Gemeinderat,
49. Sitzung vom 24.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 87 von 89
dass es so lange gedauert hat.
Am besten wäre gewesen, man hätte den Antrag der
GRÜNEN im Februar angenommen. Am 23. Februar haben wir hier einen Antrag
gestellt, nicht auf 25 000 EUR, sondern auf 60 000 EUR. Das
ist sich damals in dem Haus leider nicht ausgegangen, und jetzt ist das übrig
geblieben.
Aber ich bin froh, dass in der Folge der
„Standard" unter anderem auch immer wieder über diese Ausstellung
berichtet hat. Auch wenn es noch im Februar geheißen hat: „Die NS-Schau wartet
auf Geld" - und ich muss zugeben, es ist nicht die Stadt Wien allein
gewesen, die sich lang hingehängt hat, es war ein bisschen ein Pingpongspiel
zwischen den zuständigen Bundesstellen -, ist jetzt doch die Ausstellung
beziehungsweise sind die Ausstellungsmacher und -macherinnen so weit. Sie haben
über 100 000 EUR zusammengebracht.
Es wird eine erfolgreiche Ausstellung werden, und ja,
sie wird auch für Wirbel sorgen. Das nehmen die AusstellungsmacherInnen nicht
nur in Kauf, sondern so ist es in der Republik. Es ist auch notwendig, dass
über diese Themen geredet wird. Es gibt kein Ende der Geschichte. Es gibt kein
Heute ohne Gestern, es gibt kein Morgen ohne Heute, und das ist notwendig.
Ich sage Ihnen, warum es notwendig ist. Es beweist
jede einzelne Rede, nein, nicht jede einzelne, manchmal geht es um etwas
anderes, aber sehr viele Reden von Seiten der FPÖ da heraußen, warum wir diese Ausstellung
brauchen und warum wir noch sehr lange darüber reden werden. Sie allein, Herr
Jung, sind ein lebender Beweis, warum es die Ausstellung braucht. Ich glaube
nicht, dass wir die Ausstellung so dringend brauchen wie Sie, aber solange
diese Position von Ihnen, Herr Jung, und auch von anderen Leuten geteilt wird,
solange werden wir die Ausstellung brauchen und solange werden wir auch die
Geschichte aufarbeiten. Das kann leider noch länger dauern. (GR Mag Wolfgang
Jung: Das wollen die GRÜNEN ...!)
Aber der 1. September ist für diese Stadt ein
erfolgreicher Tag. Die Erinnerung „70 Jahre Ausbruch des Zweiten
Weltkriegs" ist natürlich kein schöner Tag, den werden Sie vielleicht
irgendwo anders feiern. (GR Mag Wolfgang Jung: Also jetzt bremsen Sie sich
ein bisschen ein, Herr Kollege! Bremsen Sie sich ein!) Wir freuen uns am
1. September auf diese Ausstellung. Ich hoffe, dass ich viele Leute von
Ihnen dort treffen werde. - Danke. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster am Wort ist Herr GR Dr Troch. Ich
erteile es ihm.
GR Dr Harald Troch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Lassen Sie mich kurz ein paar Worte zu meinem grünen
Vorredner sagen. Wenn man hier kritisiert, dass die Ausstellung nicht ganz so
groß ist, wie sie sein könnte, dann sagt das einmal nichts über die Qualität
der Ausstellung aus. Sie argumentieren ja auf der Ebene der Quantität und so,
als ob man sagen wollte, eine Drei-Stunden-Rede ist besser als eine 15-minütige
Rede. Das stimmt überhaupt nicht.
In der geschichtlichen Darstellung geht es darum,
manche Dinge auf den Punkt zu bringen und konzentriert eine Aussage zu treffen.
Daher kann man gerade bei einer Ausstellung überhaupt nicht Quantität über
Qualität stellen. Für mich ist es ein ausgesprochen kleinkarierter
Kantönligeist, der hier aus Ihrer Definition spricht. (StR David Ellensohn:
Was war denn ...?) Damit kann ich mich einfach nicht identifizieren. (GR
Mag Johann Gudenus, MAIS: ... kleinkariert vor allem!)
Gehen wir nun einmal zur Sachlage und zum
eigentlichen Thema, das Thema ist ernst genug. Wovon sprechen wir überhaupt?
Wir sprechen hier von zirka 35 000 Todesurteilen, die die NS-Justiz im
Zeitraum ihres schrecklichen Wirkens verhängt hat. Das heißt, diese 35 000
Todesurteile nur der NS-Militärjustiz sind ein Phänomen der massenhaften
Grausamkeit, ein Phänomen des massenhaften Abschlachtens, vor allem von jungen
Männern. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Es stellt sich hier die Frage, bei dieser Anzahl von
Hinrichtungen, von Todesurteilen - und viele davon sind ja tatsächlich
vollstreckt worden -: Hat diese Militärjustiz wirklich bis zur letzten Sekunde
gewerkt? Ja und nein. Ja, denn bis zur letzten Sekunde, bis zum letzten
Kriegstag am 8. Mai 1945, wurden die Todesurteile vollstreckt; und
nein, denn die Militärjustiz der Nationalsozialisten hat darüber hinaus
gewirkt. Auch ein Beispiel aus Norwegen: Selbst am 9. Mai, einen Tag nach
der Kapitulation Nazi-Deutschlands, sind noch Todesurteile vollstreckt worden.
Daran sieht man einfach auch in ihrer unmittelbaren Konsequenz, wie hier
brutalst vorgegangen wurde.
Das grausame Phänomen der NS-Militärjustiz versteht
man aber sicher nur dann, wenn man sich den Charakter des Weltkrieges von 1939
bis 1945 anschaut. Es ist der Charakter eines grausamen Aggressionskrieges
gegen die Nachbarvölker und gegen die eigene deutsche Bevölkerung, und dieser
Krieg hat auch den Charakter eines Weltanschauungskrieges, der mit höchstem
Fanatismus geführt wurde. Dieser Fanatismus hat auch die entsprechenden
NS-Justizkreise, auch beim Militär, erfasst. Gegen Kriegsende haben ja die
Hinrichtungen dramatisch zugenommen, das kann man sich alles statistisch
anschauen. Man sieht, wie das Militär viele Soldaten einfach nur mehr mit dem
Zuchtmeister der Todesstrafe bei der Stange, das heißt, bei der Waffe, halten
konnte.
Das heißt, es ist wertvoll und notwendig, dass es
hier zu einer wissenschaftlichen Ausstellung kommt. Ich bin da ganz bei Werner
Schwab, der sagt: „Alles, was wir geschichtlich nicht genau aufarbeiten, das
kommt politisch vulgär zurück in unserer Geschichte, in unserer Entwicklung.“
Daher gibt es gar keine Alternative, und ich bin sehr froh, dass diese
Ausstellung mit September nach Wien kommt. Es ist eine demokratische Aufgabe,
hier aufzuklären, und dieser Aufgabe stellen wir uns, stellt sich die Stadt
Wien.
Ich möchte aber auch Bezug nehmen
auf einige Ihrer Äußerungen, Herr Kollege Jung. Was Sie hier geäußert
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