Gemeinderat,
48. Sitzung vom 23.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 58 von 102
nach anders
einsetzen können, aber im Wesentlichen wird versucht, Jobs zu schaffen, und
richtigerweise wird auch die Budgetgrenze nicht so eng geschraubt.
Wie geht es
aber dem einzelnen Menschen, der da übrig bleibt? Wie geht es dem Einzelnen,
der seinen Job verliert? Wie geht es der einzelnen Frau, die mit ihrem Geld
nicht auskommt? Was verändert sich für diese Menschen von einem Tag auf den
anderen? Das sind momentan viele Leute, für die sich das rasant verändert hat.
Das sind
Krisen. Es wird immer wieder der schöne Satz von der Krise als Gefahr und
Chance genannt. Es ist öfter eine Gefahr – das muss man schon sagen –, aber hin
und wieder eine Chance, vor allem am Anfang. Wenn jemand in so eine Krise
unerwartet hineinrutscht, so wie viele Leute sehr rasch von Arbeitslosigkeit
erfasst wurden, die gar nicht damit gerechnet haben, dann muss man schnell
handeln. Am Anfang sind die Leute noch motiviert. Man darf nicht lange
zuschauen. Man muss schauen, dass in den ersten paar Wochen viel geschieht.
Die NGOs und
die sozialökonomischen Betriebe sagen alle das Gleiche momentan: Die
KlientInnenzahl wächst und wächst, aber die Einnahmen werden leider nicht mehr.
Die Privaten, die „kleinen" Leute, die spenden immer noch gleich viel wie
früher. Das ist das Positive an dem Ganzen. Das sind aber die Einzigen, die
ihre finanziellen Mittel quasi gleichermaßen ausschütten. Die Zahl der Firmen,
die mitgeholfen haben, und der Sponsoren geht hingegen massiv zurück, nämlich
um 10 bis 25 Prozent. Öffentliche Förderungen werden im Großen und Ganzen nicht
mehr. Dazu gibt es eine Studie des Fundraising Verbandes. Die NGOs sagen laut
dieser Studie, dass sie Österreich-weit 25 Prozent weniger an Mitteln
haben, aber leider sehr viel mehr Arbeit.
Was kann man
machen? – Weg von einer Kultur der Almosen und hin zu einer Kultur der Rechte.
Es handelt sich nicht um einfache Zahlen zum Durchlesen. In einem Punkt gebe
ich meiner Vorrednerin eindeutig recht, und zwar, was die Umsetzung der
bedarfsorientierten Mindestsicherung betrifft. Das haben wir da halt schon oft
gehört! Vielleicht sind wir ohnedies schon einen Schritt näher, aber diese
wurde ja schon mehrfach eingeführt. Es entspricht zwar nicht ganz dem grünen
Modell, das wäre noch ein bisschen ausführlicher und genauer, aber es ist –
sage ich einmal – ein Schritt in die richtige Richtung.
Sie wird immer
angekündigt und angekündigt und angekündigt. Die Sozialdemokratie setzt sich
aber offensichtlich auf Bundesebene nicht durch, und diese Mindestsicherung
kommt leider wieder nicht. Wir brauchen diese aber dringend!
Wir müssen
Verbündete für diese Mindestsicherung finden! Und wenn wir sie bundesweit nicht
finden, muss sich ein Bundesland wie Wien schon überlegen, ob man das nicht
selber einführen kann. Immerhin wurde gesagt: Man braucht gar nicht alle neun Bundesländer,
man kann es auch ohne Kärnten machen. Das habe ich unter anderem von Bgm Häupl
gehört. Wenn es aber möglich ist, das ohne ein Bundesland zu machen, dann geht
es vielleicht auch ohne zwei oder ohne drei Bundesländer! Dann könnte es
vielleicht das Vorzeigemodell in einem Bundesland geben, und wir führen das
zumindest in Wien ein. Das macht ja einen doppelten Sinn, weil von den
SozialhilfeempfängerInnen ein sehr großer Anteil in Wien wohnt, nämlich
logischerweise ein höherer als in den anderen Bundesländern.
Ich glaube,
wir haben darüber schon vor zwei Jahren geredet. Das Jahr 2010 würde sich
hervorragend dafür eignen, das einzuführen, gerade für die Sozialdemokratie,
der Wahlkampf steht ja auch vor der Tür! Es macht uns gar nichts aus, wenn dann
die eine oder andere Stimme deswegen in das Lager der SPÖ wandert. Das Wichtige
daran wäre, den Leuten zu helfen. Und das wäre ein Programm dazu. Abhängig
davon, wie das dann ausformuliert wird, könnte diese Mindestsicherung
tatsächlich helfen, Armut effizienter als bisher zu bekämpfen.
Was wir schon
lange fordern, was wir leider heute nicht gehört haben, ist eine
Arbeitslosenanwaltschaft. Die Zahlen in Bezug auf Arbeitslosigkeit steigen,
immer mehr Menschen sind ohne Arbeit oder in Kurzarbeit. Es findet gerade jetzt
eine Demonstration der Siemens-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen vor dem
Parlament statt, da bei Siemens vermutlich leider mehrere hundert
MitarbeiterInnen auf der Straße landen werden. Wir glauben, dass man den
Arbeitslosen durch eine solche Arbeitslosenanwaltschaft helfen könnte.
Die Gespräche,
die ich in den vergangenen Woche vor den AMS-Stellen geführt habe,
unterscheiden sich von Gesprächen, die man früher geführt hat, weil man mit
anderen Leuten redet. Es sind Leute dort – und man merkt es ihnen an –, die
insofern geschockt sind, als sie einfach nie damit gerechnet hätten, dass sie
dort hinkommen: Leute aus dem Filmbereich, eine Cutterin, und so weiter, ganz
andere Leute zusätzlich.
Wir können
nicht zuschauen, wie die Arbeitslosenzahlen steigen und steigen und die Leute
übrig bleiben und verwaltet werden!
Weg von einer
Kultur der Armutsverwaltung, hin zu einer modernen kompetenten Beratung durch
Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen! Sie alle, die in diesem Bereich tätig
sind, kennen die Konzepte, die von Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen, die
in der Stadt tätig sind, an allen Parteien verschickt wurden. Diese drücken in
dem Papier ein Gefühl aus, und zwar: Die Sozialarbeit wird leider
zurückgedrängt. Es wird nicht mehr, sondern weniger. – Es ist dies ein sehr
umfangreiches Papier, das man hier in dieser kurzen Zeit nicht zur Gänze
verlesen kann. Das Gefühl, das diese Leute haben, ist jedenfalls: Die
qualifizierte Sozialarbeit rückt in den Hintergrund, es gibt die mechanische Abwicklung
von dem, was jemandem zusteht, und fertig.
Die
SozialarbeiterInnen sind zum einen überlastet, weil es zu wenige gibt. Das habe
ich vorher bereits gesagt und auf die steigende KlientInnenanzahl hingewiesen:
Es kommen immer mehr Leute. Zum anderen sind sie frustriert, weil ihre Arbeit
in dem Ausmaß nicht mehr
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