Gemeinderat,
53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 122
Ja, wir haben alle – eigentlich alle von der Opposition – jahrelang
dafür gekämpft, dass der Kindergarten kostenlos wird in Wien, und es ist
endlich auch umgesetzt worden und es ist ein guter Weg, es ist eine richtige
und sinnvolle Maßnahme. Ich glaube, wir brauchen sie auch von hier aus nicht zu
verteidigen, weil wir es alle so wollten und folglich auch niemand in Frage
stellt, ob es ein kluger Weg war für die Stadt oder nicht.
Nur, es reicht bei Weitem nicht aus, meine Damen und Herren. Ja, es ist
ein erster Schritt, um sicherzustellen, dass wirklich jedes Kind in Wien den
Kindergarten besucht – mindestens ein Jahr lang, besser wären zwei, vielleicht
sogar drei – und dort die Möglichkeit erhält, rechtzeitig und auf eine
natürliche Art und Weise so gut Deutsch zu lernen, dass es zum Zeitpunkt der
Einschulung keine Schwierigkeiten hat, dem Unterricht zu folgen.
Das kann aber auch nicht alles gewesen sein in einer Stadt wie Wien. Wie
gehen wir mit den Muttersprachen dieser Kinder um? Wollen wir, können wir, sind
wir willig, sind wir imstande, auch da zu investieren? Haben wir noch immer
nicht begriffen, dass eine Stadt, in der über 40 Sprachen in nennenswerter
Anzahl gesprochen werden, ein immenses wirtschaftliches Potenzial zur Verfügung
hat. Denn es sind nicht irgendwelche Kinder, die diese Sprachen sprechen, meine
Damen und Herren, das sind die Wienerinnen und Wiener von morgen. Wer heute
sechs, sieben, acht Jahre alt ist und eine Wiener Schule besucht, wird in 20
Jahren eine Wienerin, ein Wiener sein, der oder die nicht nur – no na! –
selbstverständlich ausgezeichnet Deutsch spricht, sondern darüber hinaus auf
eine natürliche Art und Weise und in perfekter Beherrschung Russisch, Polnisch,
Griechisch, Türkisch, Serbisch, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das machen
wir dann nicht. Nehmen wir es zur Kenntnis? Betrachten wir es gar als Plage,
wie es die Wiener SPÖ macht? Oder wollen wir Wirtschaftskompetenz beweisen,
wollen wir unter Beweis stellen, dass wir sehen, was das eigentlich für die
Stadt bedeutet, welche Investitionspotenziale da sind sowohl für Kapital aus
dem Ausland, das in dieser Stadt fließen könnte, als auch für jene tausende und
abertausende Wienerinnen und Wiener, die auf selbstverständliche Art und Weise
wirtschaftliche Kontakte in andere Länder knüpfen und zum Wohlstand der Stadt
beitragen könnten?
Hier habe ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie,
sehr wohl einen zentralen Vorwurf zu machen. Sie haben gespart, sie haben in
den Schulen gespart, Sie haben mitgemacht beim Sparmarathon der blau-schwarzen
Bundesregierung zu Beginn dieses Jahrzehnts an den Wiener Schulen, und Sie
tragen schon auch wesentlich Schuld daran, dass wir nach wie vor nicht
ausreichend Personal haben, dass jene Maßnahmen gekürzt worden sind, die wir
genau brauchen, um in den andern Muttersprachen zu fördern, wie sie es auch
tatsächlich optimal brauchen, dass Sie zum Schluss gespart haben auf dem Rücken
aller Wiener Kinder, und Sie tragen schon auch eine weitere Verantwortung dafür
mit, dass wir einmal mehr in den Wiener Schulen PISA-Ergebnisse haben, die für
eine Stadt wie Wien beschämend sind.
Es ist an der Zeit, tatsächlich eine Investitionsoffensive in Bildung
zu machen in Wien, und nicht irgendwo, sondern in den Wiener Schulen. Abgesehen
vom Sanierungspaket, das raschest umgesetzt werden müsste, weil es nach wie vor
so ist, dass Hunderte von Kindern in Wien in Containerklassen unterrichtet
werden, was eigentlich eine Situation ist, die für eine derart reiche,
wohlhabende Stadt haarsträubend ist, braucht es nach wie vor eine Lehrerinnen-
und Lehreroffensive, eine Sprachenoffensive, eine individuelle
Betreuungsoffensive, eine Modernisierungsoffensive in Wiener Schulen. Ich möchte
nicht haben, dass wir immer wieder stolz auf einzelne Projekte zeigen, wo
moderne Unterrichtsmethoden angewandt werden und die es vereinzelt gibt überall
in Wien – in nahezu jedem Bezirk gibt es ein solches Projekt, das entweder
besonders modern ist oder besonders investiert in die Muttersprache der Kinder
–, ich möchte, dass jede Wiener Schule eine Vorzeigeschule ist, dass jede
Wiener Schule eine Pionierschule ist. (Beifall
bei den GRÜNEN.) Dieses
Ziel sollten wir uns geben, und so sollten wir jahrein, jahraus bei dieser
Budgetdebatte auch bewerten und evaluieren können, ob wir diesem Ziel näher
gekommen sind oder nicht.
Ich möchte vielleicht abschließend auf das Thema der anstehenden
Volksbefragung zu sprechen kommen, die uns ja alle beschäftigt in den letzten
Tagen und – davon gehe ich aus – auch weiterhin beschäftigen wird. Zur Klärung:
Die Grünen sind natürlich die
letzte Fraktion, die jemals etwas dagegen haben könnte, das Volk zu fragen, was
es möchte. Sind wir oder sind wir nicht jene Fraktion, die für die Rechte der
Demokratie kämpft in dieser Stadt, solange es uns gibt? Wir sind ja selbst das
Produkt von Bürgerinitiativen, die gekämpft haben für etwas oder gegen
Zwentendorf, gegen das große Kraftwerk in den Donauauen vor vielen, vielen Jahren.
Das ist für uns GRÜNE ein sehr,
sehr hohes Gut, das es einzusetzen oder auszubauen gilt in einer Stadt, die
eine moderne Demokratie leben möchte. Bloß, ich kann nach wie vor nicht
nachvollziehen, welche Fragen hier gestellt werden sollen.
Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie fragen möchten, ob die
U-Bahn 24 Stunden lang, also auch in der Nacht, fahren soll oder nicht. Ich
bitte Sie, meine Damen und Herren, ist es eine Form von kollektiver Amnesie,
die die SPÖ befallen hat? War das nicht vor einem Monat, als die ÖVP meines
Wissens im Rahmen einer Aktuellen Stunde diese Forderung aufgestellt hat, und
wir wiederum gerufen haben, wunderbar, schön, dass ihr das auch wollt, denn wir
wollten es schon seit 1997. Auch die FPÖ hat sich relativ aufgeschlossene der
Idee gegenüber gezeigt, aber die Einzigen, die das nicht wollten, waren die
Sozialdemokraten.
Sinneswandel! Wunderbar! Lasst und das doch machen!
Wer hält uns davon ab? Machen wir das doch! Machen wir das! Ich habe hier einen
Antrag, 24 Stunden, Nachtbetrieb der U-Bahn am Wochenende. Ich bringe ihn
hiermit ein (Beifall bei den GRÜNEN), und wir machen das. Wir
beschließen es, das gibt es, wir müssen
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