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Gemeinderat, 51. Sitzung vom 24.09.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 78 von 83

 

Wisst ihr eigentlich, habe ich so in die Runde gefragt, dass in Westeuropa Österreich das einzige Land ist, in dem es Verhütungsmittel nicht auf Krankenschein gibt? Und es war wirklich in der Internet-Community gerade ein großes Staunen. Das wussten erstaunlich wenige. Überall gibt es das, überall.

 

Der Zugang zu Verhütungsmitteln ist auch eine soziale Frage. Je niedriger die Schwelle ist, gerade für Jugendliche, umso weniger Schwangerschaftsabbrüche hätten wir auch. Ohnedies das, was Sie wollen in Wahrheit, ohnedies das, was die ÖVP will.

 

Daher stelle ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen Pilz und Jerusalem diesen Antrag, dass die zuständige Stadträtin Wehsely sich bei der Bundesregierung dafür einsetzt, dass es in Zukunft möglich sein wird, dass gesetzlich sozialversicherte und mitversicherte Personen Verhütungsmittel auf Krankenschein erhalten. Wir werden die sofortige Abstimmung verlangen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Was das übrigens auf der medizinischen Ebene bedeutet, wenn Verhütungsmittel auf Krankenschein zu haben sind, was es auch an Information bedeutet, darauf möchte ich jetzt nicht genauer eingehen, dazu fehlt mir die Zeit. Aber wenn ich so Stichworte wie sexual übertragbare Krankheiten nenne, sollte es eigentlich klar sein, worum es auch in dieser Richtung geht. Was es auch für die Schulen bedeutet, darauf wird auch meine Kollegin Jerusalem noch näher eingehen.

 

Der zweite Antrag, den ich stelle, ist von meiner Kollegin Monika Vana begründet worden, und ich möchte der FPÖ, weil da in Ihrer Wortmeldung auch die Rede davon war, schon auch sagen, es ist ein großer Unterschied, ob ein Schwangerschaftsabbruch die Ausnahme von etwas Verbotenem ist oder ob der Schwangerschaftsabbruch einfach klar geregelt und erlaubt ist. Das ist im Prinzip ein riesengroßer Unterschied, auch von der Wahrnehmung dessen, was passiert und Frauen in ihrer Entscheidung hilft, ohne dass sie das Gefühl haben, das sei vielleicht gerade noch was Geduldetes, das dann in einer privaten und manchmal auch teuren Klinik über die Bühne gehen muss und wo sie dann auf dem Weg dorthin auch noch von irgendwelchen Fundamentalisten terrorisiert werden. Hier muss der Gesetzgeber klar sagen, es ist in Ordnung. Deswegen stelle ich auch gemeinsam mit meinen Kolleginnen Sigrid Pilz und Susanne Jerusalem den Antrag zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches:

 

„Der Wiener Gemeinderat ersucht die Bundesregierung, eine Novelle des Strafgesetzbuches vorzulegen, mit der der Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetz genommen wird. Die gesetzlichen Regelungen für den Schwangerschaftsabbruch sollen dahin gehend geändert werden, dass ein Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der Fristenregelung grundsätzlich erlaubt ist und nicht nur als Ausnahme für die Straflosigkeit definiert wird. Verbots- und Strafbestimmungen sollen ausschließlich für Missachtungen der Bedingungen des legalen Schwangerschaftsabbruches gesetzlich verankert werden.

 

Wir beantragen die sofortige Abstimmung dieses Antrages.“ (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir sagen – das hört man sehr oft –, die Fristenregelung wäre ein Grundkonsens der Republik, dann bin ich mir in der letzten Zeit nicht mehr so sicher, ob wir diesen Konsens noch haben. Ich möchte aber auch betonen, dass die GRÜNEN diese Diskussion nicht scheuen.

 

Im Übrigen geht es uns auch nicht darum, irgendwelche Demonstrationen zu verbieten. Wenn Menschen gegen die Fristenregelung sind, dann sollen sie bitte dort demonstrieren, wo sie demonstrieren können, dort, wo diese Gesetze gemacht werden, vor dem Parlament und, ja, unseretwegen auch vor dem Rathaus. Dieses Recht sollte in einer Demokratie ermöglicht sein, und das hält eine Demokratie auch aus. Wir haben deswegen ja auch Gegendemonstrationen gemacht. Das gehört zur demokratischen Kultur und zur demokratischen Debatte dazu.

 

Wenn allerdings Psychoterror, psychische Gewalt ausgeübt wird, kann man nicht mehr von Demonstrationen sprechen. Das ist nicht mehr Demonstration. Gewalt ist Gewalt, und Gewalt soll auch als das geahndet werden, was sie ist, nämlich ein Verbrechen. – Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste am Wort ist Frau GRin Ludwig-Faymann. Ich erteile es ihr.

 

GRin Martina Ludwig-Faymann (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Auch wenn ich jetzt in weiten Teilen mit meinem Vorredner, vor allem im gesellschaftspolitischen Bereich, übereinstimme, möchte und kann ich es nicht stehenlassen, was Ihre Kollegin, die Frau Pilz, hier am Anfang unserer Debatte gesagt hat. Denn, Frau Kollegin Pilz, zu Ihrer Wortmeldung, die anfangs von einer gewissen Überheblichkeit gezeichnet war: Wer war es denn, der sich heuer Anfang September hingestellt hat auf die Straße, aber nicht nur auf die Straße, sondern auch medial diesen – unter Anführungszeichen – Kampf aufgenommen hat? Wer war das? Das waren die SPÖ-Frauen in erster Linie an der Spitze, es war die Frauenministerin, es war die Frauenstadträtin, die sich hingestellt haben (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den GRÜNEN), aber nicht nur heuer im September, sondern auch vor 35 Jahren. (StRin Dr Monika Vana: Ihr habt doch eine Gegenveranstaltung gemacht!) Auch damals waren es sozialdemokratische Frauen, aber auch Männer, die die Fristenregelung im Parlament durchgesetzt haben, die dafür gekämpft haben. (Weiterer empörter Zwischenruf von StRin Dr Monika Vana.) Das war nicht einfach, aber es waren SozialdemokratInnen, die das damals auch erkämpft haben. Und sich heute hier herzustellen und immer von Lippenbekenntnissen zu sprechen, also ganz ehrlich, das hat auch mich etwas erbost und emotional geladen. Denn es war vor 35 Jahren und auch davor ein harter Kampf, es ist in den Jahren danach immer wieder auch ein Kampf gewesen (GRin Dr Sigrid Pilz: Auch heute noch!), und es ist auch

 

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