Gemeinderat, 4. Sitzung vom 26.01.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 81
Wien, meine Damen und Herren! Die 11 Stunden Deutschunterricht für Kinder, die Defizite haben, und die 2 Stunden muttersprachlicher Unterricht, insgesamt 13 Stunden, finden nicht ergänzend zu den 20 Wochenstunden Volksschulunterricht statt, sondern gleichzeitig. Das heißt, die Kinder werden aus dem Unterricht geholt und gehen stattdessen in den Deutschkurs, und das ist weder effizient noch für diese Kinder, die sich ohnehin schwerer tun, besonders förderlich. Auf diese Weise haben diese Kinder noch schlechtere Chancen, als sie ohnehin haben, weil sie das in einem Drittel der Zeit absolvieren müssen, wofür andere Kinder die volle Zeit zur Verfügung haben (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Stadtrat! Chancengleichheit und optimale Förderung schauen anders aus als das, was Sie in Wien zeigen!
Ich unterstreiche, was Herr Kollege Vettermann gesagt hat. Wir brauchen gerade im urbanen Raum ganztägige Schulformen. Dazu bekenne ich mich absolut. Sie haben gesagt, Sie wollen jetzt anfangen. – Ich frage mich, warum Sie, nachdem Sie als SPÖ für den Bildungsbereich in Wien schon jahrzehntelang Verantwortung tragen, nicht schon längst flächendeckend ganztägige Betreuungs- und Schulformen eingeführt haben. Das ist aber natürlich nur möglich, wenn die Kinder nicht in Containern sitzen und ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden ist. Das heißt: Es braucht Räumlichkeiten und Personal, denn nur dann funktioniert es wirklich!
Ich bekenne mich auch dazu, dass die Eltern selber wählen müssen, ob sie eine Ganztagsschule mit einer Verschränkung von Freizeit und Unterricht oder lieber eine klassische Schule mit Nachmittagsbetreuung haben wollen. Das muss in der Entscheidungskompetenz der Eltern liegen, meine Damen und Herren, und dafür haben wir entsprechend Sorge zu tragen. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster (unterbrechend): Bitte zum Schlusssatz kommen!
GRin Christine Marek (fortsetzend): Abschließend möchte ich noch darauf verweisen, dass mein Kollege die Gesamtschule und die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen beziehungsweise das Gymnasium noch näher beleuchten wird. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau GRin Mag Wurzer. Ich erteile es ihr.
GRin Mag Martina Wurzer (Grüner Klub im Rathaus): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Die grundsätzlichen Leitlinien und Ziele teilen SPÖ und GRÜNE, also die Regierungsparteien, im Wesentlichen. Wir teilen das grundsätzliche Ziel der Chancengerechtigkeit und des egalitären Zugangs zur Bildung.
Vor allem geht es uns um den Appell an die Bundespolitik im Zusammenhang mit der Gesamtschule und der Einführung eines neuen und völlig neuen Schulsystems. Wir werden uns weiterhin darum bemühen, dass auf Bundesebene endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Heute wollen wir uns aber auf die konkreten Schritte, die wir für Wien planen, konzentrieren.
Mein Kollege Heinz Vettermann hat einiges davon ausgeführt. Ich möchte mein Augenmerk darauf legen, dass der Ausbau der ganztägigen Schulformen völlig neue Schulformen erfordert. Das ist klar, das habe ich hier schon einmal formuliert, und auch mein Kollege wird nochmals näher darauf eingehen, was es bedeutet, Licht, Luft, Raum und Lernfreude ins Schulgebäude zu bringen. Dabei wird es nicht reichen, nur Speisesäle und Küchen in neue Schulgebäude einzubauen, sondern dafür werden große Kraftanstrengungen notwendig sein und für neue, moderne Schulgebäude wird natürlich auch viel Geld in die Hand genommen werden müssen.
Ich möchte mich aber darauf konzentrieren zu sagen, dass es uns vor allem darum geht, wieder Lernfreude in die Schulen zu bringen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Schulen zu einem abwechslungsreichen Ort zu machen, zu einem Ort, an den SchülerInnen und LehrerInnen gerne gehen, wo Lernfreude, Motivation, Wissbegierde, Neugier und all das entwickelt werden können. Das sind zentrale Begriffe, die für uns sehr wichtig und von zentraler Bedeutung für die Schule sind. Wir setzen darauf, Kreativität, Interesse, Begeisterung, Neugierde zu fördern. Darauf baut unsere Zukunft auf, nur mit einer guten Wissensgesellschaft können wir in eine gute Zukunft starten.
Daher liegt uns sehr viel daran, auch reformpädagogische Konzepte anzugehen und endlich von dieser alten Form der Schule abzuweichen. Unser Schulsystem ist veraltet, und es ist schlecht. Das sage ich ganz deutlich in Richtung ÖVP: Es ist schlecht, so wie es jetzt ist. Wir legen sehr viel Wert auf reformpädagogische Unterrichtsformen und ambitionierte Lernmethoden. Das lässt sich zum Beispiel in Mehrstufenklassen sehr viel besser umsetzen, als es derzeit bei dieser altersselektierten Form der Fall ist. Wir legen sehr viel Wert auf gut ausgebildete, motivierte LehrerInnen. Auch diesbezüglich müssen aber hauptsächlich Appelle in Richtung Bundesregierung betreffend eine völlig neue PädagogInnenausbildung gerichtet werden.
Gerade auch betreffend Lesekompetenz zeigt sich in allen Studien, wie wir gestern auch bei der PISA-Konferenz gehört haben, dass vor allem das Prinzip des Frontalunterrichts besonders veraltet ist und durch neue, lebendige Formen ersetzt werden muss. Gerade bei der Lesekompetenz zeigt sich, dass das schlechte Vermögen der Reflexion, der Textinterpretation und Argumentation mit dem Text bei den österreichischen SchülerInnen besonders durch die veraltete Form des Frontalunterrichts noch verstärkt wird und dass neue Formen wesentliche Verbesserungen schaffen würden, und auf diese sind wir in der Zukunft angewiesen.
Zum Schluss möchte ich noch einmal sagen: Es liegt uns am meisten daran, Kindern und Jugendlichen, die in Ausbildung stehen, zu vermitteln, dass wir uns auf eine gemeinsame Zukunft freuen, dass wir auf sie angewiesen sind, dass wir die jungen Leute mit ihren Fähigkeiten, ihrem Wissen, ihrer Neugier und ihrer Leidenschaft brauchen werden und dass wir alles dafür tun werden, die bestmöglichen Strukturen und die bestmöglichen Voraussetzungen für sie zu gestalten.
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