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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 23.02.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 96

 

Frau Stadträtin! Herr Berichterstatter! Frau Dr Rech! Herr Dr Baumgartner! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Nach 30 Sitzungen in der Untersuchungskommission habe ich gedacht, dass mich nichts mehr überraschen kann, was die SPÖ zum Thema Psychiatrie und Untersuchungskommission zu sagen hat. Sie haben es aber doch wieder geschafft! Herr Kollege Deutsch! Sie haben hier einen Bericht präsentiert, in dem – wie Kollegin Korosec schon gesagt hat – immer wieder vorgegeben wird, dass die Kommission zu gewissen Schlüssen gekommen ist. Das ist aber nicht der Fall! Nicht die Kommission ist zu diesen Schlüssen laut Ihrem Mehrheitsbericht gekommen, sondern einzig und allein die Mehrheitsfraktion! Das, was Sie in dieser Untersuchungskommission gesehen haben, können wir nämlich beim besten Willen nicht erkennen!

 

Kollege Deutsch hat seine Wortmeldung als Berichterstatter in erster Linie dazu verwendet, um die Minderheit zu diffamieren. Etwas Ähnliches hat es, glaube ich, im Mittelalter gegeben: Der Überbringer oder die Überbringerin der schlechten Botschaft wurde geköpft. Und das versuchen Sie mit Frau Dr Pilz, mit Frau Korosec und insgesamt mit den GRÜNEN und der ÖVP. Sie diffamieren die Minderheit.

 

Auch Frau Klicka ist so vorgegangen. Sie hat in ihrer ganzen Wortmeldung kein einziges Mal gesagt, dass diese oder jene Punkte im Rahmen der Psychiatriereform umgesetzt wurden. Sie hat nicht gesagt, was erledigt wurde und was noch zu tun übrig bleibt. Nein! Sie hat nichts anderes getan, als Kollegin Pilz zu beschimpfen und ihr Dinge vorzuwerfen, die überhaupt nicht stimmen. (Zwischenruf von GRin Marianne Klicka.) Sie haben den grünen Befragungsstil inkriminiert. Ich frage Sie: Wenn man Generaldirektor Marhold zu seiner Verantwortung nicht kritisch befragen darf, wen denn dann? (Zwischenruf von GR Christian Oxonitsch.)

 

Selbstverständlich halten wir es schon aus, wenn Sie auf uns losgehen! Das Schlimme ist aber, dass Sie genauso über das Personal drüberfahren. Sie sagen: Es gibt keinen Fehler im System, und es läuft alles bestens. Das heißt aber, wenn irgendwo ein Fehler passiert, dass das an einzelnen MitarbeiterInnen hängen bleibt, denn im System gibt es ja angeblich keine Fehler. Das ist eine super Politik! Gratuliere!

 

Wir haben immer wieder auch über interne Protokolle der kollegialen Führung diskutiert, und aus all diesen Protokollen geht hervor, dass es an Ressourcen mangelt: Es mangelt an personellen Ressourcen, es mangelt an strukturellen Ressourcen. Überall ist von Mangel die Rede.

 

Was aber haben Sie zu uns gesagt, wenn wir über diese internen Protokolle diskutiert haben? Wie hat man seitens der SPÖ versucht, das darzustellen? Da wurde doch glatt gesagt: Das sind halt interne Protokolle, in denen verwendet man halt eine interne Sprache. – Das verstehe ich wirklich nicht! Das müssen Sie mir erklären! Bitte erklären Sie es mir! In einem Protokoll steht zum Beispiel: Ich habe nicht genug Geld bis zum Ende des Jahres, um etwas umzusetzen. Mir fehlt Geld. Mir fehlt Personal. – Und dazu sagen Sie, dass in internen Protokollen halt eine solche Sprache verwendet wird, das dürfe man nicht so ernst nehmen! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Bei grünen Protokollen ist es aber nicht um PsychiatriepatientInnen in Wien gegangen! Bei Ihnen geht es aber um PsychiatriepatientInnen, die in den Krankenhäusern liegen und die mit den Zuständen zurecht kommen müssen, die Sie zu verantworten haben! Wenn Sie argumentieren, dass in diesen internen Protokollen eine interne Sprache verwendet wird und diese nicht so wichtig sind, weil man in einer internen Sitzung bald einmal etwas sagt, dann heißt das, dass all Ihre MitarbeiterInnen, die in diesen Sitzungen sitzen, ihre Zeit dort sinnlos versitzen! Wozu schreiben Sie denn diese Protokolle, wenn sie überhaupt keine Wirkung haben? – So gehen Sie mit dem Personal um! (Zwischenruf von GR Kurt Wagner.)

 

Das ist dieselbe Taktik, die Sie auch in gegenüber Dr Zeyringer angewendet haben. Wir haben das schon in der Früh angesprochen, und es ist auch schon jetzt öfters erwähnt worden. Dr Zeyringer hat eine Untersuchung über die Personalsituation gemacht. Herausgekommen ist ein Hilfeschrei. Und als Antwort auf diesen Hilfeschrei hat er von der Führung und von der SPÖ gehört: Was Sie uns da geliefert haben, ist überhaupt nicht wissenschaftlich! – Bravo SPÖ! Gratuliere! Das ist wirklich super!

 

Und es wird alles noch viel superer werden, vielleicht in 30 Jahren! Vor 30 Jahren hat es eine Psychiatriereform gegeben. Vor 30 Jahren war Wien vielleicht Vorreiter. Aber heute hinkt Wien nach. (GR Kurt Wagner: Das ist Ihre Sichtweise!) Sie wollen keine PatientInnen und Angehörigen hören. Sie haben von Stigmatisierung und Entstigmatisierung gesprochen. Sie haben gesagt, dass Sie wollen, dass die psychiatrischen Kranken entstigmatisiert werden.

 

Ja, genau! Aber wenn Sie sich selbst ernst nehmen würden, dann würden Sie nicht mit der Stigmatisierung argumentieren, wenn wir vorschlagen, auch die PatientInnen und Angehörigen in die Kommission einzuladen und zu hören, denn genau damit, dass Sie sagen, diese Kranken können wir nicht einladen, genau damit stigmatisieren Sie sie.

 

Die Taktik der SPÖ während dieser ganzen Kommission war auch, Zahlen, dort, wo sie nicht ignoriert wurden, einfach zu schönen. Das ist ja relativ einfach. Man lässt ein paar ExpertInnen aussagen, man hat Statistiken, man hört internationale Statistiken, man hört Zahlen, und man sagt: Super! Bei uns sind diese Zahlen auch fast erfüllt. Und wenn dann ExpertInnen ausgesagt haben, die Ihnen erzählt haben, wie diese Statistiken sich auswirken in der Praxis und wie es in der Praxis ausschaut, dann haben Sie entweder weggehört oder gesagt, das ist ein internes Protokoll, oder Sie haben gesagt, nein, das stimmt eigentlich gar nicht, denn das ist überhaupt nicht wissenschaftlich. Bravo! Natürlich, so kann man es machen, allerdings – und das ist das Tragische dabei – auf der Strecke bleiben in Wien die PatientInnen

 

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