Gemeinderat, 7. Sitzung vom 29.04.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 69
nicht mit einer großen Abwanderung ihrer Facharbeiter. Na klar! Wer will schon gerne ins Ausland gehen? In diesen Staaten hat der Exodus schon von 2004 bis 2007 stattgefunden. Dieser Exodus ging nach Großbritannien und nach Irland, der hat schon stattgefunden.
Warum wird zweitens kein weiterer Exodus zu befürchten sein? – Weil sich der Beschäftigungsmarkt in diesen Ländern in diesen Jahren entsprechend verbessert hat. Die Löhne wurden angehoben, und die Arbeitsbedingungen haben sich verbessert.
Schauen wir uns daher an, wie die Situation in Österreich aussieht. – Wir in Österreich können dank der wirtschaftlichen Situation damit rechnen, dass wir bis zum Jahr 2014 weitere 50 000 Beschäftigte benötigen. Und wie viele zusätzliche Arbeitskräfte werden wir aus diesen neuen EU-Acht-Staaten bekommen? – Die Schätzungen gehen davon aus, dass es rund 20 000 bis 25 000 sein werden. Das heißt, von der Statistik her kann das im Grunde wenig Problem sein!
In welcher Form werden diese Fachkräfte nun nach Österreich kommen? – Es werden eher weniger Langzeitarbeitnehmer kommen, sondern vor allem Pendler und Saisonarbeiter. (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist eine Wunschliste ans Christkind!) Und das sind genau die Branchen, in denen wir heute schon mehr Arbeitskräfte nachfragen, als wir bekommen: Das ist die IT-Branche, das ist der Gesundheitsbereich, das ist der Sozialbereich, und das sind auch der landwirtschaftliche Bereich, der Tourismus und vor allem die Gastronomie.
Damit bleibt die Frage übrig: Wer wird von den neu ankommenden Arbeitnehmern aus den EU-Acht-Staaten am stärksten negativ betroffen sein? – Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die neuen Zuwanderer nur äußerst selten im Wettbewerb zu den einheimischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen stehen. Eine Ausnahme sind die Niedriglohnbereiche. Im gering qualifizierten Bereich muss die Antwort daher sein, dass es ein Gesetz gegen Lohndumping gibt, das die Bundesregierung bereits vorbereitet hat. Außerdem muss es Investitionen in die Integration geben.
Meine Damen und Herren! Es geht daher am 1. Mai 2011 nicht darum, neue Verlierer zu schaffen, sondern Verlierer zu Gewinnern zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Frau GRin Dr Vana zu Wort gemeldet. – Ich erteile es.
GRin Dr Monika Vana (Grüner Klub im Rathaus): Ich bin eine Rednerin!
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Gegensatz zur FPÖ, die ihren 1. Mai in Linz im Bierzelt feiert, begehen wir GRÜNE seit über zehn Jahren den Tag der Arbeitslosen bereits einen Tag vor dem 1. Mai. Wir unterhalten uns mit den Betroffenen der aktuellen Situation, mit den arbeitsuchenden Menschen dieser Stadt, und fragen sie, was ihre Probleme und auch ihre Antworten darauf sind.
Und wir erhielten Antworten, Herr Kollege! Als zum Beispiel gestern mein Kollege Ellensohn und ich vor dem Arbeitsmarktsservice, wie wir es seit Jahren tun, gestanden sind, um den arbeitsuchenden Menschen zu helfen – es sind immerhin über 100 000 Menschen, die an diesem Tag der Arbeit dringend Arbeit suchen –, haben wir erfahren: Die Probleme sind nicht die Ostöffnung. Das ist wieder einmal ein billiger Ablenkungsversuch der FPÖ von den Problemen des heimischen Arbeitsmarktes und vom Versagen – ich gebe es zu – der österreichischen Bundesregierung. Es wird wieder vom ominösen Feind, den bösen Ausländern, gesprochen, um von den Problemen abzulenken.
Warum haben Sie, wenn es Ihnen um einen Beitrag zum Arbeitsrecht in diesem Land gegangen wäre, damals unter Blau-Schwarz gerade das Arbeitsinspektorat so sehr ausgehöhlt, indem etwa sämtliche Kontrollen des Arbeitsinspektorates vorher angekündigt werden müssen beziehungsweise die Personaldecke des Arbeitsinspektorates stark verringert wurde, sodass gerade der Schutz vor Lohn- und Sozialdumping, den Sie heute bemängeln, in diesem Land umso schwerer gemacht wurde?
Ich denke, wir alle sind uns darüber einig: Lohn- und Sozialdumping beziehungsweise Schwarzunternehmer- und Schwarzunternehmerinnentum sind ganz sicher nicht Produkte der EU oder der Ostöffnung oder brechen plötzlich über uns herein. Die Zahl der Arbeitskräfte ist jetzt gar nicht so groß, wie Sie uns das glauben machen wollen! Wenn Sie sich seriös damit beschäftigen, dann sehen Sie, dass etwa Untersuchungen des WIFO und andere Studien zeigen, dass selbstverständlich kein sogenannter Arbeitsmarktsunami über uns hereinbrechen wird. Zusätzlich zur jetzigen teilweise schon erfolgten Öffnung des Arbeitsmarktes für osteuropäische Arbeitskräfte – Schlüsselarbeitskräfte, Facharbeiter und Facharbeitrinnen durften bereits schon bisher auf den österreichischen Arbeitsmarkt – wird die Zuwanderung netto ungefähr auf 11 000 bis 16 000 zusätzliche ArbeitnehmerInnen aus der Slowakei, aus Tschechien und aus Ungarn geschätzt, und das wird ein Arbeitsmarkt mit fast 4 Millionen Arbeitskräften doch wohl verkraften!
Für uns GRÜNE ist nämlich im Gegensatz zu Ihnen dieser 1. Mai wirklich ein Tag zur Freude. Die GRÜNEN waren nämlich die einzige Partei in diesem Land, die sich immer gegen die Übergangsfristen für Arbeitskräfte aus Osteuropa nach dem EU-Beitritt ausgesprochen hat. Wir sagen nämlich: Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der EU ist ein Grundrecht, das bereits 1957 als potenzielles Grundrecht in die Römer Verträge Eingang gefunden hat. Das ist also etwas, was man den ArbeitnehmerInnen eigentlich nicht vorenthalten dürfen hätte. Uns allen in diesem Haus ist nämlich die Schieflage zwischen der Freiheit von Kapital und von Unternehmern und Unternehmerinnen und jenen Vorteilen, die sich Bürger und Bürgerinnen und diesfalls Arbeitskräfte bei einem EU-Beitritt holen können, wohl bewusst, und diese Schieflage wird jetzt endlich beendet.
Im Hinblick darauf sind wir froh, dass diese ungerechten Übergangsfristen endlich einmal fallen. Aber – und das haben die GRÜNEN auch als einzige Partei in diesem Haus und auch im Nationalrat immer gesagt –: Wir brauchen zur Vorbereitung auf die Ostöffnung ein arbeitsmarktpolitisches Aktionsprogramm. Man darf sich nicht einfach abschotten, Grenzen dicht machen und
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