Gemeinderat,
44. Sitzung vom 23.02.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 96
Ja, Zwei-Klassen-Psychiatrie
in Wien ist Realität, und Reformen sind dringend notwendig. Die Frau Kollegin
Pilz hat eine Reihe von Punkten aufgezählt, denn die Untersuchungskommission
hat ganz klar ergeben, dass es so ist, auch wenn die Mehrheitsfraktion das
anders sieht und im Mehrheitsbericht natürlich kein Wort davon zu finden ist.
Aber das wundert uns ja nicht, denn ihr Motto war ja: Mauern! Verhindern!
Verleugnen! (Beifall bei der ÖVP.)
Aus der Demut,
die Bgm Häupl 2001 angesprochen hat, ist Kritikunfähigkeit und
Kaltschnäuzigkeit geworden. Das sieht man ganz klar daran, dass mehr als
50 Prozent – Sie schauen so skeptisch, Frau Stadträtin, aber vielleicht
wissen Sie es gar nicht –, dass mehr als 50 Prozent der Sachbeweisanträge
von Ihrer Fraktion abgelehnt worden sind. Mehr als 50 Prozent! (Beifall bei
der ÖVP.) Gelebte Praxis von Ihnen war, die Ladung kritischer
Sachverständiger und ZeugInnen zu verhindern.
Herr Kollege
Deutsch, ich muss Sie ansprechen. Wie ist es mit dem Auftrag der
Untersuchungskommission vereinbar, eine vollständige Klärung von Sachverhalten
im Sinne der Stadtverfassung herbeizuführen, wenn Sie ZeugInnen ablehnen, wenn
Sie Sachbeweisanträge ablehnen, wenn Sie zum Beispiel die Leiterin vom
Qualitäts- und Beschwerdemanagement im OWS, also eine ganz wichtige Person,
ablehnen? Ohne Kommentar. Das ist ja fast ein Scherz, wenn man sich das einmal
vorstellt. (GR Kurt Wagner: Sie ist nicht abgelehnt worden! Das stimmt
einfach nicht!)
Und der
Höhepunkt, Herr Kollege Wagner, der Höhepunkt Ihrer machtpolitischen
Blockadehaltung war die Nichtaufhebung der Amtsverschwiegenheit von VBgmin
Laska. Das ist Ihr Demokratieverständnis! (Beifall bei der ÖVP.)
Dabei haben
Sie 30 Jahre Psychiatriereform verschlafen – verschlafen! –, und Sie, Herr
Bürgermeister, als Vorstand des Magistrats tragen dafür die Hauptverantwortung.
(Beifall bei der ÖVP.) Sie sind seit 15 Jahren Bürgermeister und
seit 23 Jahren in der Stadtregierung, und Ihre Einvernahme in der
Untersuchungskommission, bei der Sie sagten, die Vorfälle und Missstände liegen
nicht in Ihrer Wahrnehmung, stellen ein Armutszeugnis der politischen Kultur
dar. (Beifall bei der ÖVP.)
Wo ist
übrigens Bgm Häupl? Es geht ja nur um die Zwei-Klassen-Psychiatrie, es geht
ja nur
um Schicksale von psychiatrischen Patienten, da braucht doch der Bürgermeister
nicht hier zu sein. Das ist Ihr Verständnis, meine Damen und Herren der
Mehrheitsfraktion.
Sie, Frau
StRin Wehsely, haben bei Ihrer Einvernahme Ahnungslosigkeit und Ignoranz gegenüber
den Opfern der Missstände gezeigt. Ihr einziges Eingeständnis war die
Erkenntnis: Das Bessere ist der Feind des Guten. Frau Stadträtin, nach Ihrem
Verständnis ist eine Psychiatrie, die mehr als 30 Jahre die politisch
beschlossenen Ziele nicht umsetzt, nicht realisiert, die eine
Zwei-Klassen-Psychiatrie zulässt, offenbar in Ordnung. (GR Kurt Wagner: Da haben Sie anscheinend die ganze Diskussion
verschlafen!) Ich brauche ja nur Ihren Mehrheitsbericht zu lesen. Ich habe
ihn sehr genau gelesen, Herr Kollege Wagner, aber halten Sie mich nicht auf,
ich habe nur fünf Minuten.
Zusammenfassend,
meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktion: Das ist das Armutszeugnis Ihrer
Politik, das ist ein Armutszeugnis für Ihr Demokratieverständnis. Sie gehen mit
uns, mit der Opposition, genauso fahrlässig um wie mit psychiatrischen
Patienten im OWS, nämlich selbstherrlich, diktatorisch und unsensibel. (Beifall
bei der ÖVP.)
Damit zeigen
Sie sehr klar, Sie haben nicht die Qualität, in dieser Stadt die
Alleinverantwortung für die Bürgerinnen und Bürger zu tragen. Und das werden
wir, da können Sie sicher sein, bei der nächsten Wahl ändern. (Beifall bei
der ÖVP. – GR Kurt Wagner: Das entscheiden nicht Sie, sondern die Wähler
und die Wählerinnen!)
Vorsitzende
GRin Inge Zankl: Als Nächster
am Wort ist Herr GR Deutsch.
GR Christian Deutsch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates):
Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die
Untersuchungskommission brachte in einem umfassenden und sehr transparenten
Verfahren ein eindeutiges Ergebnis: Die von der ÖVP und den GRÜNEN behaupteten Missstände konnten
nicht bestätigt werden. Alle Befragungen haben gezeigt, dass Wien eine große
Vielfalt psychiatrischer Versorgungsangebote aufweist und auch international
als Modellstadt gilt. Wien war und ist international Vorreiter betreffend die
Regionalisierung, die Dezentralisierung und den Ausbau der psychosozialen
Versorgung.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! In 29 Sitzungen waren ÖVP und Grüne nicht in der Lage, für ihre
Unterstellungen und Behauptungen irgendeinen Beweis auf den Tisch zu legen.
Ihre haltlosen Beschuldigungen konnten nicht verifiziert werden. Wir waren sehr
daran interessiert, dass Sie Missstände auf den Tisch legen. Dazu waren Sie
aber nicht bereit, obwohl ich Sie mehrfach dazu aufgefordert habe, das auch zu
tun.
Stattdessen
haben Sie allerdings Briefe verwendet und als Beweismittel anerkannt haben
wollen, die nie abgesendet wurden, und haben sogar Zeugen auf Basis dieser Schriftstücke
befragt und Vorwürfe geäußert. Sie haben, meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Kommission als Show-Bühne missbraucht, bis zum Schluss, ein ganzes Jahr
lang, und keine Beweise für Ihre Behauptungen auf den Tisch legen können. (Beifall
bei der SPÖ.)
Ungeheuerlich
und skandalös war insbesondere aber auch die Vorgangsweise der Wiener Grünen, die sich durch einen
inquisitorischen Befragungsstil ausgezeichnet haben. Sie haben in der Tat
versucht, die Zeugen hier in aller Öffentlichkeit fertig zu machen.
Frau Pilz, Sie haben sich in der
Tat aufgeführt, als wären Sie Inquisition und Jüngstes Gericht in einem! Daher
war es mehr als notwendig und sinnvoll, die Patientinnen und Patienten und die
Angehörigen, die auch Mitbetroffene sind, vor diesem Befragungsstil auch zu
schützen und dieser Belastung und dem öffentlichen
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