Gemeinderat,
44. Sitzung vom 23.02.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 96
Beschönigung
und Abwiegelung.
Jetzt könnte
man meinen, dass die Mehrheitsfraktion zur Erkenntnis gekommen ist und dass sie
sehen würde, was es im Otto-Wagner-Spital an Reformstau gibt, an überkommenen
Strukturen. Nichts davon steht in dem Bericht, und das ist das Traurige. Wäre
es nicht so ernst, könnte man meinen, es ist eine verspätete Faschingseinlage,
was da herinnen steht zum Otto-Wagner-Spital und zur Dezentralisierung und
Regionalisierung.
Sie wissen es,
ich weiß es, wir alle da herinnen wissen es, dass das Otto-Wagner-Spital seit
vielen, vielen Jahrzehnten ein Schattendasein führt, eine unterversorgte, eine
von der Gesundheitspolitik missachtete Position einnimmt. Bei der SPÖ im
Mehrheitsbericht liest sich das so: „Ein wesentliches Moment der
Entstigmatisierung stellt jedenfalls die zügig fortschreitende
Dezentralisierung nach der bereits durchgeführten Regionalisierung der
Psychiatrieeinrichtungen dar."
Man muss
wissen, vor 30 Jahren hat man eine Psychiatriereform beschlossen. Am Otto-Wagner-Spital
ist das mehr oder minder spurlos vorübergegangen. 30 Jahre sind für die
SPÖ „zügige Dezentralisierung".
Man legt noch
eines drauf in der Kunst, Potemkinsche Dörfer zu errichten. So heißt es nämlich
im nächsten Absatz: „Die Isolation der stationären Psychiatrie in gesonderten,
nur der Psychiatrie gewidmeten Krankenhäusern gehört in Wien seit 2000 mit der
Errichtung des OWS als Schwerpunktspital der Vergangenheit an."
Jeder, der
nicht Wiener oder Wienerin ist, würde meinen, da ist man jetzt aus einem alten,
überkommenen psychiatrischen Krankenhaus in etwas Neues gezogen, nämlich ins
Otto-Wagner-Spital. Mitnichten! Die SPÖ beschränkt sich in ihrem Bericht
darauf, die Verhältnisse am Otto-Wagner-Spital in ihrer Tristesse einfach zur
Modernität zu erklären, indem sie sagt, seit dem Jahr 2000 haben wir etwas
errichtet im Otto-Wagner-Spital; aber die Errichtung besteht lediglich in einer
Benennung und Behübschung derselben alten tristen Verhältnisse.
Die Menschen
in der Psychiatrie im Otto-Wagner-Spital leiden wie eh und je unter der
Stigmatisierung „Baumgartner Höhe", „Steinhof",
„Otto-Wagner-Spital" und müssen dann im Bericht der Mehrheitsfraktion
lesen, dass man etwas errichtet hätte im Otto-Wagner-Spital, was ein Ausweg aus
dieser Misere wäre. So werden Potemkinsche Dörfer der SPÖ als Modernisierung
verkauft.
Wir haben in
der Untersuchungskommission die Dinge konkretisiert, die hier mangelhaft sind,
und allen voran stehen die Berichte der Patienten und Patientinnen, die sich
beklagen, die Berichte der Angehörigen, die verzweifelt sind ob der schlechten
Versorgungssituation.
Diese
schlechte Versorgungssituation lässt sich am besten am Fachärztemangel
festmachen, der, wie vieles andere ebenfalls, von der SPÖ geleugnet wurde.
Diese Leugnung ist nicht einfach die Beschönigung von Zahlen, nein – und das
ist das Schlimme und das Erschütternde an dem Bericht der Mehrheitsfraktion –,
diese Leugnung schreckt nicht davor zurück, das eigene Personal zu diffamieren.
Wenn es nun so
wäre, dass die Opposition oder die GRÜNEN oder die Frau Pilz sagen würden, da
gibt es Fachärztemangel, und es wäre gar nicht wahr, dann könnte man sagen,
gut, im politischen Diskurs ist man nicht zimperlich. Faktisch diffamiert man
aber – und das ist hier im Bericht zu lesen –, das eigene leitende Personal.
Da hat der
Herr Oberarzt Zeyringer eine Studie ausgearbeitet, aber nicht etwa als
Undercover Agent der Opposition, sondern im Auftrag der Kollegialen Führung,
und diese Studie weist in eindringlichen Worten klar und deutlich auf
drückenden Personalmangel, auf kaum haltbare Situationen, auf Burn-out, auf
Überarbeitung hin.
Was macht der
Bericht aus der Untersuchungskommission der Mehrheitsfraktion daraus? Dr
Zeyringer wird konfrontiert mit einem Gegengutachten, nicht etwa von einem
Arzt, sondern von einem Wirtschaftsprofessor, der das Otto-Wagner-Spital
wahrscheinlich nur von außen kennt. Man beruft sich auf diese
Personalberechnung, vergisst, dass Dr Zeyringer klargemacht hat, dass vor
Ort an den Betten nicht einmal das Personal, das rechnerisch zur Verfügung
steht, wirklich vorhanden ist, und man schreibt: „Damit" – also mit dieser
anderen Berechnung – „wurde der Berechnung Zeyringer eine tragende Säule des
behaupteten Personaldefizits die Grundlage entzogen." So geht die
Mehrheitsfraktion mit ihrem eigenen, verbal immer hoch gelobten Personal um.
Wenn es darauf ankommt, etwas einzugestehen, schreckt man nicht davor zurück,
es zu diffamieren.
Detto die
Ausbildungsplätze. Es musste – peinlich, peinlich! – in der
Untersuchungskommission ans Licht kommen, dass die Potemkinschen Dörfer so weit
gehen, dass man etwas behauptet, was den Fakten nicht entspricht. Sowohl StRin
Wehsely im Gemeinderat als auch Generaldirektor Marhold und Direktorin Herbek
dann in der Untersuchungskommission haben faktenwidrig behauptet, man hätte
sechs Ausbildungsstellen beantragt. Nichts davon entspricht den Tatsachen bis
zum Zeitpunkt der Einvernahme des Herrn Dr Marhold. Kein einziger Antrag ist in
der Ärztekammer eingegangen. Man möchte aber hier den Eindruck tätiger, aktiver
Politik erwecken und errichtet Potemkinsche Dörfer.
Die
Zwei-Klassen-Psychiatrie im Otto-Wagner-Spital ist schlimm, vor allem für die
Patienten und Patientinnen, denn sie können nicht mit den Sicherheitsstandards
rechnen, die im AKH oder im Donauspital längst State of the Art sind. Die SPÖ
verzichtet darauf, die richtigen Schlüsse zu ziehen und mutet den Menschen auch
für die Zukunft zu, dass sie in einer unsicheren und manchmal sogar einer
gefährlichen Situation untergebracht sind.
Es ist Zeit
für Reformen, es ist Zeit dafür, dass die SPÖ endlich sieht, dass man nicht
mehr wegschauen kann!
Das Wichtigste an der
Untersuchungskommission Psychiatrie ist die Lehre, die wir zum Pflegeheim Lainz
ziehen konnten: Nichts zugeben bei der SPÖ, aber unter
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