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Gemeinderat, 51. Sitzung vom 24.09.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 81 von 83

 

damit zu tun, ob irgendwas von dem, was der Mensch sagt, auch ankommt bei den Jugendlichen. Das heißt, wenn man den Sexualkundeunterricht verbessern will, dann muss man alles daransetzen, dass er die Jugendlichen erreicht und dass sie spätestens mit 12 Jahren wissen, wie ihr eigener Körper funktioniert, wie die Verhütung funktioniert und wozu man sie anwendet, denn sonst wird die Katastrophe immer eine gleichbleibend große sein.

 

Das ist der eine Grund für meinen Antrag, aber vor allem – und das ist jetzt ein Zwischensatz, den ich einflechte zu einem Kapitel, das wir zu einem anderen Zeitpunkt auch noch behandeln müssen: Was geschieht eigentlich mit diesen ganzen Anträgen, die die Jugendlichen im Rahmen des Schülerparlaments da beschließen? Die reden stundenlang, engagiert, teilweise viel besser als da im Gemeinderat (GR Mag Thomas Reindl: Nehmen Sie sich gleich selbst als Beispiel!), verfassen Anträge, beschließen Anträge, und dann kommt, glaube ich, die große Schublade – und tschüss! Also auch da sind wir aufgefordert, etwas zu verändern. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich möchte – ich möchte es ja nicht unnötig ausdehnen – Ihnen nur ein paar Daten und Fakten zur Kenntnis bringen, die ja einige sicher schon in- und auswendig kennen, viele sind ja Fachleute, andere haben es vielleicht nicht gehört. Daher ein paar Daten und Fakten, im Besonderen immer für die ÖVP, die ich ja da mitnehmen will auf meinen Antrag, vielleicht im Speziellen die ÖVP-Frauen. Sie können es sich ja noch überlegen.

 

Das „erste Mal" erleben Mädchen in Wien mit 15 Jahren, rund 27 Prozent machen ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit 14. Das heißt, alles, was in der 8. Schulstufe gesprochen wird, ist schon zu spät. Man kann da auch sprechen, man kann später sprechen, man muss aber vor allem auch schon früher sprechen, und zwar in der geeigneten Art und Weise.

 

Denn dass das nicht in der geeigneten Art und Weise geschieht, sagt uns gleich die zweite Zahl, nämlich 68 Prozent der Mädchen verhüten beim ersten Mal nicht. Da muss irgendwo die Mär umgehen, dass man beim ersten Mal nicht schwanger wird, oder was weiß ich, was da ist. Es kommt aber noch besser, denn 50 Prozent verhüten auch danach nicht oder nur unregelmäßig, so unter dem Motto, es wird schon nichts passieren.

 

Die Informationsquelle Nummer 1 bei den Mädchen ist das Fernsehen. Viele Mädchen haben Angst vor ungewollter Schwangerschaft. Nachvollziehbar.

 

Laut Aussage der Wiener Gesundheitsbeauftragten Dr Wimmer-Puchinger nimmt die Zahl der HIV-Infektionen zu. – Gehört, meine lieben Frauen von der ÖVP? (Ironische Heiterkeit bei den GRÜNEN.)

 

40 Prozent der österreichischen Burschen haben ihre Informationen über Sexualität aus Pornos.

 

Jährlich kommen in Wien 800 Babys zur Welt, deren Mütter zwischen 15 und 19 Jahre alt sind. Europaweit liegt Wien damit an dritter Stelle. Man muss dazusagen, dass in England alles noch ganz viel schlimmer ist diesbezüglich, aber das soll uns nicht daran hindern, einen Schritt zu machen in die nächste richtige Richtung.

 

Österreichweit gibt es 3 000 jugendliche Schwangere. Lag der Anteil – jetzt kommt es, extra für die ÖVP habe ich etwas gefunden – der 14- bis 19-jährigen Klientinnen des Ambulatoriums pro:woman im Jahr 2003 bei 1 Prozent, so stieg dieser auf 3 Prozent im Jahr 2004, auf 8 Prozent im Jahr 2006 und auf 11 Prozent im Jahr 2007 an. Ich denke, dass das für jeden und jede, der/die hier sitzt, eine blanke Katastrophe ist. Das soll nicht sein, und das darf nicht sein!

 

Meine Damen und Herren! Ich denke daher, dass wir uns gemeinsam auf diesen Antrag durchaus einigen können sollten, der da schlicht und einfach den zuständigen Stadtrat Christian Oxonitsch auffordert, ihn bittet, ihn ersucht, in Gespräche einzutreten mit der Unterrichtsministerin, um einen neuen Sexkoffer für die Jugendlichen zu schaffen. Da braucht es etwas! Diese Verbesserung brauchen wir.

 

Ich führe jetzt nur eine Punktuation von Kriterien auf. Da kann was dazukommen, das kann noch verbessert werden, wer weiß, ist mir alles eingefallen, keine Ahnung, ich zähle es jetzt einmal nur auf:

 

Erstens: eine Modernisierung der Unterrichtsmethoden. Auch eine Trennung von Buben und Mädchen wird ganz stark auch von den Schülerinnen und Schülern gefordert.

 

Der zweite Punkt: Es soll externe ausgebildete Fachleute geben, die mit den Jugendlichen sprechen. Nicht jeder hat jetzt die große Lust, selbst wenn viele Fragen brennend sind, mit der Biologielehrerin oder dem Biologielehrer oder sonst einem Lehrer über seine Sexualität zu sprechen. Also externe Fachleute sind ganz, ganz wichtig.

 

Dritter Punkt – und man höre und staune, auch die ÖVP-Jugendlichen haben dem zugestimmt; da kann ich mich gut erinnern, es war eine lebhafte Diskussion –: Es soll eine gleichberechtigte Sexualität vermittelt werden, auch weitergedacht für alle Orientierungen, inklusive Homosexualität, Bisexualität und alles, was es so gibt. Auch die ÖVP war da wirklich mit dabei. Sie können diesen Antrag unterstützen. Da steht nichts drinnen, was irgendwie schrecklich ist.

 

Weitere Punkte: geschlechtssensibles Aufklärungsangebot, das auf soziale und kulturelle Unterschiede achtet; Vermittlung eines lustvollen Bildes von Sexualität – das ist ein ganz wichtiger Punkt –; Aufklärung über Schwangerschaftsverhütung und Abtreibung; HIV-Prävention; Vermittlung aller Möglichkeiten der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft inklusive der Pille danach; Aufklärung über alle Möglichkeiten nach der Geburt wie zum Beispiel Babynest, Adoption, Beratungsstellen, Wohnheime, Schulen für junge Mütter; Sexualkunde in geeigneter Form ab dem Kindergarten, so wie in den Niederlanden, und keine Sexualkunde im Religionsunterricht, weil das offensichtlich nicht ganz das Zielführende ist.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde jetzt diesen Antrag gleich ohne Turnübungen abgeben und bitte Sie um eine wirklich sehr, sehr breite

 

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