Gemeinderat,
44. Sitzung vom 23.02.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 96
Das
Vier-Augen-Prinzip, das Sie jetzt immer wieder erwähnen, würde, denke ich, in
der Privatwirtschaft nicht so großzügig vonstatten gehen, dass man sich
leistet, jedem Geschäftsführer einen zweiten beizustellen, weil man meint, dass
einer allein der Aufgabe nicht mächtig ist. Konsequenterweise müsste ja dann
jeder amtsführende Stadtrat beziehungsweise auch Sie selbst einen zweiten
beigestellten, vielleicht oppositionellen Kontrollstadtrat haben, um dieses
Vier-Augen-Prinzip wirklich auch in die politische Ebene weiterzuziehen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Amtsf
StRin Mag Renate Brauner: Da müssen Sie ja selber lachen!)
Zu meiner
Frage: Es geht ja da um ein Tochterunternehmen der Stadt Wien, und diese
100 Prozent-Töchter der Stadt Wien sind ja nicht nur bei
Personalentscheidungen aufgefallen, sondern auch bei anderen
Vergabeentscheidungen. Finanzstadtrat Rieder hat uns einmal auf eine Anfrage,
inwieweit sich die Ausgegliederten an das Vergabegesetz zu halten haben,
mitgeteilt, dass es rein rechtlich gar nicht möglich wäre, weil eben
Gesellschaftsrecht und die Einflussnahme einander ausschließen würden. Wir
meinen aber, dass man als verantwortlicher Politiker für
100 Prozent-Tochterunternehmen der Stadt Wien doch gewisse Richtlinien
vorgeben müsste.
Gibt es
Richtlinien – abseits davon, dass jetzt Politiker in den Aufsichtsräten zum
Beispiel sitzen –, wie sich die 100-Prozent-Tochterunternehmen an das
Vergabegesetz zu halten haben?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister!
Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte
Frau Gemeinderätin!
Ich will jetzt freundlich sein, weil ich Sie
an sich sehr schätze, aber nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.
Das Vier-Augen-Prinzip in der Wirtschaft – Sie
brauchen sich nur Vorstände von Aktiengesellschaften anzuschauen –, ist sehr
wohl gegeben, das steht ja außer jedem Zweifel. Und einen Vergleich mit der
Politik möchte ich jetzt nicht weiter qualifizieren. Wie gesagt, dazu schätze
ich Sie zu sehr.
Selbstverständlich – Sie können das dem
gegenständlichen Fall auch entnehmen – besteht dort, wo rechtliche
Verpflichtungen bestehen, tatsächlich auch eine, wenn man so will, politische
Verpflichtung dazu, dass ausgeschrieben wird. Im gegenständlichen Fall ist ja
ausgeschrieben worden, und es ist auch eine externe Firma beauftragt worden,
die entsprechende Personalberatung durchzuführen und die entsprechenden
Vorschläge zu unterbreiten. Der Aufsichtsrat hat sich an diesen Vorschlag, der
hier vorgelegt wurde, gehalten. Ich bin zufrieden.
Also ich kann in dem gegenständlichen Fall
kein Problem erkennen, das auch nur im Entferntesten meine Intervention
benötigt hätte.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. – Die 3. Zusatzfrage wird von
Herrn GR Dr Aigner gestellt.
GR
Dr Wolfgang Aigner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Herr Bürgermeister!
Die Bezugnahme
auf das Vier-Augen-Prinzip ist ja meines Wissens eine Konsequenz der Vorgänge
rund um den Prater-Vorplatz gewesen. Wir haben damals in diesem Zusammenhang
auch den Antrag eingebracht, diese ausgegliederten Gesellschaften in den
Verbund der Gemeindeverwaltung rückzuüberantworten, weil wir der Ansicht sind,
dass hier die Kontrolle durch dieses Haus und durch die gemeindeinternen
Kontrollmechanismen am besten gewährleistet ist.
Können Sie
diesem Vorschlag nähertreten?
Vorsitzender
GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Sehr
geehrter Herr Gemeinderat!
Ich habe mich vorhin, glaube ich, geirrt, Sie
haben doch einen guten Tag heute. Denn ein Vorschlag seitens der ÖVP,
Ausgliederungen zurückzunehmen, der kann nur noch dadurch getoppt werden, dass
die ÖVP Verstaatlichungen vorschlägt. Ich bin wirklich beglückt darüber. Es ist
eine wirklich hochinteressante ideologische Wende. Aber angesichts der
Weltsituation, wo in Amerika Banken verstaatlicht werden und der
Ministerpräsident von Russland davor warnt, dass allzu viel Staat in die
Wirtschaft eingebracht wird, weiß man ja wirklich langsam nicht mehr, wo man
steht. Es ist ja wirklich nicht mehr einfach in dieser Welt. Und jetzt verlangt
die ÖVP eine Rücknahme von Ausgliederungen.
Ich sage Ihnen ganz offen, ich kann es mir
nicht vorstellen. Aber wenn die Welt schon verrückt ist, dann bin ich mit ihr
verrückt. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 4. Zusatzfrage wird von GR
Mag Gudenus gestellt. – Bitte schön.
GR
Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der Wiener Freiheitlichen):
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Sie haben
vorhin davon gesprochen, dass eben eine gewisse Firma, die mir persönlich gar nicht
so bekannt ist, dieses Ausschreibungsverfahren gemacht hat.
Meine Frage
ist: Um eine gewisse Objektivität der Ausschreibungsverfahren auch in Zukunft
zu sichern, werden da jeweils verschiedene Firmen herangezogen oder gibt es da
gewisse interne Präferenzen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister!
Bgm Dr Michael Häupl: Ganz
offen gesagt, das weiß ich nicht. Mir ist es wichtig, dass hier externe Firmen
herangezogen werden. In welchen anderen Ausschreibungsverfahren noch, weiß ich nicht.
Ich möchte aber, ehrlich gesagt, die Bürokratie auch nicht auf die Spitze
treiben, denn wenn wir das alles so gemacht hätten, dann gäbe es wahrscheinlich
diese Doppelgeschäftsführung in der Marketing bis heute nicht.
Im gegenständlichen Fall ist das eine
renommierte Firma, die auch das entsprechende Renommee hat. Soweit ich weiß,
hat ja der Chef dieser Firma eine ganze Reihe von Standardwerken zu dieser
Thematik veröffentlicht, und es ist auch eine wehrhafte Firma, die sich
sicherlich ihren guten Ruf, den sie in der Öffentlichkeit hat, nicht ruinieren
lässt. Davon bin ich überzeugt.
Vorsitzender
GR Godwin Schuster: Ich danke,
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