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Gemeinderat, 7. Sitzung vom 29.04.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 31 von 69

 

sind die Zusammenhänge zwischen den Gesetzesparagrafen auch für einen ganz normalen Durchschnittsbürger, der perfekt Deutsch spricht oder gut Deutsch spricht, nur schwer zu verstehen.

 

Wenn die Betroffenen eine diesbezügliche Beratung in ihrer Muttersprache bekommen, damit diese Leute in schwierigen Situationen Rat suchen können und in Anbetracht dieser Veränderungen eine Ansprechperson haben, an die sie sich wenden können, dann erspart uns das sehr viel Arbeit und letztlich auch sehr viel Geld. Daher glaube ich, dass es sehr wichtig ist, dass sich diese Bürger und Bürgerinnen beim Einholen von Informationen sicher fühlen und sicher auftreten können und dass sie auch bei Missverständnissen oder Unklarheiten nachfragen können und das Gefühl haben, richtig und gut beraten zu werden.

 

Man kann natürlich sagen, dass die Leute seit Jahrzehnten da leben und eben Deutsch lernen müssten, denn dann wäre keine türkische Beratung nötig. – Es ist aber nun mal so, dass wir Menschen hier haben, die auf diese muttersprachliche Beratung angewiesen sind, und aus diesem Grund meinen wir, dass es sinnvoll ist, diese Beratungsschiene fortzusetzen.

 

Warum? – Ein weiterer Grund dafür ist, dass die Verschärfungen in dieser neuen Novelle bei diesen Personen zu starken Verunsicherungen führen werden. Diese Novelle des Fremdenrechtsgesetzes, das zu meinem Bedauern im Ministerrat schon so beschlossen worden ist und von der Bundes-SPÖ wahrscheinlich mitgetragen wird, sieht vor, dass Menschen, die länger in Österreich leben, bei der Verschlechterung ihrer sozialen Situation, wenn sie an der Einkommensuntergrenze sind, nicht davor geschützt sind, abgeschoben zu werden. Dabei geht es um Personen, die seit 30 oder 40 Jahren hier leben, um Personen, die ihre Kinder hier zur Welt gebracht haben und mittlerweile auch Enkelkinder in diesem Land haben. Es ist also eine tiefe Verwurzelung dieser Personen gegeben. Viele betroffene Personen halten eine Rückkehr in die sogenannte Herkunftsregion nicht mehr für möglich und wollen ihr Leben weiterhin hier führen, weil sie ein Teil dieser Gesellschaft geworden sind. Dieses Gesetz macht diesen Menschen das Leben schwer, und viele Personen wissen nicht, was auf sie zukommt. Daher ist diese Beratung sehr wichtig.

 

Ein weiterer Punkt der Verschärfung ist, dass Kinder in Schubhaft genommen werden. Sie wissen ganz genau, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, dass auch sehr viele kurdischstämmige Personen in Österreich um Asyl angesucht haben, die auch der türkischen Sprache mächtig sind. Diese Personen werden durch dieses Gesetz inklusive ihrer Kinder in Schubhaft genommen, und diese Asylwerber und Asylwerberinnen wissen auch nicht, was auf sie zukommt. – Daher meine ich, dass jede Informationsmöglichkeit in einer für diese Personen verständlichen Sprache notwendig ist, und ich meine und hoffe, dass der Verein für österreichisch türkische Freundschaft seine Türen und Tore auch für diese Leute offen hat. 

 

Eine weitere Fehlerwartung betreffend diese Gesetzesnovelle setzen die ÖVP und die Bundes-SPÖ, wie ich meine, in diese sogenannte Rot-Weiß-Rot-Card-Regelung. Niemand ist derzeit im Stande, zu sagen, was unter dieser Rot-Weiß-Rot-Card-Regelung für Leute, die nach Österreich zuziehen wollen – wobei auch die Türkei explizit als Anwerbestation genannt wird –, zu verstehen ist. – Ich sage Ihnen, was ich darunter verstehe: Diese Rot-Weiß-Rot-Card-Regelung wird nicht dazu führen, dass ein Massenansturm von Fachkräften oder von sogenannten besten Händen und Köpfen nach Österreich stattfinden wird.

 

Warum nicht? – Weil die Unterpunkte dieser Rot-Weiß-Rot-Card-Regelung so strikt gehalten sind, dass sich Menschen von Österreich nicht angezogen fühlen werden. Mein Kollege Margulies hat es schon erwähnt: Abgesehen von dem fremdenfeindlichen Klima, das eine Partei, nämlich die Freiheitliche Partei Österreichs, in diesem Land verursacht, werden sich die Leute diesen Kriterien nicht unterordnen, weil ihre Fähigkeiten in anderen Ländern durch bessere Voraussetzungen angeworben werden. (GR Mag Wolfgang Jung: Welche Länder sind das?)

 

Ich glaube, meine Damen und Herren, all das muss der Gesellschaft ordentlich kommuniziert werden. Dafür werden wir in Zukunft wahrscheinlich noch mehr Beratungspersonal und noch mehr Beratungsstellen brauchen, und auch der österreichisch türkische Freundschaftsverein wird seine Aufgaben dahin gehend innovativ gestalten müssen.

 

Ich betrachte den österreichisch türkischen Freundschaftsverein nicht unkritisch. Natürlich gibt es Punkte, die auch ich beim österreichisch türkischen Verein kritisiere. Ich hoffe aber, dass ein Programm für das 21. Jahrhundert aufgestellt werden kann, bei welchem man selbstverständlich nicht von einer Teilung der Gesellschaft in Österreicher dort und türkische Gesellschaft hier ausgeht, bei dem aber der österreichisch türkische Freundschaftsverein seinen Blickwinkel noch mehr auf Wien richtet und noch mehr eine Brückenfunktion zwischen unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen in der Stadt leistet. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Verein auch dahin gehend Schritte unternehmen wird, und auch deshalb werden wird diesem Geschäftsstück zustimmen.

 

Ich möchte Herrn Kollegen Kurz für seine Aufgabe in der Zukunft alles Gute wünschen! Ich freue mich, dass ein junger Mensch den Mut aufbringt, für eine verantwortungsvolle Aufgabe anzutreten und diese auch wahrzunehmen. Herr Kurz hat allerdings die erste Prüfung nicht bestanden. Die erste Prüfung wäre nämlich gewesen, dass sich Herr Kurz zu der neuen Fremdenrechtsnovelle äußert, weil diese Novelle Integration nicht fördert, sondern hemmt und Leute verunsichert. Ich habe aber leider von Herrn Kurz dazu keine Meldung gehört!

 

Der ÖVP möchte ich in Erinnerung rufen: Die ÖVP hat sich bis jetzt mit Händen und Füßen gegen ein Integrationsstaatssekretariat gewehrt. Dieses Sekretariat ist jetzt auf Druck von grüner Seite ins Leben gerufen worden. Wir sind mittlerweile der Auffassung, dass ein Integrationsstaatssekretariat die zukünftigen Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft nicht bewältigen können wird. Wir treten für ein Ministerium für Einwande

 

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