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Gemeinderat, 48. Sitzung vom 23.06.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 102

 

Da wurde die Notbremse in der letzten Minute gezogen. Damit wird auch ein Blick auf eine Misere im Bereich des Schularztwesens frei, die uns sehr zu denken geben muss. Offensichtlich ist das ein Bereich, auf den man nicht schaut, obwohl er hinsichtlich der Prävention und der Gesundheitsförderung von zentraler Wichtigkeit ist. Die Schulärzte und -ärztinnen erreichen die Kinder und Jugendlichen zu ganz bestimmten sensiblen Lebensabschnitten, in denen man viele Gefährdungslagen erkennen kann und erkennen muss, insbesondere bei sozial benachteiligten Kindern.

 

Laut Sozialbericht des Sozialministeriums von Jänner 2009 sind 13 Prozent der Kinder in Österreich armutsgefährdet. Das sind 250 000 Kinder; davon sind 90 000 manifest arm. Das muss man sich einmal vorstellen! 90 000 Kinder sind manifest arm. Das bedeutet sehr viel sehr Negatives auch für ihre gesundheitliche Entwicklung. Sie kommen seltener zu Kinderfrüherkennungsuntersuchungen, sie kommen in der Regel zu spät in Therapie, wenn man eine Krankheit erkannt hat, und der Schuleintritt ist für diese Kinder oft die einzige Gelegenheit, bei der man erkennen könnte, wie es um sie steht, einen Status erheben kann und soziale Ungleichheit ausgleichen könnte.

 

In dieser Situation sind die Schulärzte und -ärztinnen zentral wichtig. Nichtsdestotrotz sind sie, was ihre Arbeitssituation betrifft, was ihre rechtliche Lage betrifft und was die Infrastruktur betrifft, in der sie arbeiten, völlig in einer labilen Situation. Sie verfügen weder über die räumlichen noch über die infrastrukturellen Einrichtungen, die sie brauchen. Es gibt nur eine heterogene Versorgungsstruktur. Sie haben keine sehr klare Aufgabenstellung. Und sie sind vor allem mit Routinetätigkeiten völlig überlastet. Allein das Impfen braucht einen Großteil ihrer Zeit auf.

 

Seit vielen Jahren verschläft die MA 15 die notwendigen Reformen in diesem Bereich. Sie setzt keine klaren Ziele für den schulärztlichen Dienst. Sie verzichtet darauf, die Schulärzte ausreichend in den Schulalltag einzubinden, und sie verabsäumt, diesbezüglich interdisziplinär mit der Jugendwohlfahrt zusammenzuarbeiten.

 

Wir meinen, abgesehen von dieser Datenverfehlung, die zu beklagen war, muss jetzt ein Ruck durch die MA 15 gehen. Daher ist Frau StRin Wehsely gefordert, eine umfassende Qualitätssicherung bei den Schulärzten in Angriff zu nehmen und klarzumachen, dass es Ausbildungsstandards mit speziellen Qualifikationen für diesen Bereich geben muss. Es muss eine Rechtsgrundlage für alle Haftungsfragen geben. Es braucht zeitgemäße Infrastruktur für die Arbeit der Schulärzte und -ärztinnen. Es kann nicht sein, dass man auf einem wackligen Tisch hinten im Konferenzzimmer oder gar in einem Kellerraum ohne Fließwasser schnell durchimpft. – All das ist aber Realität in den Wiener Schulen!

 

Es braucht eine einheitliche Methodik und zeitgemäße Dokumentation, damit man nicht auf sachlich und wissenschaftlich absolut indiskutable Weise sagt: Lasst uns mal eure Fragebögen „rüberwachsen", und wir schauen dann, dass wir eine Studie daraus machen! – Das ist ja nicht einmal hinsichtlich der Sachlichkeit eine Vorgangsweise, die vertretbar ist!

 

Und es soll eine regelmäßige Evaluierung und eine Gesundheitsberichterstattung nach modernen Kriterien unter Achtung des Datenschutzes geben.

 

Wir haben einen entsprechenden Beschlussantrag vorbereitet und erwarten, dass dem zugestimmt wird, wenn Ihnen die Kinder und ihre Versorgung am Herzen liegen! (Beifall bei den GRÜNEN.) – Das war die Thematik rund um die Kinder.

 

Wir sind leider, was die Psychiatrie betrifft, immer noch nicht am Ende der Debatte. Wir hatten die Untersuchungskommission zu den Missständen in der Psychiatrie; diese ist noch kein Jahr vorbei. In der Zwischenzeit hat sich aber – und zwar nicht auf Ebene des Gemeinderates oder auf Ebene der Untersuchungskommission – noch einmal verdeutlicht, dass die Missstände, die festgestellt wurden, auch anderenorts bestätigt wurden.

 

Faktum ist, dass im Mai 2009 zwei Psychiater des Otto-Wagner-Spitals wegen des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung vor Gericht gestanden sind. Das Gericht hat die beiden Psychiater zum Glück und zur großen Erleichterung freigesprochen. Die Begründung sollte uns allerdings zu denken geben! Ich finde es unfassbar und zynisch, dass man seitens der SPÖ noch gemeint hat, das als Erfolg verbuchen zu können. Sie sollten nämlich wissen, wie das Urteil begründet worden ist!

 

Ich lese Ihnen vor: Der Freispruch wurde – so die Urteilsverkündung – so begründet, dass die beiden MedizinerInnen „im Hinblick auf die Personalsituation in diesem Bereich," – also im Otto-Wagner-Spital – „die wirklich katastrophal war und offenbar immer noch ist, keine zumutbare Alternative zu ihrer Vorgangsweise gehabt hätten.“

 

Der Freispruch ist also nicht erfolgt, weil jemand sozusagen aus erklärbaren Gründen zu Tode gekommen wäre, sondern weil die Verhältnisse unzumutbar waren und immer noch sind. Die Richterin urteilte, dass eine direkte „Eins-zu-eins-Überwachung einfach völlig undurchführbar gewesen sei auf Grund der Zustände im Spital“. Und: „Das Ganze ist sehr tragisch und die Zustände wirklich schlimm, aber das kann man nicht Ärzten und Pflegern vorwerfen, die Übermenschliches leisten in diesen Abteilungen.“

 

Hören Sie sich das noch einmal an! Das kommt nicht etwa von der grünen Opposition, nicht etwa von der ÖVP-Opposition, nicht etwa von irgendeinem Patienten/einer Patientin, der/die aus der eigenen Subjektivität urteilen sollte, das kommt nach profundem Gutachten von einer Gutachterin, die sich ausführlich mit den Verhältnissen im Otto-Wagner-Spital befasst hat. Das war das Urteil des Gerichtes: Die Zustände sind immer noch katastrophal, und eine Eins-zu-eins-Überwachung ist unter diesen Bedingungen nicht möglich.

 

Weil dieses Urteil im Jahr 2009 ergangen ist, bringen wir zusammen mit der ÖVP noch einmal als Beschlussantrag unseren Vorschlag zur Psychiatriereform für eine

 

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