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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 122

 

die Menschen bewegt. Sie wünschen sich Nahversorgung, sie wünschen sich wieder einen Greißler ums Eck, eine Bäckerei, ein Gemüsegeschäft, einen Bioladen et cetera.

 

Darauf hört man immer wieder das Argument, dass das nicht mehr funktioniert, dass man sich den Greißler ums Eck nur mehr aufzeichnen kann. In anderen Städten gibt es das aber sehr wohl! In anderen Städten gibt es Maßnahmen, die dazu beitragen, dass das funktioniert.

 

Ich habe mir im vergangenen Jahr mehrere Städte in Deutschland angesehen und werde Ihnen einige Beispiele nennen. Ich kann Ihnen versprechen: Hamburg kommt nicht vor, sondern ich werde über Nürnberg reden. Im Wirtschaftsreferat der Stadt Nürnberg gibt es Stadtteilbeauftragte, die sich zum Beispiel um einen besseren Branchenmix in den Einkaufsstraßen kümmern. Wenn Lokale leer stehen, verhandeln sie mit Hausverwaltungen, sie verhandeln mit Bäckereien oder kleineren Lebensmittelketten, um den Branchenmix dort besser zu steuern.

 

Außerdem gibt es in Nürnberg eine Gründungshilfe in der Koordinationsstelle für migrative Wirtschaft. Dabei handelt es sich um Hilfe und Begleitung für Migranten und Migrantinnen, die kleine Nahversorgungsbetriebe gründen wollen. Zudem gibt es eine Flächenbegrenzung für Einkaufszentren in Nürnberg, weil sich auf Grund einer Studie herausgestellt hat, dass große Einkaufszentren die Nahversorgung zerstören. Auch in der Umgebung von Stuttgart gibt es so etwas. In Wien gibt es so etwas jedoch nicht!

 

Eine weitere Stadt, die ich als Beispiel nennen möchte, ist Tübingen. Dort gibt es einen Stadtteil, der „die Stadt der kurzen Wege“ genannt wird, wo man schon bei der Ausschreibung und Planung der Gestaltung minutiös darauf geachtet hat, dass es dort Nahversorgung gibt und dass diese auch funktioniert. In diesem Stadtteil wohnen und arbeiten Menschen, und sie verbringen auch den Abend in diesem Stadtteil, weil es dort genügend Freizeitangebote, Gastronomie und so weiter gibt.

 

In Wien wird Stadtentwicklung ohne Rücksicht auf Nahversorgung betrieben. Dafür gibt es genügend aktuelle Beispiele, etwa die Aspang-Gründe, das Flugfeld Aspern und so weiter und so fort.

 

Nächstes Beispiel: Dresden. – Dort konnte ich feststellen, dass die früher geplante kleinteilige Nahversorgung in den Stadtteilen, die nicht zerstört wurden, noch immer funktioniert! Im Erdgeschoß gibt es häufig kleinteilige Lokale für Nahversorgung.

 

Nächstes Beispiel: Hannover. – Dort wurde eine neue Wohnsiedlung unter Beteiligung der Anrainer und Anrainerinnen in einem BürgerInnenbeteiligungsprozess inklusive Nahversorgung geplant.

 

Im Moment gibt es in Wien auch ein Projekt für eine neue Wohnsiedlung, und zwar in Floridsdorf an der Gerasdorfer Straße. Ich habe mit AnrainerInnen gesprochen. Sie haben sehr gute Ideen, was man dort machen könnte und wie man dafür sorgen könnte, dass Nahversorgung funktioniert. Warum macht man nicht dort ein BürgerInnenbeteiligungsverfahren, plant Nahversorgung und fragt die Leute, die schon dort wohnen, was sie brauchen? – Anhand dieser Informationen könnte man hochrechnen, was die neuen BewohnerInnen dort brauchen werden!

 

Als letztes Beispiel nenne ich eine französische Stadt. Wir machten kürzlich eine Ausschussreise nach Paris, und wir haben festgestellt, dass es dort eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Nahversorgung gibt: Es gibt eine strikte Flächenbeschränkung für Einkaufszentren in der Stadt. Es gibt für gewisse Bereiche der Stadt ein Vorkaufsrecht der Stadt Paris: Wenn ein Lokal leer steht, kann es die Stadt kaufen und dann weiter vermieten oder auch verkaufen. Es gibt in diesen Stadtteilen auch eine Art Branchenwidmung für Geschäftslokale. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Geschäftslokal, in dem eine Bäckerei war, frei wird, dann muss wieder eine Bäckerei hineinkommen.

 

In all diesen Städten gibt es den politischen Willen, die Nahversorgung zu fördern und auszubauen! In Wien gibt es diesen nicht, oder jedenfalls sehe ich ihn nicht. Die vielen Geschäftsstraßen verlieren an Attraktivität. Ich habe schon vor einem Jahr über die Alserbachstraße, ein ganz krasses Beispiel, berichtet. In dem einen Jahr ist dort nichts geschehen! Aber neue Einkaufszentren werden am laufenden Band ermöglicht: Wien-Mitte, Hauptbahnhof oder Komet-Gründe. Diese Zentren ziehen dann Kaufkraft von den Nahversorgungsstraßen und von den Märkten ab, funktionieren aber oft ganz schlecht, wie etwa das Beispiel Stadion-Center zeigt. Ich habe mir das mehrmals angeschaut: Es funktioniert nicht, und trotzdem hat es negative Auswirkungen auf die Taborstraße und die Praterstraße.

 

Daher brauchen wir ganz dringend ein Konjunkturpaket zur Förderung der Nahversorgung. Ich werde dazu einen Antrag stellen, damit genügend Budget verankert wird, um vor allem die folgenden geforderten Maßnahmen umsetzen zu können:

 

Die Ausweitung des rot-grünen Projektes „Lebendige Straßen" auf zehn weitere problematische Geschäftsstraßen von Wien, Erstellung von Nahversorgungskonzepten für Stadtentwicklungsgebiete, etwa für das Flugfeld Aspern und alle, die noch kommen; das habe ich ohnedies schon erwähnt. Weiters geht es um die Förderung von Gründungs- und Ansiedlungsinitiativen für kleine Nahversorgungsbetriebe aller Art - in unserem Verständnis bezieht sich Nahversorgung nicht nur auf Lebensmittel, sondern auf viel mehr, inklusive Dienstleistungen und soziale Einrichtungen - Schaffung von Infrastruktur für BürgerInnenbeteiligungsverfahren, die auch mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden und die dazu beitragen können, dass die Nahversorgung gut geplant werden kann. Eine Abteilung für Nahversorgungsmanagement ähnlich wie in Nürnberg soll sich darum kümmern, dass Geschäftsstraßen nicht verkümmern und dass der Branchenmix besser gesteuert werden kann. Auch eine gezielte Anmietung von leer stehenden Geschäftslokalen dient dazu, den Branchenmix zu steuern. Weiters sollen die Wirksamkeit und Durchführbarkeit einer Leerstandsabgabe für Eigentümer und

 

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