Gemeinderat,
49. Sitzung vom 24.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 89
Radnutzung und der
Fußgehernutzung in Wien! Ich kenne Spitzenbeamte dieses Hauses, die mit
Begeisterung auch noch heute erzählen, wie toll es war, aus dem 22. Bezirk
zu Fuß ins Rathaus zu gehen. (Heiterkeit
bei den GRen Mag Wolfgang Gerstl und Dr Wolfgang Ulm.) Sie sehen, die Stadt Wien ist kreativ im Umgang mit neuen
Verkehrssituationen. An dieser Benchmark sollten wir uns orientieren.
Ein kurzes Wort zur
Sicherheit und warum mir aus Sicherheitsgründen der Radverkehr so wichtig ist.
Erst wenn auf der Straße, dort wo sie hingehören, ganz viele Radfahrer
unterwegs sind und sich alle Autofahrer endlich daran gewöhnen, dass der
Radfahrer der Hauptverkehrsteilnehmer auf der Straße ist, wird die Sicherheit
so steigen, wie sich viele das wünschen.
Keine Frage, Politik heißt
auch Konflikte, Politik heißt, Prioritäten zu setzen. Lassen Sie mich ganz klar
sagen: Im Konflikt Fußgänger gegen Radfahrer kann es nur eine Priorität geben
und die heißt Priorität für Fußgänger, Fußgängerinnen. Radfahrer haben auf
Gehwegen nichts verloren und deswegen ein Grundprinzip einer
zukunftsorientierten Verkehrspolitik Radwege: Radfahranlagen auf der Straße
prinzipiell zu Lasten des Autoverkehrs und nicht zu Lasten der Fußgänger.
Zweiter Konflikt und auch
hier eine klare Priorität: Radfahrer oder parkende Autos.
Meine Damen und Herren! Es
wird Sie wenig überraschen, dass hier die eindeutige Priorität den Radfahrern
gehört. Parkende Autos sind eine Privatangelegenheit. Jeder soll dort parken,
wo er einen Parkplatz findet. Das ist keine prioritäre städtische
Angelegenheit. Radfahrverkehr gehört jedoch gefördert. Wenn es also um die
Frage geht, eine großzügige Radfahranlage oder einen Parkplatz, dann hat der
Parkplatz daran zu glauben, da führt kein Weg daran vorbei.
Ein Nächstes, Einfaches
ist, und das Charmante am Radverkehr ist, dass es viele von Ihnen nicht viel
kostet, flächendeckend alle Einbahnen in Wien zu öffnen. Das ist eine
Selbstverständlichkeit. Einbahnen entspringen dem automobilisierten Denken.
Dort, wo Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind, gibt es keine Einbahnen oder
sind Ihnen Ampeln oder Einbahnen aus Venedig bekannt? Nur dort, wo sich jemand
einbildet, sich in eine Tonne Stahl einzuhüllen, bedarf es derartiger Maßnahmen
und eines Kommunikationssystems wie Ampeln und Blinker, die eher an Insekten
als an Menschen erinnern.
Ganz kurz einige weitere Schwerpunkte, die
selbstverständlich gegeben sein müssen: Umfassend Stellplätze. Ich kündige
hiermit eine grundsätzliche Umorientierung der Stellplatzpolitik der Stadt an.
Privatstellplätze für Autos sind Privatangelegenheit und sind, und hier bin ich
ein hemmungsloser Anhänger des freien Marktes, eben diesen zu überantworten.
Wenn die Nachfrage nach Garagenplätzen entsprechend hoch ist, werden sich
findige Unternehmer finden, die auch Garagen bauen. Wenn sie leer sind, bleiben
sie leer und es werden keine gebaut werden. So funktioniert Marktwirtschaft.
Der Staat hat dort einzuschreiten, wo es um öffentliche Interessen geht. Es
besteht ein maßgebliches öffentliches Interesse am öffentlichen Raum,
Stellplätze zu errichten, und dafür ist Platz zu schaffen.
Meine Damen und Herren, machen Sie sich darauf
gefasst, wenn Sie einmal in Amsterdam waren, können Sie abschätzen, wie viele
Stellplätze in den nächsten wenigen Jahren in Wien errichtet werden. Sie gehen
in die Hunderttausende und Sie werden an dem nicht vorbeikommen. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Es geht aber nicht nur um organisatorische Maßnahmen,
es geht auch um Großprojekte. Wie Sie wissen, sind Großprojekte etwas, das
Interessen bündelt und dann werden Konflikte sichtbar. Wir brauchen einige
Großprojekte. Ich möchte hier nur zwei anführen. Sie kennen die Zufahrt zum
Nordbahnhof. Was schwebt mir dort vor? Die Brigittenauer Hauptallee. Die Prater
Hauptallee ist eine der schönsten, großzügigsten Räume für Menschen in der
Stadt, Fußgänger, Skater, Liebespaare und auch Radfahrerinnen und Radfahrer.
Mitten durch den 20. Bezirk gibt es eine großzügige Bahntrasse, die demnächst
nicht mehr benutzt werden wird. Dort soll es die Brigittenauer Hauptallee
geben, die sozusagen tangential quer durch einen neuen Stadtteil entsprechend
für RadfahrerInnen, SkaterInnen und FußgängerInnen offen ist. Ja, das kostet
Geld und das ist auch gut so.
Ein zweites Projekt, das Ihnen auch schon bekannt
ist, werden wir zügig umsetzen: Die Umverteilung des Raums auf der Ringstraße.
Warum gehören Fußgänger und Radfahrer an den Rand gedrängt, während zentral in
der Mitte einige Unbelehrbare glauben, drei Spuren beanspruchen zu müssen? Als
ersten Schritt und ich warne Sie, meine Damen und Herren, nur als ersten
Schritt wird eine Spur für RadfahrerInnen geöffnet. Aber seien Sie sicher, es
wird bei dieser einen Spur nicht bleiben, es werden weitere dazukommen und es
ist wie beim Nichtrauchen. Die, die früher geraucht haben und jetzt glücklich
sind, dass es Lokale gibt, in denen nicht mehr geraucht wird, weil dann ihre
Kleider nicht mehr stinken, werden sich bei uns bedanken, dass ihnen der Raum
zurückgegeben wird, und viele RadfahrerInnen, die früher einmal AutofahrerInnen
waren, werden glücklich sein, dass man ihnen diesen Raum eröffnet hat, dass
dort etwa Neues passiert.
Drei kulturelle Vorschläge zum Abschluss. Wie Sie
wissen, bin ich ein großer Freund des Films. Ich meine, wir unterschätzen den
Wert und die Auswirkungen von Filmen, von Unterhaltungsfilmen im
Hauptabendprogramm für die Meinungsbildung. Da möchte ich in aller Transparenz
ein großzügiges Budget ankündigen, das ich entweder dem ORF oder anderen
Filminstitutionen zur Verfügung stellen werde, um eine Hauptabendserie mit
anzuregen, in dem das Rad Fahren in der Stadt eine Hauptbeteiligung bekommt.
Selbstverständlich werden wir sonst auf den Inhalt nicht Einfluss nehmen. Das
ist nicht unsere Aufgabe, aber es geht nicht nur darum. Stellen Sie sich vor,
meine Damen und Herren, der Kommissar im „Tatort“, der in Österreich auch
gedreht wird, kommt nicht immer mit dem Auto, sondern gelegentlich mit dem
Fahrrad, vor allem, wenn er schnell wo sein muss und nicht im Stau stecken
bleibt.
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