Gemeinderat,
51. Sitzung vom 24.09.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 83
20 Minuten vor. Zur Begründung des Verlangens erteile ich Frau
GRin Dr Pilz das Wort.
GRin Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im Rathaus):
Danke, Herr Vorsitzender!
Lassen sie mich als Erstes meiner Bestürzung darüber Ausdruck
verleihen, dass die Regierungsbank der SPÖ leer ist. Weder der Herr
Bürgermeister, an den dieser Antrag gerichtet ist, noch die zuständigen
Stadträtinnen für Gesundheit und Frauenfragen sind anwesend. Offensichtlich ...
(Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster (unterbrechend):
Aber sie sind im Saal! (Die Amtsf
StRinnen Mag Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger führen im Bereich der
hinteren Bankreihen ein Gespräch.)
GRin Dr Sigrid Pilz (fortsetzend): Dann würde ich
sie bitten herzukommen und sich die Sache anzuhören (Rufe bei der SPÖ: Na
geh? – Also, Entschuldigung! – GRin Anica Matzka-Dojder: Was soll das?! – GR
Karlheinz Hora: Über das Thema haben wir schon diskutiert!), denn es geht
um eine wichtige Sache, die auch den SPÖ-Stadträtinnen wichtig sein sollte. (Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.) - Bitte, sei so nett und horch dir an, worum es
geht! (Rufe bei der SPÖ: Wir hören eh zu!)
Das Thema ist wichtig genug, und das ist heute die Nagelprobe für Sie
von der SPÖ, wie Sie reagieren auf klare und einsichtige und vor allem gut
argumentierte politisch wichtige Forderungen der GRÜNEN. Es ist eine
Nagelprobe, die zeigen wird, ob Sie es bei Lippenbekenntnissen belassen, was
den Schutz und die Unterstützung der Frauen betrifft, oder ob Sie Ernst machen
und in Wien eine Politik machen, die für die Frauen Sicherheit und Würde
bedeutet. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Die
Debatte, die in den letzten Wochen vom Zaun gebrochen wurde, weil es etliche
gesellschaftliche Kräfte in Österreich nicht akzeptieren können, dass man
würdigt, dass eine Institution wie pro:woman am Fleischmarkt seit
30 Jahren wichtige und gute und unentbehrliche Leistungen für die Frauen
in diesem Land und nicht nur in dieser Stadt erbringt; dass eine derartige
Feierlichkeit den Anlass gibt, dass viele, von denen wir meinen, dass sie
endlich hätten verstehen müssen, wie die Dinge in Österreich liegen, sich nun
ermutigt fühlen, alte Debatten wieder aufzuwärmen - das ist der wahre Skandal!
Da geht es nicht nur um die militanten Abtreibungsgegner und
-gegnerinnen – von denen wird heute auch noch ausführlich die Rede sein, ebenso
wie davon, wie man gegen diese die nötigen Schritte einleiten kann -, sondern
es geht mir jetzt in meinem Redebeitrag um das gesellschaftliche Klima, das
seit Neuestem wieder Dinge zur Debatte stellt, die wir vor mehr als 30 Jahren
außer Streit gestellt haben. Und da ist jetzt die SPÖ, die Stadtregierung,
gefordert, Farbe zu bekennen.
Kardinal Schönborn hat aus Anlass dieser Debatte „30 Jahre
pro:woman" Herrn Bgm Häupl einen Brief geschrieben, und in diesem Brief -
er hat ihn ja veröffentlicht - hat er seine Haltung verdeutlicht: Abtreibung
sei keine Lösung, es gehe um die Tötung menschlichen Lebens. Und er hat an den
Herrn Bürgermeister die Forderung gerichtet, einen Runden Tisch für
flankierende Maßnahmen zur Fristenregelung einzurichten.
Der Herr Bürgermeister ist der Forderung nach einem Gespräch
nachgekommen, und dann haben eben zwei Herren im Alter von Großvätern darüber
gesprochen, was für Frauen im gebärfähigen Alter gut und richtig ist. (GR
Karlheinz Hora: Also, das ist eine ...! – GR Franz Ekkamp: Sehr tief!)
Herr Kardinal Schönborn ist in seiner Forderung klar, und ich kann
verstehen, dass die katholische Kirche in dieser Frage eine Position hat. Etwas
völlig anderes ist es, was der Herr Bürgermeister für diese Stadt
sicherzustellen hat. Und die flankierenden Maßnahmen, die gefordert sind, die
könnten wir dem Herrn Bürgermeister sehr gerne verdeutlichen. Ich hoffe, dass
der Herr Bürgermeister - er hat nicht veröffentlicht, was das Ergebnis des
Gesprächs mit dem Herrn Kardinal war - den Herrn Kardinal erinnert hat, dass im
April 2008 der Europarat eine Resolution verabschiedet hat, in der die 47
Mitgliedstaaten eine Empfehlung abgegeben haben mit dem Ziel, den Frauen einen
besseren Zugang zur Abtreibung zu ermöglichen, die Abtreibung zu
entkriminalisieren, Aufklärung zu ermöglichen und Prävention anzubieten. Es
geht - und da war der Europarat klar - um den barrierefreien Zugang zum
Schwangerschaftsabbruch.
Ich hoffe, der Herr Bürgermeister hat dem Herrn Kardinal gesagt, was er
sich unter flankierenden Maßnahmen vorstellt: Dass diese Dinge, diese
Resolution des Europarates auch in Österreich aktiv umgesetzt werden.
Und ich hoffe, der Herr Bürgermeister hat mit den flankierenden
Maßnahmen, um die es hier geht, gemeint, mit den modernen Märchen aufzuhören,
den modernen Märchen, die von den Abtreibungsgegnern und -gegnerinnen, und
nicht nur von den militanten, in die Welt gesetzt werden und die da sind: Es
gebe ein Post-Abortion-Syndrom, also eine Depression, eine Krankheit der
Frauen, die, geplagt von Schuldgefühlen, in psychische Erkrankung kippen
würden, weil sie abgetrieben haben.
Diese pseudowissenschaftlichen Studien, die politisch motiviert sind,
sind längst entlarvt als das, was sie sind: als wissenschaftlicher Unfug. Und
wenn das auch - und der Herr Kardinal hat so argumentiert - von der
katholischen Kirche verwendet wird, dann hoffe ich, dass der Herr Bürgermeister
die Dinge hier klargestellt hat.
Und ich hoffe, dass der Herr Bürgermeister auch deutlich gemacht hat,
dass die Zahlen, die aus politisch durchsichtigen Motiven verwendet werden,
wonach nämlich die Zahl der jungen Mädchen, die Abtreibungen vornehmen, steigt,
ebenfalls zu widerlegen sind. Die Zahlen bleiben seit Jahren konstant. Und das
Problem des Schwangerschaftsabbruchs ist sehr häufig auch das Problem von
Frauen, die ihre Kinder, die sie wollten, bereits geboren haben und die mit
einer Familienplanung im Sinne von weiteren Kindern bereits abgeschlossen
haben.
Und der Herr Bürgermeister hat hoffentlich dem Herrn
Kardinal gesagt, dass unter flankierenden
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