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Gemeinderat, 46. Sitzung vom 29.04.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 56 von 113

 

von Erdölvorkommen und auch in Bezug auf die Bautätigkeiten, die mit dem Ilisu-Staudamm im Zusammenhang stehen; in diesem Batman hat die Regierung versucht, sich durchzusetzen. Auch hier wurde der Bürgermeister mit 59 Prozent gewählt, und in der Stadt Hakiri, die 1993 vom türkischen Militär niedergebrannt wurde, hat der Bürgermeister ebenfalls 77 Prozent erhalten.

 

Interessant war, dass bei dieser Reise durch die Umgebung festzustellen war: Kurdistan ist ein besetztes Land, sonst gar nichts. Panzersperren, Militärposten und dann interessanterweise immer wieder Straßensperren, wo man von Zivilisten, also von Nichtuniformierten, aufgehalten wird, die locker eine Maschinenpistole umgehängt haben und uns freundlich auf Englisch gefragt haben, wo wir hin wollen. Da haben wir gesagt, dort und dort hin, also zum Tigris. Wir waren sehr zufrieden, aber wir haben jemanden mitgehabt, der Türkisch konnte, und dem Chauffeur und der Reisebegleitung haben sie erklärt, wir dürfen nicht nach Batman einreisen, denn dort finden die Newroz-Feiern statt und unsere Beteiligung ist unerwünscht. Wir würden sofort verhaftet, wenn wir das täten. Das war die Drohung, die ausgesprochen wurde. (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Was ist das jetzt? Ein Reisebericht?)

 

Ja auch! Das gehört dazu, denn ich glaube, dass man wissen muss, warum man einen Kulturaustausch sogar mit einer weit entfernten Stadt in Ostanatolien anstreben muss, und ich glaube, dass Wien als Stadt, die sich der Verfassung und den Grund- und Freiheitsrechten verpflichtet fühlt, sehr wohl ein Platz sein muss, um diese Dinge zu schildern und darzustellen. Es ist meines Wissens das erste Mal, dass im Gemeinderat – ich bin jetzt seit immerhin 19 Jahren da – über so etwas überhaupt geredet wird. Ihr, die Sozialdemokraten, aber auch die ÖVP schweigen sich aus. Auch die Grünen, gar keine Frage, schweigen sich aus. Es werden im Allgemeinen immer nur die Rechte der Türken verteidigt, die Türkei ist eigentlich sakrosankt. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ja, hier im Gemeinderat. Vielleicht macht ihr das woanders anders. (GR Godwin Schuster: Moment! Moment! Die Kurden, die dort vertrieben worden sind, sind großteils in Wien! So ist das!) Im Gemeinderat – Frau Yilmaz, Sie schauen mich so an – sind Sie immer herausgeeilt und haben festgestellt, wie sehr in der Türkei die Dinge richtig laufen, sodass endlich der EU-Beitritt erfolgen könnte. Doch nach der Wahl wurden hunderte Leute verhaftet in Anatolien, also in Gebieten der Kurden in Kurdistan, und ich kann nur feststellen, dass das Gott sei Dank eine gewisse Öffentlichkeit bekommen hat. In der „Neuen Zürcher Zeitung" steht das drinnen, und auch die Wiener „Krone" hat das am 15. April klar geschrieben.

 

Meine Damen und Herren! Ich glaube daher, dass es notwendig ist, eine solchen Schritt zu setzen, weil es einfach notwendig ist, dass man hier zu einer entsprechenden Regelung kommt und durch einen Kulturaustausch auch der Wiener Bevölkerung nahebringt, dass die Türkei auch aus einem großen Anteil kurdischer Bevölkerung und Leistung besteht.

 

Daher steht der Antrag und wird eingebracht. Wir haben jetzt etwas erlebt, was sehr verwunderlich war. (GR Marco Schreuder: Auch in der Wiener Bevölkerung gibt es viele Kurden!) Richtig! Gar keine Frage. In etwa ein Drittel der so genannten türkischen Bevölkerung in Wien besteht sicher ebenfalls aus Kurden. Die FPÖ hat eben einen Antrag eingebracht, und zwar, wie wir vereinbart hatten, am Vortag. Ergebnis: Was mit dem Antrag geschehen ist, ist im Grunde genommen eigentlich ein demokratiepolitischer Gewaltakt. Wir bringen einen Antrag ein, der ausformuliert ist, die SPÖ vor allem, aber im Schlepptau auch, nehme ich an, die ÖVP und die Grünen, streichen sämtliche Bezugspunkte auf die FPÖ heraus und machen daraus einen Drei-Parteien-Antrag. Dann kommen Sie zu uns und sind so gnädig, uns anzubieten, unserem eigenen Antrag beitreten zu dürfen. So ungefähr. Herr Woller hat mir in dürren Worten mitgeteilt, dass das jetzt der Antrag sein wird – Veränderungen sind nicht möglich; er ist völlig textgleich bis auf die Streichungen, wo FPÖ vorkommt oder etwas Ähnliches –, und dass wir großzügigerweise eingeladen werden, dem eigenen, von mir formulierten, Antrag beitreten zu dürfen, was bitte eine Ungeheuerlichkeit darstellt.

 

Es ist eine Ungeheuerlichkeit, ein Willkürakt, und ich frage mich, was für eine demokratische Praxis hier herrscht. Und ich darf Ihnen eines ankündigen: Ich werde meiner Partei empfehlen, sich an diese Absprache über allfällige Einbringung von Anträgen und Ähnliches nicht mehr zu halten, weil es schade um die Zeit ist, wenn man so was macht. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Wir stimmen aber selbstverständlich zu, und ich möchte noch feststellen, es geht uns in dem Sinn nicht um irgendwelche eigenen Vorteile. Die Kurden, sowohl die in Kurdistan als auch jene hier in Österreich, sind in ihrer politischen Vertretung durch die Bank links orientiert. Also die haben mit uns sicher nichts am Hut in dem Fall. Aber es geht um die Freiheit, und Freiheit ist unteilbar. Meine Freiheit gehört verteidigt und auch die Freiheit der Kurden. Das sollte keine Frage sein. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Daher, meine Damen und Herren, stimmen natürlich auch wir diesem Drei-Parteien-Antrag zu, was ja sonst unsinnig wäre, weil es ja mein eigener Antrag ist, keine Frage, aber ich glaube, dass die Vorfälle, die sich hier in einem solchen Ausmaß entwickelt haben, unzumutbar sind, sodass ich um eine Sitzungsunterbrechung und die Einberufung einer Präsidiale ersuche. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Ringler.

 

GRin Mag Marie Ringler (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Es ist interessant zu beobachten, wie die FPÖ sich jetzt um die Kurden kümmert. Das ist natürlich eine sehr erfreuliche Tatsache, denn ich glaube, sie brauchen Aufmerksamkeit, Sichtbarkeit für ihr Anliegen. Wir Grüne haben ja seit vielen Jahren sehr, sehr gute Beziehungen zu kurdischen Community, sind oft bei den Feiern anwesend und haben uns sehr ins Zeug gelegt, als

 

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