Gemeinderat,
47. Sitzung vom 25.05.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 88
in den Jahren davor. Und dann zwei Wochen später
stellen sich der Herr Bürgermeister und die damalige Vizebürgermeisterin Laska
heraus und sagen: „Jetzt kommt der Gratiskindergarten für Wien.“ Eine Idee, die
wir schon mindestens über zehn Jahre fordern. Ich kann mich erinnern, der Herr
Landesparteiobmann Rainer Pawkowicz ist schon für einen solche eingetreten,
während der Bgm Häupl das als Reichenförderung abgetan und abgelehnt hat. Und
jetzt plötzlich treten Sie zu einer Flucht nach vorne an, eben nicht nur eine
kostenlose Kinderbetreuung für die Kinder von drei bis sechs Jahren, sondern
Sie kündigen eine kostenlose Kinderbetreuung für Kinder von null bis sechs
Jahren an. Sie haben da ja ganz stolz einen Brief an alle Haushalte
ausgeschickt, dass Wien die Nase vorn hat. Ob es nun den Bildungsplan
Kindergarten betrifft oder die Wiener Mittelschule ist gleich Gesamtschule, da
sagen Sie ganz stolz: „Wien hat die Nase vorn.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie hätten die
Nase auch schon vor zehn Jahren vorne haben können, aber Sie haben es ja immer
abgelehnt und das immer als Reichenförderung tituliert, somit auch mit einem
negativen Beigeschmack versehen. Jetzt plötzlich kommen Sie drauf, dass Sie
hier die Flucht nach vorne antreten müssen. Ich finde ja auch diese vollmundige
Ankündigung so hastig übereilt sehr mutig und waghalsig, weil ja das Ganze eben
sehr voreilig verkündet wurde und auch gleichzeitig eben sehr unüberlegt und
auch unausgegoren ist und hier sehr viele Fragen offen sind: Wie sieht es mit
dem Personal aus? Wie schaut es mit den Räumlichkeiten, mit dem Platz aus? Wie
schaut es mit den Kosten aus? Wie schaut es mit den Privatkindergärten aus? Das
alles ist auch nicht zur Gänze geklärt, aber für einen Bgm Häupl ist laut
vieler Aussagen dieser Gratiskindergarten fix. Wir werden auf jeden Fall die
Entwicklungen vor allem im Herbst ganz, ganz genau beobachten.
Wir befürchten aber trotzdem, dass Sie, meine sehr geehrten
Damen und Herren von der SPÖ, und Ihr Bgm Häupl den Mund etwas zu voll genommen
haben. Es wird nämlich im Herbst wahrscheinlich einen regelrechten Ansturm auf
die städtischen Kindergärten geben. Es fehlen für ein flächendeckendes Angebot
rund 4 500 Plätze und die 1 000 Plätze hier, die Herr Bgm Häupl
angekündigt hat, werden wahrscheinlich nicht reichen. Man braucht nur einen
Blick nach Döbling zu werfen, was auch in den Medien berichtet wurde, wo der
Herr BV Tiller gesagt hat: Es wird eng werden, 450 Betreuungsmöglichkeiten
fehlen. Oder im 8. Bezirk, wo eben auch erklärt wurde, es fehlen die
Räumlichkeiten und der Herr Bezirksvorsteher hat gesagt: Jetzt fehlen uns auch
die Möglichkeiten. Kurz vor Ihrem Abgang hat auch die Frau VBgmin Laska erstmals
einen Personalmangel eingestanden und hat von einer durchaus angespannten
Situation gesprochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, machen wir uns
nichts vor: Diese Ankündigung des Gratiskindergartens sorgt für eine massive
Ausweitung der Kindergartenplätze durch Bgm Häupl und VBgmin Laska und hat bei
den Beschäftigten der Wiener Kindergärten eine ganz, ganz große Beunruhigung
ausgelöst. Der Dachverband der Wiener Privatkindergärten und Horte hat einen
Fragenkatalog verschickt. Die Befürchtung ist natürlich, dass die politischen
Vorgaben ohne entsprechende Rahmenbedingungen auf Kosten des jetzt schon total
überlasteten Personals umgesetzt werden sollen. Das Personal ist jetzt schon
bis an die Grenze des Erträglichen belastet. Aktuell sind 140 Planstellen
für KindergartenpädagogInnen nicht besetzt und immer mehr Gruppen können nicht
von ausgebildeten KindergärtnerInnen betreut werden. Also man sieht, die
Situation wird zunehmend kritischer und KindergartenpädagogInnen sind derzeit
auf dem Arbeitsmarkt kaum zu finden. Das hat auch gute Gründe, nämlich eine
mangelnde Attraktivität des Berufs, eine von den Anforderungen äußerst
schlechte Bezahlung und natürlich die erschwerten Arbeitsbedingungen, die
vorzufinden sind und dazu kommt eine starke Abwanderung von geschultem Personal
in andere Bundesländer. Ich darf hier aus dem „Kurier“ vom 22. Mai
zitieren: „Kaum Platz und zu wenig Pädagogen. Wien laufen die
Kindergartenpädagogen davon. Der Grund: geringe Entlohnung und schlechte
Rahmenbedingungen. In Deutschland versuchen sich die Bundesländer die Lehrer
gegenseitig abzuwerben. In Österreich passiert Ähnliches bei den
Kindergartenpädagogen. Wegen des kostenlosen Kindergartenjahres für Fünfjährige
steigt die Nachfrage nach Plätzen und somit der Bedarf an Betreuung.“ Und es
sagt ja auch die Staatssekretärin Marek, dass in allen Bundesländern
KindergärtnerInnen fehlen, was natürlich an den Arbeitsbedingungen und an der
Bezahlung liegt.
Jetzt haben Wiener KindergärtnerInnen einen anonymen
Beschwerdebrief verfasst. Das ist ja keine Rarität, das ist auch schon im
Bereich der Pflichtschullehrer vorgekommen. Und sie schreiben da: „Wir sind am
Ende. So können wir nicht mehr weiterarbeiten.“ Die Arbeitsbedingungen schauen
so aus, dass eine ausgebildete Pädagogin für 25 Kinder zuständig ist, von denen
immer mehr auch verhaltensauffällig sind. „In manchen Gruppen“, heißt es weiter
in dem Brief, „spricht kein einziges Kind mehr Deutsch.“ Und eine Unterstützung
seitens der Gemeinde für schwierige Gruppen gibt es nicht. Die Raumsituation
ist auch beengt: „60 m² für 25 Kinder sind eindeutig zu wenig, zumal viele
Kindergärten weder über einen Garten noch einen Turnsaal verfügen.“ Einen
zusätzlichen Stressfaktor stellen auch die langen Öffnungszeiten in Wien dar,
die nämlich dazu führen, dass manche PädagogInnen bis zu zehn Stunden täglich
arbeiten müssen. Wien ist damit also laut dem Artikel im „Kurier“ Schlusslicht.
Es gibt auch gewaltige Gehaltsunterschiede, wie schon angesprochen. Derzeit
sind die Einstiegsgehälter in Niederösterreich deutlich höher. Damit ist auch
die Flucht aus Wien zu erklären. Eine Diplomkindergärtnerin erhält in Wien rund
1 600 EUR, in Niederösterreich erhalten Betreuerinnen mit Matura mehr
als 2 230 EUR. Das alles ist dem Artikel im „Kurier“ von letzter
Woche zu entnehmen.
Man sieht also, dass für die
angekündigten Reformen
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