Gemeinderat,
53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 122
Wir erhöhen nämlich damit das verfügbare Haushaltseinkommen der Wiener
Familien und schaffen höheres Kaufkraftniveau – ich darf Sie daran
erinnern, dass der Binnenkonsum einer der wichtigsten Punkte ist, warum Wien
sich im Wirtschaftsabschwung noch relativ gut hält –, und wir erzielen mit
dieser Investition gleichzeitig richtige Beschäftigungseffekte.
Wien nimmt im Bereich der Kinderbetreuung im Jahr 2010
483,33 Millionen EUR in die Hand, das ist ein Anstieg gegenüber dem
Vorjahr von 24,1 Prozent. Auf den Gratiskindergarten entfallen allein mehr als
100 Millionen EUR für zusätzliche Betreuungsplätze und Personalaufstockungen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Bleiben wir beim Thema
Mittelstandsförderung. Der Gratiskindergarten ist ein gelungener Beweis dafür,
dass wir hier in Wien die Interessen der so genannten Leistungserbringer des
Mittelstandes vertreten. Und ich frage Sie: Wer sind denn wirklich die
Leistungsträger in einer Gesellschaft? Jene, die selbst arbeiten, oder
diejenigen, die ihr Geld für sich arbeiten lassen? – Ich sage:
Selbstverständlich Erstere, und diese müssen von uns unterstützt werden! (Beifall
bei der SPÖ.)
Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Studie des WIFO
über die Verteilungswirkung des österreichischen Steuer- und Sozialsystems
hinweisen: Die Studie belegt, dass die Sozialleistungen bei jenen ankommen, die
sie wirklich brauchen, und dass Sozialtransfers von eminenter Bedeutung sind,
um die Ungleichheit in der Verteilung der Markteinkommen zu korrigieren.
Laut Studie bezahlen die Österreicher – unabhängig vom
Einkommen – nahezu einheitliche Steuern und Sozialabgaben, nämlich rund 40
Prozent des Einkommens. Die Umverteilung von höheren zu niedrigeren Einkommen
erfolgt demnach vor allem über die Sozialausgaben der öffentlichen Hand. Am
progressivsten wirken die klassischen Sozialausgaben wie Sozial- und
Notstandshilfe, Wohnbeihilfe und Arbeitslosengeld.
In Zahlen bedeutet das: Das untere Drittel erhält 14 Prozent des
Bruttomarkteinkommens; das ist die so genannte Primärverteilung. Das mittlere
Drittel erhält 29 und das oberste Drittel erhält 57 Prozent. Nach dem Eingriff
des Staates durch Umverteilung mittels Transferleistungen verschiebt sich das
Verhältnis von 23 zu knapp über 30 und immer noch für das oberste Drittel 46,6
Prozent. Oder anders ausgedrückt: Das untere Drittel der Haushalte erhält fast
die Hälfte aller Sozialleistungen, das mittlere Einkommensdrittel bekommt ein
Drittel und das oberste Drittel immer noch ein Viertel der Sozialleistungen.
Die derzeitigen sozialstaatlichen Leistungen kommen also bei den richtigen,
nämlich bei den einkommensschwächeren Gruppen an und kommen diesen zugute. (Beifall
bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Gäbe es keine Pensionen und
Sozialleistungen, würde die Armutsgefährdung in Österreich anstatt bei 13
Prozent – was schlimm genug ist! – bei 43 Prozent liegen. Hier
gegenzusteuern, liegt in unser aller Interesse. Sozialer Zusammenhalt ist generell
für eine Gesellschaft wichtig und dient allen. – Es ist also mehr als
unangebracht, im Zusammenhang mit sozialen Transferleistungen von einer
„sozialen Hängematte“ zu sprechen!
Ebenso entbehrlich ist auch die Diskussion um ein Transferkonto, das ja
impliziert, dass Sozialleistungen eben nicht beim richtigen Empfänger ankommen.
Außerdem würden damit sozial schwache Menschen kontrolliert und ihre Not
dokumentiert werden, was wiederum nur einer Neiddebatte dienen würde.
Handlungsbedarf gibt es in einem ganz anderen Bereich, nämlich im Sinne
einer wirklich konkreten Mittelstandsförderung und einer Förderung der
Leistungsträger bei der Entlastung des Faktors Arbeit. Die Leistungsträger des
Mittelstandes werden wirklich unterstützt, wenn der Faktor Arbeit entlastet und
die Besteuerung des Faktors Kapital dem internationalen Niveau angeglichen
werden. Damit erreichen wir die Entlastung jener Menschen, die jeden Tag hart
arbeiten, und nehmen wir im Gegenzug jene stärker in Pflicht, die nur ihr Geld
für sich arbeiten lassen.
Wir brauchen daher kein Transferkonto und keine Überbürokratisierung,
sondern wir brauchen die Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer
sowie einer Vermögenszuwachssteuer! (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr verehrte Damen und Herren! Wien ist und bleibt die
Sozialhauptstadt Österreichs. Wir schauen darauf, dass die Sozialleistung bei
den Richtigen ankommen, nämlich bei denen, die es wirklich brauchen. Wir helfen
Menschen in Notsituationen: Wenn man ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht,
geben wir ihnen die Chance, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Hier steht die
soziale Absicherung im Vordergrund. Aber vergessen wir nicht, dass das auch
eine wichtige wirtschaftspolitische Maßnahme ist, denn gerade jene Menschen
geben jeden Cent, den sie bekommen, aus, investieren also in die Wirtschaft.
Deswegen erhöhen wir die Ausgaben für Soziales in diesem schwierigen
Jahr auf 1,14 Milliarden EUR. Die Ausgaben für den Fonds Soziales Wien sowie
für die allgemeine Sozialhilfe und nicht zuletzt für das Landespflegegeld
steigen. Damit können wir schon sehr gut bewährte Kooperationen mit privaten
Partnern ausweiten und können jetzt schon viele Wiener und Wienerinnen
bestmöglich betreuen.
Auch im Gesundheitsbereich bleibt die Versorgung mit Spitzenmedizin und
optimaler Pflege für Wiener und Wienerinnen unabhängig vom Einkommen unser
zentrales politisches Anliegen. Hier investieren wir sehr viel Geld. Mit der
Budgetkennzahl von nunmehr 1,672 Milliarden erreichen wir ein hohes Niveau,
obwohl – und auf diese Änderung möchte ich Sie aufmerksam machen –
laut einer Empfehlung des Rechnungshofes die Summe von über 150 Millionen, die
von der Gesundheitsagentur über den Wiener Gesundheitsfonds ausgegeben wird, in
dieser Zahl nicht mehr enthalten ist.
Mit diesem Geld verbessern wir die Versorgung der
Wiener und Wienerinnen. Dazu gehören das Krankenhaus Nord in Floridsdorf, die
Fortsetzung der Geriatriereform, die neuen Wohn- und Pflegeeinrichtungen. Das
ist
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