Gemeinderat,
48. Sitzung vom 23.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 85 von 102
Meinung und
keine Haltung gibt, wie denn nun diese Gleichstellung zu bewerkstelligen sei.
Ich weiß nicht, wie es momentan bei der Wiener ÖVP aussieht, aber wir können ja
dann vielleicht sehen, wie Sie zu unserem Antrag stehen. Aber es ist wirklich
nicht mehr zur ertragen: Seit 20 Jahren fordern Lesben- und
Schwulenorganisationen die Gleichstellung.
Seit
20 Jahren blockiert die ÖVP und es geht so unendlich viel Zeit verloren
für die viel wichtigeren Dinge, die übrigens noch anstehen, zum Beispiel in der
Jugendarbeit, die uns die SPÖ verbieten will, um zum Beispiel die Krisen, die
junge Menschen in ihrer Coming-out Phase haben, zu bewältigen, in den Schulen
aufzuklären, gezielte Kommunikation mit MigrantInnen zu machen et cetera. Ich
bitte Sie von der ÖVP jetzt wirklich eindringlich, endlich für eine klare
Gleichstellung einzutreten! Ich bitte die ÖVP, endlich dafür zu sorgen, dass
dieses Thema vom Tisch ist! Sie haben überhaupt nichts zu verlieren, es wird
keine heterosexuelle Ehe weniger geschlossen, es wird kein Kind weniger geboren,
es werden nur die Rechte von zwei Menschen und im Übrigen die Pflichten, die
wir ohnedies schon haben, gleichgestellt. Es ist wirklich dringend an der Zeit!
Ich freue mich
sehr, dass es mir heute gelungen ist, mit der Wiener SPÖ einen gemeinsamen
Antrag zu formulieren, der das auch Richtung Bundesregierung von diesem Haus
aus signalisiert. Ich halte das für enorm wichtig und ich halte das auch für
einen Meilenstein in der österreichischen Geschichte der Gleichstellung. Wir
ersuchen gemeinsam die Bundesregierung, mittelfristig die Ehe auch für
gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen und beim Lebenspartnerschaftsgesetz, das
uns für dieses Jahr noch versprochen worden ist, eine Generalklausel
einzuführen, der die absolute Gleichstellung von lesbischen und schwulen
Lebensgemeinschaften mit der Ehe bewerkstelligen würde. Diesen Antrag bringe
ich gemeinsam mit meiner Kollegin Maria Vassilakou, mit dem Kollegen Dr Kurt
Stürzenbecher und mit der Kollegin Nurten Yilmaz ein.
Warum ist
diese Generalklausel so wichtig? Es versteht ja nicht jeder, was das heißt. Was
heißt schon Generalklausel? Das muss ich jetzt kurz erklären. Die
Generalklausel ist eine Klausel im Lebenspartnerschaftsgesetz, die prinzipiell
festlegt, dass gleichgeschlechtliche LebenspartnerInnenschaften mit der Ehe
gleichgestellt sind, egal, wo sie im Gesetz vorkommen. Dann kann man noch die
Ausnahmen, wenn man so will, formulieren. Vermutlich wollen Sie sie zum
Beispiel beim Adoptionsrecht, ich nicht. Was derzeit geplant wird, ist eine
unglaublich komplizierte Geschichte. Die Frau Justizministerin Bandion-Ortner
will ein Lebenspartnerschaftsgesetz, das genauso dick und umfangreich ist wie
das Eherecht. Das Eherecht ist ohnehin sehr dringend zu reformieren. Auch dort
gibt es viele Kritikpunkte, aber darauf will ich jetzt gar nicht im Detail
eingehen.
Was Sie
wollen, ist, dass jedes einzelne Gesetz, das es gibt, durchforstet werden muss,
ob man gleichstellt oder nicht, dass sich jedes Ressort hunderte Gesetze
anschauen und sich überlegen muss, ob man gleichstellen will oder nicht. Wo es
dann nicht gleichgestellt wird, müssen Lesben, Schwule und Transgender dann vor
Gericht gehen und das einklagen. Dieselbe Justizministerin beklagt sich
allerdings so oft über Personalmangel im Justizbereich und macht mit diesem
Gesetz, das muss man sagen, Tür und Tor auf, dass solche Klagen zuhauf
vorgetragen werden müssen, weil so viel ungeklärt ist. Vielleicht können Sie
sich einmal ans Herz fassen und überlegen, was die einfachste Variante für uns
alle wäre, sowohl für die Politik als auch für Sie, als auch für die
Justizbeamtinnen und -beamten, als auch für die Lesben und Schwulen in dieser
Republik, nämlich die Gleichstellung mit Generalklausel.
Eine weitere
Sache, die vor allem in diesen Bereich hineinfällt, ist das so genannte
Antidiskriminierungsgesetz. Ich sage deswegen „so genanntes
Antidiskriminierungsgesetz", weil im Bundesrecht gibt es im Unterschied zu
Wien erfreulicherweise kein Antidiskriminierungsgesetz, sondern es wurde ins
Gleichbehandlungsgesetz verpackt und dort werden verschiedene
Diskriminierungsgründe unterschiedlich behandelt und unterschiedlich geschützt.
Die Hierarchisierung wurde sowohl vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten
Nationen kritisiert als auch bereits von mehreren NGOs.
Ich möchte ein
Beispiel nennen, warum das so wichtig ist, dass der Schutz gleich ist, im
Übrigen nicht nur im Antidiskriminierungsgesetz, sondern auch im
Verhetzungsparagraphen. Zum Beispiel wird Anfang Juli ein jamaikanischer
Dancehall Artist in Wien auftreten, der in seinen Liedern, in den so genannten
„Battyman-Tunes", wie das heißt, singt und fordert, jeder Schwule soll mit
einer Kugel erschossen werden! Der kann hier auftreten, man kann Karten kaufen,
kann hineingehen und kann sich das Konzert anhören. Hätten wir den Schutz im
Verhetzungsparagraphen, wäre das nicht möglich. Ich halte es für nicht
erträglich, dass solche Künstler und Künstlerinnen in dieser Stadt auftreten
und zum Mord an Lesben und Schwulen auffordern! Das gehört sofort abgestellt! (Beifall bei den GRÜNEN.) Daher stelle
ich den Beschluss- und Resolutionsantrag:
„Der Wiener
Gemeinderat fordert die Bundesregierung auf, die Hierarchisierung von
Diskriminierungsgründen, zum Beispiel im Gleichbehandlungsgesetz und § 283
Strafgesetzbuch zu beseitigen und alle Opfer von Diskriminierung und Hetze
gleich zu schützen."
Ich danke für
die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzender
GR Godwin Schuster: Als
Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Ulm. Ich erteile es ihm.
GR Dr Wolfgang
Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Sehr verehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich
stelle fest, dass eine Unsitte in diesem Haus einreißt, nämlich die Reihenfolge
der Rednerliste ständig zu verändern, sich streichen zu lassen, um später
dranzukommen und dann auf den Vorredner replizieren zu können. Das können im
Prinzip natürlich alle machen, nur wird das dann ein bisschen problematisch
sein, weil
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular