hätte schon längst gegensteuern müssen, nicht erst jetzt, wo es fünf vor zwölf ist. Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern steigen trotz Gleichbehandlungsgesetzgebung und trotz des Aufholens von Frauen bei den Bildungsabschlüssen dramatisch an. Die durchschnittlichen Sozialleistungen von Frauen in Wien liegen unter dem Existenzminimum. Jede zweite erwerbstätige Frau in Wien mit Kindern kann von ihrem Einkommen nicht mehr leben, ist also in einem prekären Beschäftigungsverhältnis.
Die Teilzeitquote steigt rapide, liegt bei über
30 Prozent. Prekäre Beschäftigung und nichtexistenzsichernde Beschäftigung
wird in dieser Stadt eigentlich schon langsam zum Normalarbeitsverhältnis für
Frauen. Sie wissen, dass die Arbeitslosigkeit, insbesondere die
Frauenarbeitslosigkeit, nächstes Jahr und auch die kommenden Jahre enorm
steigen wird. Auch der Arbeiterkammerpräsident schließt eine Arbeitslosenrate
von 10 Prozent nicht mehr aus. Die Reallöhne werden weiter sinken.
Österreich ist bereits jetzt eines der wenigen EU-Länder, wo trotz steigender
Produktivität der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Reallöhne sinken. Die
Reallöhne werden also auch bei Frauen in den kommenden Jahren weiter sinken.
Der Reallohnverlust, um Ihnen das vor Augen zu führen, was das bedeutet, von
Arbeiterinnen in den letzten 10 Jahren liegt bereits bei 20 Prozent.
Auch die Auswirkungen der Teuerungswelle, Gas, Strom,
Wasser, Lebensmittel, Wohnen, haben Frauen auf Grund ihrer spezifischen
Lebensrealität besonders getroffen. Frauen haben jetzt schon, vor der
Rezession, ein fünfmal höheres Armutsrisiko als Männer in dieser Stadt. Die
strukturellen Probleme des Arbeitsmarkts werden also zunehmen. Die
Prekarisierung und die Flucht aus dem Arbeits- und Sozialrecht habe ich schon
angesprochen. Die Stadt Wien hat hier bis jetzt völlig versagt, bei der
Arbeitsmarktpolitik und bei der Sozialpolitik für Frauen.
Sie leugnen die Probleme, weil im roten Wien nicht
sein kann, was nicht sein darf, weil man da eine der vermeintlichen
Kernkompetenzen der Sozialdemokratie berührt! Sie reden die Situation ständig
schön! Ich kann den Schmäh mit der hohen Erwerbsquote von Frauen in Wien nicht
mehr hören! (Beifall von GRin Heidemarie
Cammerlander.) Ich kann es nicht mehr hören! Es reicht uns jetzt! Sie
wissen, dass der Anstieg der Frauenbeschäftigung in den letzten Jahren auf
nichtexistenzsichernde und Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen ist und dass
es ein Schmäh ist, dass Wien so eine wunderbar hohe Frauenerwerbsquote hat, wo
angeblich nichts mehr zu machen ist! Sie ignorieren den bereits vorhandenen
De-facto-Ausschluss von Frauen vom regulären Arbeitsmarkt. Sie halten nicht
einmal Ankündigungen ein! Sie versprechen uns seit Jahren eine Einkommensstudie
von Frauen in Wien, die immer noch nicht vorliegt! Sie haben kein
arbeitsmarktpolitisches Konzept! Sie erhöhen seit Jahren die Mittel des Wiener
ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds nicht! Sie loben den Wiener ArbeitnehmerInnen
Förderungsfonds als ein in Österreich einzigartiges Instrument, was er auch
ist, aber dann bitte nützen Sie ihn! Investieren Sie jetzt - es ist fünf vor
zwölf - massiv in aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik, insbesondere für
Frauen.
Frau VBgmin Brauner hat heute gesagt:
„Wir ..." - damit meint sie wahrscheinlich die SPÖ – „... lassen
Menschen nicht im Stich!" - Nein, Frau Vizebürgermeisterin, Sie lassen die
Frauen im Stich! Das lassen wir GRÜNEN nicht zu und deshalb hoffe ich, dass Sie
heute unserem Antrag auf ein frauenspezifisches Investitionsprogramm zur
Abfederung der Folgen der Wirtschaftskrise zustimmen! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Es braucht dringend Investitionen in soziale
Infrastruktur, in beschäftigungsintensive Bereiche, in denen vor allem Frauen
beschäftigt sind, Bildung, Pflege, Gesundheit, Kinderbetreuung. Es braucht eine
Arbeitsmarktoffensive des WAFF für Frauen. Es braucht konkrete Maßnahmen für Frauen
50 plus. Meine Vorrednerin hat schon angesprochen, eine Plakatimagekampagne
„Frauen über 50 können alles sein" wird nicht reichen, so werbewirksam sie
auch ist. Es braucht konkrete Maßnahmen, denn mehr als 50 Prozent der
Frauen in Wien sind älter als 49 Jahre. Es braucht dringend, auch das habe
ich schon angesprochen, eine Aufstockung der Mittel der MA 57, um Mädchen-
und Frauenprojekte gezielt fördern zu können. Es braucht dringend die Bindung
öffentlicher Aufträge und Wirtschaftsförderung an Frauenförderpläne in
Betrieben, um endlich die Wiener Unternehmen auch in die Verantwortung für
Gleichstellung zu nehmen. Und es braucht einen Rechtsanspruch auf
flächendeckende Gratis-Kinderbetreuung, sonst steht die Vereinbarkeit von Beruf
und Betreuungsaufgaben weiterhin nur auf dem Papier.
Dieser Antrag der GRÜNEN ist eigentlich ein
Minimalprogramm. Es ist ein Paket, das ein Signal für Frauen ist, dass die
Politik aktiv gegensteuert. Wien kann die Auswirkungen der Finanz- und
Wirtschaftskrise nicht alleine auffangen. Der Bund und auch die Europäische
Union sind selbstverständlich gefordert, hier entsprechende Konjunktur- und
Beschäftigungsprogramme zu schnüren, aber Wien soll gefälligst seine
Handlungsspielräume nützen. Deshalb hoffe ich, dass Sie unserem Antrag heute
zustimmen werden. Es gibt einen Antrag auf Zuweisung, um im Ausschuss noch
entsprechend über die einzelnen Maßnahmen, die ich vorgestellt habe,
diskutieren zu können.
Zum zweiten Antrag, Frauen in Spitzenfunktionen im
Magistrat, sage ich nichts. Den hat meine Kollegin Maria Vassilakou schon
vorgestellt. Wir haben auch schon des Öfteren an dieser Stelle über dieses
Problem diskutiert.
Ich möchte deshalb noch kurz auf
die Regierungsverhandlungen und das Regierungsprogramm eingehen, soweit es uns im
Frauenbereich vorliegt. Über dieses Regierungsprogramm sind wir sehr
enttäuscht. Wir hätten uns eigentlich mehr erwartet. Das
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