Gemeinderat,
48. Sitzung vom 23.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 72 von 102
Etikettenschwindel
auch wieder – wie jedes Jahr, leider, muss ich sagen – beim Gender Budgeting,
obwohl das eigentlich eine sehr gute Idee ist; wir haben das auch immer
mitgetragen. Allerdings ist es kein Gender Budgeting, sondern eine zum Teil
lieblose, nur von einigen Dienststellen ein bisschen engagiertere Darstellung
von Maßnahmen, von denen die Dienststellen meinen, dass sie gender-relevant
sind, wobei gender-relevant eher nur die Darstellung der Frauenprojekte
betrifft.
Das heißt, die
Unterscheidung zwischen Gender- und Frauenpolitik ist, glaube ich, nicht ganz
klar, denn es geht ja gerade auch darum, eine Umverteilung herbeizuführen und
als klares politisches Ziel zu schauen, wo profitieren Männer mehr, wo
profitieren Frauen mehr oder umgekehrt, und hier auch Umverteilungsmaßnahmen zu
setzen. Allein in diesem gesamten Gender Budgeting fehlt jegliche Zahl. Es gibt
keine Zahlen, es gibt keine Budgetzahlen, es gibt keine Geldsummen, die hier genannt
werden, es werden nur einige Maßnahmen oder Veranstaltungen aufgezählt. Es
fehlen Vergleichsdaten, es fehlen Entwicklungen, also man kann überhaupt keinen
Vergleich zu den Vorjahren in diesem Rechnungsabschluss beziehungsweise in
diesem Anhang zum Rechnungsabschluss herstellen.
Wir GRÜNEN
bedauern das eigentlich sehr, denn wir glauben, dass dadurch eine gute Idee
mangels Akzeptanz und eigentlich mangels Sinnhaftigkeit droht, systematisch
zerstört zu werden, weil sich viele Beamte und Beamtinnen, die sich hier große
Mühe machen, zu Recht fragen: Wofür mache ich das eigentlich, wenn es gar
keinen politischen Output gibt, keine messbaren Ergebnisse, keine klaren
Umverteilungsziele? Also dieses Gender Budgeting ist aus unserer Sicht
anzulehnen.
Wie überhaupt
die SPÖ-Frauenpolitik geprägt ist von sehr viel gutem Marketing, aber sehr
wenig inhaltlicher Substanz, vor allem wenig nachhaltiger Projekte oder
nachhaltiger Maßnahmen eigentlich. Projekte gibt es ja viel, Sie machen viele
Pilotprojekte. Man könne fast sagen, Sie machen die Politik der Pilotprojekte –
Musterkindergarten, Gender-Mainstreaming-Musterbezirk –, aber wenig
strukturelle Veränderungen, wenig Maßnahmen zu nachhaltigen Veränderungen von
Machtverhältnissen. Sie geben viel Geld für Werbe- und Imagekampagnen aus, aber
eben wenig für konkrete Maßnahmen.
Die Liste der
Ankündigungen und der Versprechungen und auch der Forderungen ist leider sehr
lang, und es sind die Grünen, die
dann immer wieder eigentlich Ihre eigenen Forderungen, Frau StRin Frauenberger,
einbringen, weil Sie ja sehr gute Forderungen stellen, angefangen von den
Quoten in Aufsichtsräten über den Papa-Monat über Förderungen der Väter-Karenz
und viele, viele Forderungen mehr – das entnehme ich den Medien, entnehme ich
Ihren eigenen sozialdemokratischen Publikationen, entnehme ich dem Internet –,
es gibt auch sehr gut Vorstöße von Bundesministerin Heinisch-Hosek, aber sie
bleiben Lippenbekenntnisse, sie bleiben auf dem Papier oder auf Plakaten und
finden sich in der realen Politik nicht wieder.
Wir helfen
Ihnen heute wieder ein bisschen dabei. Wir stellen einen Ihrer Anträge, dessen
Umsetzung Sie selbst seit Langem fordern, eines Ihrer Themen wieder einmal,
muss ich sagen, zur Abstimmung.
Der erste
Antrag ist auf Einführung eines Papa-Monats. Das wird Ihnen allen jetzt nicht
neu sein, wir haben diesen Antrag schon öfter gestellt. Wir waren auch
zuversichtlich, dass wirklich etwas weitergeht, weil der Papa-Monat auch im
Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP drinnen steht und Sie uns damals, als wir in
Wien schon einmal den Antrag stellen wollten, doch den Papa-Monat im
öffentlichen Dienst in Wien einzuführen, wenn das denn schon ein so gutes
Projekt sei und wirklich ein wichtiges auch zur Vereinbarkeit von Beruf und
Familie, weil Österreich ja im OECD-Schnitt bei der Vereinbarkeit von Beruf und
Familie stark hinterherhinkt, versprochen haben, dass das im Bund jetzt endlich
kommt.
Jetzt haben
wir uns dieses Regierungsprogramm genau angeschaut. Insgesamt stehen in diesem
Regierungsprogramm für den Schwerpunkt der Väterbeteiligung zwei Maßnahmen,
nämlich das einkommensabhängige Kindergeld und der Papa-Monat. Für diese beiden
Bereiche, also sehr große, budgetwirksame Bereiche, stehen insgesamt
lächerliche 24,7 Millionen EUR zur Verfügung.
Meine Damen
und Herren von der Sozialdemokratie und der Volkspartei! Das wird nicht
reichen. Das haben die Grünen
auch bei Vorlage des Regierungsprogramms schon kritisiert. Fairerweise muss man
sagen, es war ein Sternchen bei fast allen diesen Frauenpunkten im
Regierungsprogramm. Sternchen hat geheißen – wir haben ein bisschen böse
gesagt, das heißt, es steht in den Sternen, und so war es auch –, Sternchen hat
Budgetvorbehalt geheißen. Das heißt, man hat eingeräumt, wir würden es zwar
wollen, aber nur, wenn ein Geld da ist.
Jetzt wird langsam immer klarer, dass kein Geld da
ist, denn das einkommensabhängige Kindergeld soll nächstes Jahr in einer
Schmalspurvariante kommen. Das heißt, für den Papa-Monat wird wieder kein Geld da
sein, denn insgesamt würden nach Schätzungen von Experten und Expertinnen
mindestens 60 bis 70 Millionen EUR statt der zur Verfügung gestellten
24 Millionen EUR nötig sein, um beide Maßnahmen auch wirklich
sinnvoll auf den Weg zu bringen.
Gerade
die Gemeinde Wien als einer der größten Dienstgeber, als die größte
Dienstgeberin der Stadt mit rund 75 000 Bediensteten wäre hier gut
beraten, doch eine Vorreiterinnenrolle in der Beschäftigungspolitik und bei der
Vereinbarkeit, wie Sie es ja auch immer fordern, zu spielen, gerade weil auch
der neue Bericht der Wiener Arbeitsgruppe für Gleichbehandlung, der Bericht
2008, hier sehr kritische Worte findet und sagt, dass die Anzahl der Männer in
Elternkarenz bei der Gemeinde Wien 2008 sogar gesunken ist, und zwar von 31
Personen – von 75 000 Bediensteten sind es 31 Männer, die im öffentlichen
Dienst der Gemeinde Elternkarenz in Anspruch genommen haben – auf
19 Personen. Zum Vergleich: Es sind über 1 500 Frauen, die
Elternkarenz
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