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Gemeinderat, 48. Sitzung vom 23.06.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 102

 

Gesamtkonzept, die Vision, wohin es mit der Integrationspolitik in dieser Stadt gehen soll, nach wie vor fehlt.

 

Es gibt zwei Bereiche, über die ich heute kurz sprechen möchte und ich glaube, hier kann man das sehr, sehr einprägsam mitverfolgen, wie es sich entwickelt und was die Auswirkungen eines Gesamtkonzepts am Ende sind.

 

Der erste Bereich ist der Bereich Jugendpolitik und Schule. Wir wissen, dass in Wien Tausende von Kinder geboren werden und aufwachsen, deren Eltern eine andere Sprache sprechen als Deutsch, um es neutral zu formulieren. Viele dieser Kinder haben die österreichische Staatsbürgerschaft, viele haben sie nicht. Am Ende haben sie alle eines gemeinsam: Im Schnitt leben und wachsen sie bis zum ihrem 5., 6. Lebensjahr in einem Haushalt auf, in dem nicht Deutsch gesprochen wird, und müssen dann eingeschult werden. Das heißt natürlich für das Schulwesen auch eine Vielzahl von Problemen, mit denen man fertig werden muss und auf die wir nach wie vor im Schulbereich nicht gerüstet sind. Denn es war ein Fehler im vergangenen Jahrzehnt, gerade hier im Schulbereich Einsparungsmaßnahmen zu treffen. Es sind viele Lehrerinnen und Lehrer in Pension gegangen und ich kann mich noch erinnern, und ich glaube, auch viele von Ihnen werden sich noch erinnern können, als vor einigen Jahren im Dezember praktisch mitten im Schuljahr 700 LehrerInnen auf einmal in Pension gegangen sind und die Kinder teilweise nicht wussten, welcher Lehrer am nächsten Tag in der Früh die Klasse übernehmen wird. Und genau diese Einsparungsmaßnahmen, die es im vergangenen Jahrzehnt gegeben hat, haben vielfach genau jene Kinder getroffen, die Förderung am allerdringendsten benötigt hätten, nämlich diejenigen, die Schwierigkeiten mit Deutsch haben, diejenigen, die einen besonderen Förderbedarf haben, diejenigen, die auf Nachmittagsunterricht angewiesen waren, diejenigen, auf die Sie im Wiener Schulwesen eigentlich den Schwerpunkt legen müssten. Also dieser Teil der Kritik bleibt aufrecht, und das eine kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Die Maßnahme des kostenlosen und verpflichtenden Kindergartenbesuchs ist eine richtige. Endlich, endlich kommt sie. Es wird aber ein paar Jahre dauern, bis wir den Ausbau der Kindergartenplätze so erreicht haben, dass wir mit Sicherheit davon ausgehen können, dass alle Wiener Kinder den Kindergarten auch tatsächlich besuchen. Ein Jahr Kindergarten reicht bei Weitem nicht aus, um das Sprachniveau zu erreichen, das erforderlich wäre, um zum Zeitpunkt der Einschulung keinerlei Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache zu haben, zwei oder drei wären da schon der bessere Weg. Das heißt, bis wir erreicht haben, dass diese Maßnahme so greift, wie sie es eigentlich tun müsste, werden schon noch einige Jährchen vergehen. Und in diesen Jährchen werden noch ein paar Jahrgänge eingeschult werden, die in einem hochselektiven Schulsystem, das die Kinder relativ rasch aussiebt, wenn sie Schwierigkeiten haben, eigentlich einen ziemlich klar vorgezeichneten Weg vor sich haben, nämlich statt Sprachschwierigkeiten gleich zu Beginn mangelnde Förderung, irgendwann einmal Schluss mit der Volksschule, bestenfalls Hauptschule, wenn möglich überhaupt Hauptschulabschluss, dann vielleicht Lehre, vielleicht auch nicht und viele von ihnen enden aber leider irgendwann einmal im Park ohne nichts und Sie wissen es und wir wissen es, dass es so ist. Wir wissen alle, dass ein Teil der Schwierigkeiten, mit denen wir derzeit konfrontiert sind, mit Aggressionshandlungen im Park, mit Konflikten, mit Gewalttaten, mit denen viele Jugendliche wiederum konfrontiert sind, sehr wohl etwas mit einer verfehlten Politik zu tun haben, die einfach verabsäumt hat, etwas sehr, sehr Einfaches meiner Meinung nach zu erkennen, etwas sehr einfach Nachvollziehbares: Wenn Kinder in dieser Stadt geboren werden, wenn sie in dieser Stadt aufwachsen, wenn sie in Wahrheit kein anderes Zuhause und keine andere Heimat kennen und haben als Wien, dann ist es unsere Aufgabe, alles zu unternehmen, schon von der Pike weg, Kindergarten, Kinderbetreuung, Kindergarten, Schulsystem, um diesen Kindern ein Zuhause zu geben und eine Zukunft zu geben, und diese Kinder zu leidenschaftlichen, überzeugten Wienerinnen und Wienern zu machen.

 

Und Sie wissen und ich weiß, dass ein solcher Entwicklungsweg sehr wohl etwas als Voraussetzung hat: Das Gefühl, in Wien dazuzugehören, das Gefühl, willkommen geheißen zu werden, das Gefühl, unterstützt und gefördert zu werden, ja, jene Möglichkeiten, wenn man so möchte, ins kleine Gepäck mit eingepackt zu bekommen, die es braucht, um genau denselben Weg zu machen wie die Kinder aus Familien, wie wir sie zum Beispiel alle haben, die von zu Hause optimale Förderung erhalten und die alle Möglichkeiten und alle Wege und alle Türen vor ihren Füßen offen haben.

 

Das, meine Damen und Herren, ist nur ein Beispiel, was Integrationspolitik in dieser Stadt ist, was es heißt, nicht nur, dass es Querschnittsmaterie ist, sondern dass es ja sogar etwas ist, wo es von vielen, vielen Bereichen der Stadtpolitik massive Anstrengungen braucht, um hier Besserungen zu erzielen und um hier an Hand eines Gesamtkonzepts etwas schlussendlich erreichen zu können, das auch messbar ist und worauf wir auch alle stolz sein können. In diesem Zusammenhang gilt der Vorwurf der Versäumnisse der letzten Jahre und wenn ich mir die Debatte anschaue, wie wir sie in den letzten zwei Tagen geführt haben, weil das die letzte Gruppe in der Rechnungsabschlussdebatte ist, so muss ich feststellen, einmal mehr auch in diesem Jahr ist es nicht so gewesen, dass wir von jenem richtungsweisenden Wurf in der Integrationspolitik sprechen können, der benötigt wird. Jenen richtungsweisenden Wurf, der in den Schulen benötigt wird, wo wir anstatt zu sparen viel, viel, viel mehr investieren müssten, insbesondere in Personal für Fördermaßnahmen, insbesondere auch in Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Muttersprache der Kinder und selbstverständlich auch im Erwerb und in der Verfeinerung der Beherrschung der deutschen Sprache und auch in Investitionen in soziales Lernen, in Schulsozialarbeit, in Schulpsychologie, in all das, was ein modernes Schulsystem zum Teil ausmacht,

 

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