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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 13 von 122

 

Gesellschaft zu hoffen. Das ist nämlich falsch verstandene Solidarität, meine Damen und Herren von der SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Vassilakou. Ich erteile es ihr.

 

GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Werte Damen und Herren!

 

Uns allen sind die Konjunkturprognosen und auch die Budgetzahlen bekannt, und niemand – soweit ich es weiß, wirklich niemand – meint, es sei jetzt die Zeit des Sparens. Ganz im Gegenteil! Meines Wissens meinen alle, es sei jetzt die Zeit des Investierens. Folglich habe ich zwar Ihre Brandrede und Ihr Bekenntnis zu Investitionen genossen, muss ich sagen, aber ich habe ehrlicherweise nicht so genau verstanden, wozu, denn dieses Publikum, so wie es hier sitzt, muss nicht von der Notwendigkeit des Investierens überzeugt werden. Das Thema heute ist ja nicht, ob es Sinn macht, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise in die Wiener Wirtschaft zu investieren, sondern vielmehr, wie wir investieren sollten. Was sind die Prioritäten, wo sollten wir das tun, welche Ziele sollten wir uns dabei setzen? Darüber gibt es ja die Meinungsverschiedenheit, und darauf möchte ich auch in meiner Rede eingehen.

 

Also Fakt ist, meine Damen und Herren, dass wir in diesem Winter mit Rekordarbeitslosigkeit rechnen müssen und dass sich die Lage am Arbeitsmarkt zunächst auch nicht entspannen wird, wenn man den Prognosen Glauben schenkt.

 

Fakt ist auch, dass sich die Armut in Wien innerhalb dieses Jahrzehnts mehr als verdoppelt hat und Tausende von Kindern in bitterer Armut aufwachsen, und das in einer der reichsten Städte der Welt. Aktuell sind wir meines Wissens die drittreichste Stadt weltweit.

 

Und Fakt ist auch, dass die mittleren Einkommen sehr, sehr stark unter Druck geraten und zunehmend unter noch mehr Druck geraten werden in den nächsten ein bis zwei Jahren mindestens. Das deshalb, weil entweder meistens einer von zwei in einer Partnerschaft von Arbeitslosigkeit, von Kurzarbeit oder von einem Rückgang der Aufträge betroffen ist, gleichzeitig aber auch, weil die Teuerung munter weitergeht. Und das in einer Zeit, in der an sich die Inflation am geringsten ausfällt.

 

Wenn Sie meine These nicht glauben, dass die Teuerung munter weitergeht, möchte ich hier nur ein einziges Beispiel bringen, aktuelle Daten aus der Arbeiterkammer: Die Mieten sind vergangenes Jahr um 6 Prozent gestiegen. Lassen Sie sich das wirklich auf der Zunge zergehen! Plus 6 Prozent Kosten bei den Mieten, während wir in Wahrheit eigentlich überhaupt keine oder kaum noch Teuerung haben dürften, wenn man sich, wie gesagt, die Inflationsentwicklung anschaut.

 

Und das ist bei Weitem nicht alles. Gas und Strom sind teurer geworden – sie sind zwar in der Zwischenzeit wiederum etwas günstiger geworden, aber immer noch in Summe teurer –, die Gebühren sind saftig erhöht worden in den letzten Jahren. Allein das Wohnen bereitet in sehr, sehr vielen jungen Familien in Wien wirklich ganz, ganz große Schwierigkeiten. Und hier sehe ich auch nicht, welche Konzepte wir haben, die wirklich wirksam eingreifen. Denn zu sagen, ja, es gibt Neubautätigkeit, wir möchten in den nächsten Jahren unsere Anstrengungen erhöhen im Bereich der Genossenschaftswohnungen, wahrscheinlich und hoffentlich auch wieder bei den Gemeindewohnungen, reicht bei Weitem nicht aus, um dieser Situation Herr zu werden.

 

Ich möchte noch ein paar Probleme aufzählen, nur so zur Erinnerung. Sie haben die Klimasituation mit keinem Wort erwähnt in Ihrer Rede, es sei denn, ich habe diesen Punkt verpasst, und doch wissen wir seit ein paar Wochen – ich glaube, das war vergangene oder vorvergangene Woche, wo das bekannt wurde –, dass Österreich Klimaschlusslicht ist innerhalb der Union, dass wir weit, weit, weit davon entfernt sind, jene Verpflichtungen zu erfüllen, die wir hier eingegangen sind, und als vielleicht einziges europäisches Land unsere Verpflichtungen nicht erfüllen. Wenn man sich die Situation jetzt in Wien anschaut, so stellt man fest, dass wir in Wien leicht besser abschneiden im Ländervergleich, aber auch in Wien sind wir weit davon entfernt, jenen Klimazielen nahezukommen, die sich Österreich und die Europäische Union bereits vor Jahren gegeben haben.

 

Also, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, meine Damen und Herren, was tun wir, was haben wir vor innerhalb der nächsten Jahre und insbesondere auch innerhalb des nächsten Jahres, mit dem wir nachweisen möchten, dass unsere Anstrengungen in Sachen Klimaschutz tatsächlich ernst gemeint und auch erfolgversprechend sind?

 

Ebenfalls ein Thema, das die Wienerinnen und Wiener beschäftigt, ist das Verkehrschaos, das Verkehrschaos, das uns jeden Tag und in den kommenden Jahren verstärkt blüht, sowohl auf der Südautobahn als auch auf der Südosttangente zu einer Zeit, in der zwar Tausende von Menschen jeden Tag in der Früh mit dem Auto nach Wien hereinpendeln und jeden Abend wieder hinausfahren, die ÖBB aber den Weg wählt, Züge einzusparen und Intervalle zu verlängern anstatt zu verkürzen.

 

Last but not least: Unsere Schulen stagnieren, meine Damen und Herren, und sie stagnieren leider auf niedrigstem Niveau, denn auch hier hat es alarmierende Daten beim PISA-Test gegeben im internationalen Vergleich. Doch auch auf diesem Gebiet hat es in den letzten Jahren weder nennenswerte Anstrengungen gegeben noch schlussendlich auch Zahlen, die uns bestärken würden in der Erkenntnis, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

 

Das heißt, wenn wir investieren müssen, Frau Stadträtin – und da gebe ich Ihnen vollkommen recht –, ist wirklich die Frage, die sich hier stellt: Wo sind jene Bereiche und vor allem, wo sind die Perspektiven, die wir uns geben müssen bei diesen Investitionen?

 

Ich möchte mit einer zentralen Perspektive beginnen, die der Stadt fehlt, weil nämlich die Ambition fehlt, und das halte ich für einen Fehler. Ja, wir können Klimahauptstadt Europas werden, wenn wir uns das zum Ziel

 

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