Gemeinderat,
49. Sitzung vom 24.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 89
viele antisemitische Äußerungen gemacht hat, können
Sie sich vorstellen, dass man die Gelder, die man durch den Moskau-Ball in Wien
einnimmt, beispielsweise Menschenrechtsorganisationen in Moskau zugute kommen
lassen würde, zum Beispiel Lesben-Schwulen-NGOs? (Heiterkeit bei GR Mag
Wolfgang Jung.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister!
Bgm
Dr Michael Häupl: Also ich
stehe zweifelsfrei dem Kollegen Luschkow nicht unkritisch gegenüber, aber wenn
man eine Gesamtbeurteilung jetzt auf dieses Themenfeld oder sagen wir einmal,
auf ökonomische Strukturen legt und ähnliche Dinge in einer
postplanwirtschaftlichen Gesellschaft außer Acht lässt, so sind mir von ihm
keine antisemitischen Äußerungen bekannt. Hingegen zum Beispiel wie er sich
über Tschetschenen äußert, das würde ich so niemals sagen, auch wenn man ein
bisschen Verständnis dafür haben muss, wenn Kaufhäuser in die Luft gejagt
werden und Menschen durch tschetschenische Bomben umgebracht werden, Kinder
etwa durch einen Bombenanschlag auf ein Konzert, auf ein Rockkonzert, ermordet
werden, dann kann ich mir vorstellen, dass selbst ein erfahrener Mann wie
Luschkow einer bestimmten Stimmung, die in der Stadt da ist, auch nachgibt. Das
sollte nicht sein und soll auch damit nicht entschuldigt werden, ist aber
zumindest bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, denn ich war am Tag nach
diesem Bombenattentat auf das Rockkonzert, wo acht Kinder, 16- bis 18-Jährige,
ums Leben gekommen sind, in Moskau. Also die Stimmung, die dort vor dem
Hintergrund dieses Anschlags geherrscht hat, die will ich da jetzt lieber nicht
im Detail auch entsprechend verbreiten.
Was seine Äußerungen zu Fragen der Homosexualität
betrifft, die teile ich gar nicht und finde auch kein Argument dafür, ich will
es auch in keiner Weise finden. Also ich sehe das durchaus auch sehr, sehr
differenziert.
Die Charity-Zweckbestimmung legen weder Luschkow noch
ich fest, sondern es handelt sich hier um eine Organisation, die auch in ihren
Statuten stehen hat, dass diese Gelder Sozialprojekten zugemittelt werden.
Inwiefern oder wenn das in die statutarischen Bestimmungen dieser Organisation
hineinpasst, dann okay, aber wie gesagt, das entscheiden weder Luschkow noch ich,
weder die Moskauer Stadtverwaltung noch die Wiener Stadtverwaltung. Es sind
übrigens 120 000 EUR, die da so zusammengekommen sind und die in
Sozialprojekte in Moskau respektive in Wien gesteckt werden.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke, Herr Bürgermeister, für die Beantwortung!
Bgm
Dr Michael Häupl Aber Sie haben auch recht.
Hauptsache uns zwei interessiert es, weil unser Selbstbewusstsein ist so hoch. (Heiterkeit
bei SPÖ und GRÜNEN. – GR Dr Herbert Madejski: Ich glaube, es interessiert aber
nur einen!)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die Fragestunde ist damit beendet.
Wir
kommen nun zur Aktuellen Stunde.
Der
Grüne Klub im Rathaus hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Stiefkind Fahrrad
– Strategie für den Radverkehr in Wien“ verlangt. Das Verlangen wurde gemäß
§ 39 Abs 2 der Geschäftsordnung ordnungsgemäß beantragt.
Ich
bitte den Erstredner, Herrn GR Mag Chorherr, die Aktuelle Stunde zu
eröffnen, wobei ich bemerke, dass seine Redezeit mit zehn Minuten begrenzt ist.
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im
Rathaus): Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Meine Damen und Herren!
Ich habe schon öfter
einmal verlangt oder mir gewünscht, dass zu diesem wunderbaren Verkehrsmittel
Fahrrad von unserem Bürgermeister oder vom Verkehrsstadtrat einmal eine Grundsatzrede
gehalten wird. Da ich ein netter Mensch bin, habe ich mir gedacht: Was würde
denn ich tun und jetzt maße ich mir nicht an zu sagen als Bürgermeister, aber
möglicherweise als Verkehrsstadtrat, wie würde denn ich so eine Rede
formulieren? Und vielleicht kann das jemand dem Herrn Schicker ausrichten. Zum
Beispiel so:
Hohes Haus! Meine Damen
und Herren!
Lassen Sie mir im
Fahrradverkehr grundlegende Überlegungen angedeihen. Das Fahrrad ist das zentrale
urbane Verkehrsmittel gemeinsam mit jenem Verkehrsmittel, das auf zwei Beinen
steht. Wenn ich mich grundsätzlich zum Radverkehr äußere, dann möchte ich mit
einem Dank an die Radfahrerinnen und Radfahrer beginnen, die den Straßenraum
beleben, die Luft rein halten und die auch die öffentlichen Verkehrsmittel in
Spitzenzeiten entlasten. Sie sind gemeinsam mit den Fußgängerinnen und
Fußgängern das urbane Verkehrsmittel und sie beleben den wichtigsten Raum der
Stadt, das ist die Straße. Das Außen des Hauses ist das Innen der Stadt. Die
Straße ist dort, wo sich die Qualität der Stadt manifestiert und hier findet
Kultur statt. Radkultur belebt die Stadt wie wenig anderes. Darum auch diese
Grundsatzrede.
Ich möchte über eine neue
Kultur sprechen und eine hohe Latte legen. Als Wiener Stadtrat steht es mir an,
in andere Städte zu schauen. Wenn wir nach Amsterdam, Berlin oder Paris sehen,
erkennen wir, dass dem Fahrrad ein vollkommen anderer Stellenwert eingeräumt
wird, dass da umfassende Förderungen aller Verkehrsverantwortlichen
hineinfließen. 10, 15, 20, ja gar 25, 35 Prozent Radverkehrsanteil sind in
diesen Städten möglich. Sie sehen, meine Damen und Herren, hier haben wir viel
zu tun. Und hier auch mein Appell an Sie, unabhängig davon, welcher Fraktion
Sie angehören und unabhängig davon, welches Verkehrsmittel Sie nutzen: Fördern
Sie das Fahrrad und kurzfristig: Welche Benchmark müssen wir uns legen?
Es gibt
für den Radverkehr ein historisches Datum in Wien, das ist der Juni 2003. Wenn
Sie sich recht erinnern, gab es damals die Prognose, dass der Verkehr an diesem
Tag zusammenbrechen würde, denn an diesem Tag streikten gleichzeitig ÖBB und
Wiener Linien. Alle haben mit dem Verkehrschaos gerechnet. Niemand hat mit den
Radfahrerinnen und Radfahrern gerechnet. Bis heute ist dieser Tag unerreichte
Spitze bei der
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