Gemeinderat,
53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 122
werden im Saarland so forciert; und das
Beispiel aus dem Bereich der Immigration stammt aus Helsinki. Ich will damit
eines zeigen: Es bedarf keiner werbewirksamen Umfragen, um Ideenlosigkeit zu
überwinden, manchmal würde schon ein kurzer Blick über die Grenzen hinaus
genügen, um von den Besten zu lernen. (Beifall
bei der ÖVP.)
Wenn Ihnen der Blick über die Grenzen zu weit ist, dann machen Sie es
sich einfach und sprechen Sie mit jenen, die heute hier schon so oft
angesprochen wurden: den KMUs, dem Rückgrat der Wiener Wirtschaft! Ich weiß
nicht, Herr Kollege Strobl, mit wessen KMU Sie gesprochen haben, ich weiß
nicht, woher Sie Ihre Umfragedaten nehmen. In Wirklichkeit schaut es in dieser
Stadt ein bisschen anders aus.
Die Zufriedenheit in den kleinen und mittleren Unternehmen in Wien
liegt auf einer Werteskala von 1 bis 10 bei gerade einmal 6 Punkten; das
heißt, Mittelmaß. Das heißt, es ist noch viel zu tun, und es gibt Maßnahmen,
die sofort umgesetzt werden könnten. (GR Heinz Vettermann: Ich bin ja kein Verteidiger der Wiener
Wirtschaftskammer, aber ...!) Ja, genau den spreche ich jetzt an: den
Vertreter der Wirtschaftskammer! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ja, es gibt Maßnahmen, die man jetzt und in der Sekunde umsetzen kann,
ohne Geld in die Hand zu nehmen. Denn es muss nicht immer mehr werden, mehr von
allem. Vielen von uns wäre geholfen, wenn es weniger würde, weniger an
Werbeabgabe zum Beispiel, worunter besonders Klein- und Mittelbetriebe stöhnen
- eine Forderung im Übrigen, deren Einlösung der Bürgermeister schon lange
versprochen hat, die aber noch nie umgesetzt wurde. Sorgen wir endlich für
einen Gebührenstopp! Betreiben wir endlich aktives Standortmarketing!
Das wunderbare Beispiel, wie toll das Standortmarketing in Wien ist,
ist der Speckgürtel, der sich in Niederösterreich um Wien herum entwickelt hat.
Das ist der traurige Beweis dafür, wie wachstumsbereit die Wiener Wirtschaft
ist - und traurig ist es deshalb, weil uns gerade dort Kommunalsteuer, aber vor
allem auch unternehmerisches Denken und Know-how verloren gehen.
Jetzt ganz bemerkenswert ist - und da braucht man nicht viel Geld, um
es umzusetzen -: Neun von zehn Wiener Betrieben wünschen sich
Verwaltungsvereinfachungen, insbesondere bei behördlichen Verfahren! Um Ihnen
nur ein Beispiel zu geben: Wollen Sie in Wien eine Veranstaltung realisieren,
so haben Sie 85 Paragraphen zu beachten. In Rest-Österreich sind es im Schnitt
15 Paragraphen.
Ein Beispiel, das die GRÜNEN vielleicht nicht freuen wird: Ein Großteil
der Wiener Betriebe hat einen Pick aufs Parkpickerl. Dazu die Forderung: das
erste Parkpickerl für ein Unternehmen ohne komplizierte und vor allem nicht
eindeutig nachvollziehbare bürokratische Nachweispflichten zu bekommen! Die
Unternehmer wollen nichts geschenkt; es kann nur nicht sein, dass man in
monatelangen Nachweisverfahren beweisen muss, im Dienste der Wiener Wirtschaft
das Fahrzeug auch wirklich zu benötigen.
Trotz hoher Dichte an Forschungs- und universitären Einrichtungen gibt
es allerdings leider nur sehr wenige Kooperationen zwischen Wiens Unternehmen
und diesen Einrichtungen. Am vergangenen Freitag erst hat Borealis in Linz eine
neue Forschungszentrale eröffnet, 350 Menschen werden dort Arbeit finden. Linz
hat vielleicht nicht so eine hohe Lebensqualität wie Wien, aber Linz bietet
Unternehmen unternehmerfreundliche Standortpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)
Denken wir bei städtebaulichen Neuerschließungen auch die Schaffung von
Produktionsstandorten an! Fokussieren wir bitte nicht nur auf den Wohnbau,
sondern auch auf Gewerbeflächen für Logistik, Forschung und Entwicklung! Da
möchte ich auf das Beispiel Aspern eingehen, das ja in den letzten Tagen durch
die Zeitungen gegeistert ist - auch ein besonderes Schmankerl der
Planungspolitik und der Kostenschätzungsqualität in dieser Stadt! Hier werden
wir uns die prognostizierte Kostenexplosion sehr genau anschauen und im Fall
des Falles nicht davor zurückschrecken, Kontrollamt und Rechnungshof
einzuschalten.
Nun zu einem Punkt, der mir persönlich immer sehr am Herzen gelegen
ist: Wien kann - und das wissen wir alle - den Kostenwettbewerb mit den
Nachbarstaaten nicht gewinnen. Die Lohn- und Lohnnebenkosten speziell in den
östlichen Nachbarländern liegen wesentlich und weit unter denen, die wir hier
in Österreich haben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher in der Qualität.
Deshalb brauchen wir ein klares Bekenntnis zur dualen Ausbildung, zum Meister
als Gütesiegel des Handwerks und zur darüber hinausgehenden
Qualitätszertifizierung im Dienstleistungsbereich.
Die Qualität können wir aber nur dann halten, wenn Sie im
Pflichtschulbereich endlich die Notbremse ziehen. Es kann nicht sein, dass
40 Prozent der Pflichtschulabgänger in Wien Schwierigkeiten mit
sinnerfassendem Lesen haben, Rechnen gerade einmal im Zahlenraum bis zehn
möglich ist und Dividieren schon eine Herausforderung darstellt, die nicht mehr
zu überwinden ist. Es kann und darf nicht sein, dass gerade diese Versäumnisse
im Pflichtschulbereich auch noch von den KMUs, von den kleinen und mittleren
Unternehmen, den Stützen der Wiener Wirtschaft, ausgeglichen werden müssen.
Sie sehen, die Liste ist lang. Es ist allerdings auch nur ein Auszug
der Forderungen. Beweisen Sie Mut, zeigen Sie Lernfähigkeit, und machen Sie
sich an die Arbeit!
Abschließend möchte ich noch eines festhalten: Wien rühmt sich gerne -
und wir haben es heute oft gehört -, die Sozialhauptstadt Österreichs zu sein.
Eines ist aber, glaube ich, uns allen schon klar: An die wirklich Bedürftigen
können wir nur das verteilen, was die Leistungsträger der Gesellschaft auch
erarbeitet haben. - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Das Wort hat Frau GRin Yilmaz.
GRin Nurten Yilmaz
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates):
Sehr
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