Gemeinderat,
44. Sitzung vom 23.02.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 72 von 96
Stadträtin Wehsely in
der Untersuchungskommission definiert. Schwere Verletzungen sind dann bloß
„körperliche Beeinträchtigungen“. Patienten und Patientinnen werden zu ewig
Kranken erklärt. Einmal psychisch krank, immer psychisch krank. Daher darf man
sie betreffend ihre Zeugenschaft, die sie selbst ablegen wollen, nicht in der
Untersuchungskommission laden.
Angehörige
wurden glatter Dings sozusagen als „Kokranke“ subsumiert. Niemand konnte uns
erklären, warum Angehörige eigentlich auch unter Quarantäne stehen, warum ihre
Stimme für die politisch Verantwortlichen nichts zählt und warum sie in der
Untersuchungskommission als schweigende Gäste in die hintersten Reihen verbannt
wurden.
Die SPÖ
verhält sich so, damit sie nicht hinschauen muss, damit sie ihre Verantwortung
nicht wahrnehmen muss und dass Frau StRin Wehsely in ihrer Befragung in der
Untersuchungskommission zugeben kann, dass sie nie mit einem der Opfer
gesprochen hat, das verletzt wurde, und dass sie sagen kann, dass es sich ja
nur um Vorfälle und körperliche Beeinträchtigungen gehandelt hat. Sie hat nicht
einmal dann, wenn Briefe in höchster Not an sie gerichtet wurden, ein
persönliches Wort gefunden. – Wer so Politik macht, braucht sich nicht
wundern, dass der Mehrheitsbericht inhaltsleer, kalt und ohne politische
Konsequenzen bleibt. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wer hinsieht,
der sieht, dass System hinter den so genannten „Vorfällen“ und den zynisch als
„körperliche Beeinträchtigung“ umdefinierten katastrophalen Folgen für Einzelne
steckt. Es ist dies ein System der Verantwortungslosigkeit sowie jahrelanger
Versäumnisse und Organisationsversagen. Und die politische Verantwortung ist
nicht wegzuleugnen. Sie tragen Verantwortung dafür, dass intern und extern
Beschwerden nicht einmal ignoriert wurden, dass man die Menschen anrennen ließ,
sowohl wenn es sich um Personal handelte, das sich im Dienstweg über die
Arbeitssituation beklagt hat, als auch wenn Patienten und Patientinnen und
Angehörige ihre Stimme erhoben haben.
Man möchte die
politische Verantwortung nicht wahrnehmen. Man leugnet Strukturdefizite, man
ignoriert sie, und man individualisiert Schadensfälle. Das geht aber nur so
lange gut, als das Gesetz dazu den Rahmen bietet, und diese Zeiten, Frau StRin
Wehsely, sind Gott sei Dank vorbei! Jetzt ist das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz
schlagend. Wir hoffen zwar, dass wir keine Gelegenheit dazu haben werden, es
ist aber zu befürchten, dass es eine nächste Gelegenheit geben wird, bei der
wir Sie, Frau Stadträtin, daran erinnern müssen werden, dass es nicht angeht,
dass man sagt: Es kann in der Psychiatrie eben passieren, dass psychisch Kranke
sich oder andere anzünden, da kann man halt nichts machen!
Wir werden Sie
daran erinnern, dass man gemäß State of the Art aufpassen und da sein muss und
die Menschen nicht allein lassen darf. Man darf Menschen nicht durch Fixierung
in Netzbetten in einen hilflosen Zustand bringen und dann einfach weggehen. Und
warum geht man weg? – Weil es zu wenig Personal gib und weil es im
Otto-Wagner-Spital keine Infrastruktur gibt, durch die eine ordnungsgemäße
moderne Betreuung sichergestellt ist.
Frau
Stadträtin! Wir werden Sie daran erinnern, und es wird das letzte Mal sein,
dass Sie, Ihre Mitarbeiter oder der Patientenanwalt bedauernd sagen können:
Medizinisches Fehlverhalten konnte man nicht feststellen, daher sind wir fein
raus. – Sie werden nicht mehr fein raus sein, Sie werden sich nach dieser
Untersuchungskommission nicht mehr in Untätigkeit, Ignoranz und Leugnung der
Situation zurückziehen können!
Wie wird mit
dem Personal umgegangen? – Immer wieder ist davon die Rede, dass die
Skandalisierung der Skandal sei. Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Der viel größere Skandal ist der Umstand, wie mit Kritikern und den
mutigen Zeugen und Zeuginnen umgegangen wird, bei denen ich mich jetzt sehr
herzlich bedanken möchte: Sie haben sich hingestellt und in dem Wissen
ausgesagt, dass die Mehrheitsfraktion alles tun wird, um ihre Aussage zu
diskreditieren.
So haben diese
ZeugInnen etwa gesagt, dass es im Otto-Wagner-Spital beziehungsweise in der
Psychiatrie an Personal und Infrastruktur mangelt und dass man in der Kinder-
und Jugendpsychiatrie so sehr mit unzulänglichen Zuständen kämpft, dass die
Versorgungssituation sogar im Libanon besser ist. Und es ist kein Wunder, dass
diese Zeugen und Zeuginnen keinen Eingang in Ihren inhaltsleeren, ignoranten
Mehrheitsbericht gefunden haben.
Diese mutigen
Zeugen und Zeuginnen konnten aussagen, weil Sie ihre Ladung nicht verhindern
konnten. Andere wollten aussagen, Sie haben ihnen aber die Stimme verboten. Ich
danke all jenen für ihren Mut! Wir werden sehr genau beobachten, was Sie mit
diesen Menschen tun! Wir haben nämlich beispielsweise gesehen, wie Herr
Oberarzt Seyringer offensichtlich im Interesse der Mehrheitsfraktion diffamiert
und diskreditiert wurde und wie Sie auf Initiative der Krankenanstaltenführung
durch ein fragwürdiges Gegengutachten die eigenen Leute angeschüttet haben.
Das ist Ihre
Politik! Sie lassen das Personal im Stich. Sie zeigen auf die Opposition, um
sagen zu können: Wir sind’s nicht gewesen! Und auf der Strecke bleibt das
Personal. Burn-out, Frau Stadträtin, ist für Sie irgendeine Krankheit, die auch
Putzfrauen und sonst jeder bekommen kann. Dass das aber etwas mit
Arbeitszusammenhängen, mit Überlastung und Strukturproblemen zu tun hat, sollte
Ihnen klar sein. Sie leugnen das jedoch, denn sonst müssten Sie ja Ihre
Verantwortung wahrnehmen!
Sie beziehen sich auf
den Patientenanwalt, wenn Sie davon sprechen, dass es eh keine Klagen gibt. Das
es ungefähr das niederschmetterndste Argument! Der Herr Patientenanwalt hat die
Patienten und Patientinnen, die zu ihm gekommen sind, unter anderem falsch
beraten, indem er gesagt hat, dass es nur ums Otto-Wagner-Spital und nicht um
die gesamte Psychiatrie geht. Er hat sich nicht dafür interessiert, was
passiert ist. Er hat gemeint, wenn Dinge schon bekannt sind, wenn man beim
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