Gemeinderat, 4. Sitzung vom 26.01.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 81
ein Schritt in die richtige Richtung.
Das Wiener Modell der Neuen Mittelschule zeichnet sich dadurch aus, dass es in besonderer Weise auf die Wiener Bedürfnisse Rücksicht nimmt. Uns ist es gelungen, innerhalb dieser 21 Standorte 7 AHS-Standorte zu gewinnen. Das bedeutet, dass wir wirklich versucht haben, nicht nur eine verbesserte Hauptschule im Bewusstsein der Wienerinnen und Wiener zu verankern, sondern tatsächlich eine gemeinsame Schule. Das ist auch deshalb wichtig, weil es – anders als die ÖVP es will – noch immer möglich ist, dass sich AHS-Standorte zu diesem Schulversuch bekennen. Die ÖVP intendiert ja an sich, hauptsächlich die Hauptschulen aufzutunen. Das ist gut, weil die Leistungsgruppen wegkommen, eine innere Differenzierung stattfindet und außerdem ein AHS-Zeugnis gegeben werden kann.
Für Wien hat das natürlich den Nachteil, dass wir, strukturell gesehen, 50 Prozent AHS und 50 Prozent Hauptschulen haben. So hat zum Beispiel mein eigener Bezirk Josefstadt drei AHS und eine ehemalige Hauptschule, jetzt KMS. Das heißt, wenn man hier etwas bewegen will, kommt man nicht darum herum, auch in der AHS Veränderungen durchzuführen, weil man sonst nicht alle SchülerInnen, sondern nicht einmal die Mehrheit der SchülerInnen in Wien erreichen kann.
Das heißt, in Österreich, wo 90 Prozent der Schulstandorte, nämlich auch die Hauptschulstandorte betroffen sind, besteht eine andere Situation als in Wien, und darauf nimmt dieses Modell Rücksicht, das wir in Wien zu fahren versuchen.
Als Zeitungsleser habe ich aber bemerkt, dass Herr Klubobmann Gudenus das nicht begriffen hat, und zwar nicht, weil er – wie ich glaube – intellektuell dazu nicht in der Lage ist, sondern weil er nicht begreifen will, dass hier eine innere Differenzierung stattfindet. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Erklären Sie es mir! Ich lausche andächtig!)
In der AHS-Unterstufe gibt es nämlich einen vollkommen undifferenzierten Unterricht. In der Wiener Josefstadt mit drei AHS und einer Hauptschule sind nicht gerade Kreti und Pleti – das will ich jetzt nicht sagen –, aber doch eine große Mehrheit, nämlich 80 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in den Klassen. Man darf aber nicht differenzieren, weil das eigentlich nicht vorgesehen ist. Die ProfessorInnen sind dafür nicht ausgebildet. Und in der Hauptschule sind an sich drei Leistungsgruppen. Das ist in der jetzigen KMS in der Josefstadt jetzt aber eh nicht mehr der Fall, vom Grundgedanken her ist es aber so.
Wozu führt die innere Differenzierung? – Sie fördert in der Neuen Mittelschule, dass in einem Klassenverband nach dem AHS-Lehrplan unterrichtet wird. Dieser ist dem Worte nach identisch mit der ersten Leistungsgruppe der Hauptschule im Schulgesetz. Es wird aber tatsächlich der Unterricht in der Form geboten, dass es Lernblöcke gibt, dass es daneben aber auch Zeiten gibt, in denen geübt wird, was dazu führt, dass die Schwächeren gefördert und zum Lehrstoff hingeführt werden, die Stärkeren und Begabten aber gefordert werden. Und PISA hat uns gezeigt, dass wir auch im Bereich der Begabtenförderung noch eine Schwäche haben. Diese Begabtenförderung kann natürlich bei einer inneren Differenzierung wesentlich leichter und richtiger vorgenommen werden, zugleich werden aber auch die Schwächeren herangeführt. Und all das ist in einem gemeinsamen Klassenverband möglich, in dem aber im Inneren differenziert und individualisiert wird. Dementsprechend gut sind dann auch die Ergebnisse, und die Neue Mittelschule wird in Wien sehr gut angenommen. Die früheren AHS-Standorte sind sogar überlaufen!
Ich habe mir auch eine Teilauswertung von PISA angeschaut. Bei dieser wurden die MigrantInnen herausgerechnet. Das sage ich jetzt gleich vorweg, weil die FPÖ ja immer große Sorgen hat, ob die MigrantInnen nicht irgendwelche Ergebnisse verändern respektive verschlechtern. Aber man muss sagen: Selbst wenn man die MigrantInnen herausrechnet, ändert sich gar nichts! Wir bleiben gleich, diesfalls gleich schlecht. Es bleibt von diesem Aspekt her also alles ganz gleich.
Trotzdem muss man selbstverständlich etwas tun. Man kann nicht sagen: Na fein, dann bleiben wir halt gleich! Ich bin dafür, dass man das als Weckruf nimmt und entsprechende Initiativen setzt, aber ohne auf mögliche Sündenböcke zu gehen.
Ich war gestern bei einer PISA-Konferenz im Stadtschulrat. Dabei konnte man feststellen, dass die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung durchaus gemeinsame Modelle, und zwar vor allem auch ganztägige Modelle forcieren, denn die Schule muss ja nicht nur gemeinsam sein – natürlich mit innerer Differenzierung und Leistungsorientierung –, sondern sie muss auch ganztägig sein. Die Wirtschaft ist natürlich auch deshalb daran interessiert, weil sie nach eigener Berechnung glaubt, dass sie zwischen 20 und 30 Prozent mehr gut ausgebildete Fachkräfte bekommen würde, was gut für den Standort ist. Wir fordern das mehr aus humanitären Gründen, weil diese Art der Ausbildung auch den Einzelnen in höherem Maß befähigt, ein gutes und zufriedenes Leben zu leben. In der Schnittmenge der Schulpolitik können aber durchaus beide Intentionen in ein zukunftsfähiges Modell münden. Daher glaube ich, dass beide Kräfte aus ihrer Sicht das Richtige fordern.
Es geht auch darum, dass wir die Eltern in die Pflicht nehmen. Das ist richtig. Dafür bin ich auch. Aber auch in diesem Zusammenhang komme ich wieder zum ganztägigen Unterricht. Wenn die Eltern ihre Kinder nämlich nicht fördern können oder wollen, können wir von Seiten der Schule Unterstützung geben. Ich spreche jetzt von den so genannten bildungsfernen Schichten, denen das entsprechend egal ist. Wenn wir sagen, dass das Kind dieses oder jenes zu Hause lernen soll, und das dort nicht geschieht, können wir zwar appellieren, es wird sich aber trotzdem nichts ändern. Daher brauchen wir den Lernort Schule. Dort wird den ganzen Tag gelernt. Auch wenn die Eltern nicht helfen können, wollen oder keine Zeit haben, weil sie beruflich so engagiert sind – es muss ja nicht immer nur böse Absicht sein –, wird in der Schule mit den Kindern gelernt, sodass sie möglichst ohne Nachhilfe auskommen. In diesem Sinne werden wir diese ganztägigen Schulformen ausbauen.
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