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Gemeinderat, 7. Sitzung vom 29.04.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 69

 

rungsfragen und das Zusammenleben ein, weil ein Staatssekretariat, das im Innenministerium, im sogenannten Sicherheitsministerium beziehungsweise Polizeiministerium, untergebracht ist, immer mit zwei Themen nebeneinander konfrontiert ist: Sicherheit ist oft dominiert von negativen Begriffen, und Integration ist ein positives Phänomen, das mit positiven Maßnahmen gefördert werden muss. Es ist daher ein großer Fehler, das Staatssekretariat im Innenministerium zu installieren. Dieses Staatssekretariat müsste eigentlich in einem anderen Ministerium untergebracht werden, nämlich im Sozialressort. Das ist der ÖVP nicht eingefallen. Das Ganze ist nämlich keine originäre Idee von der ÖVP, sondern eine Kopie, die sie von uns übernommen hat, und ich glaube nicht, dass sie das mit dem nötigen Leben füllen wird.

 

Ich komme jetzt noch einmal zum österreichisch türkischen Freundschaftsverein. Bevor mein Nachredner auf das Thema eingeht, möchte ich es anreißen: Sie wissen, dass demnächst der türkische Staatspräsident Abdullah Gül einen Staatsbesuch in Österreich ableisten will. Ich glaube, es ist eine gute Gepflogenheit, dass in zwischenstaatlichen Beziehungen eine Geste des Willkommens geleistet werden soll, um zu zeigen, dass der türkische Staatspräsident in Österreich willkommen ist.

 

Warum sage ich das? – Weil ich davon überzeugt bin, dass der türkische Staatspräsident in Österreich auch auf Alltagsprobleme eingehen wird. Und er ist ja auch zum Beispiel mit den Aussagen des türkischen Botschafters konfrontiert worden. – Ich teile die Auffassung des Herrn Gül, dass hier die Menschen zwei Muttersprachen haben sollen, also Deutsch und Türkisch sprechen und zweisprachig sein sollen, und dass er den Leuten Mut macht, sich in die österreichische Gesellschaft einzugliedern. Diese Auffassung des Herrn Gül teile ich.

 

Ich teile aber nicht die Einstellung des Herrn Erdogan. Wer meinen Blog gelesen hat, weiß das. Ich habe zu seiner Rede in Deutschland Stellung bezogen. Diese dominante Art der Einmischung in die Integrationspolitik in Deutschland oder in Europa seitens Tayyip Erdogans ist von meiner Seite nicht zu begrüßen, weil er damit auch einen Machtanspruch auf die türkischsprachige Bevölkerung in Europa erhebt, und diesen Anspruch teile ich nicht.

 

Das heißt aber nicht, dass das Integrationsthema mittlerweile mit nationalstaatlichen Mitteln nicht gelöst werden kann. Auch das ist ein eindeutiges Phänomen. Ich erinnere nur daran, dass Herr Karlheinz Kopf von der ÖVP in die Türkei gereist ist und sich mit den Staatsspitzen dort getroffen hat, um das sogenannte Integrationsproblem von Türken und Türkinnen in Europa zu diskutieren. Er ist mit einer Enttäuschung zurückgekommen, weil ihn Menschen, die dort aktiv waren beziehungsweise ihn empfangen haben, nicht sehr wohlwollend behandelt haben und auf die Fragen nicht eingegangen sind beziehungsweise diese nicht positiv beantwortet haben.

 

Das zeigt, dass wir für das Integrationsthema zusätzlich zu den regionalen Mitteln plus nationalen Mitteln auch internationale Mittel brauchen. Wir leben in einem Zeitalter der technologischen Entwicklung, in dem sich ein normaler Durchschnittsbürger per Mausklick die Sprache aus dem Internet holen kann, die er oder sie versteht oder sprechen kann. Und das geschieht auch im Falle der türkischsprachigen Bevölkerung in Österreich. Die türkischsprachige Bevölkerung in Österreich verfolgt selbstverständlich auch die Entwicklungen in der Türkei sehr genau und beobachtet, was dort geschieht, und ich freue mich, dass es solche international politisch interessierte Menschen gibt, die auch einen Blick auf die Entwicklungen in der Herkunftsregion haben.

 

Sie haben ja auch dieses internationale Interesse und reisen auch selbst des Öfteren in die Türkei. Ich finde es auch gut, dass wir im März eine Stadtdelegation nach Diyarbakir geschickt haben, damit man sich ansieht, wie dort alles funktioniert.

 

Aber dieses Interesse der Personen erkennen, heißt auch, ihnen Raum zu geben und Sicherheiten anzubieten. Auch wenn man immer wieder auf die türkischsprachige Bevölkerung hier in Wien eindrischt und sagt, dass sie integrationsunwillig ist, ändert das an der Tatsache nichts, dass diese Bevölkerung auch vom Herkunftsstaat umkämpft ist. Das ist nicht nur bei den Türken so, das ist bei den Serben und bei anderen Sendestaaten auch so. Unser Zugang ist und mein Vorschlag lautet: Wir müssen diese Leute emotionell für uns gewinnen, und wir müssen diesen Leuten die Möglichkeit geben, dass ihre Kindeskinder Aufstiegsmöglichkeiten in unserer Gesellschaft bekommen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

So lange wir diesen Kindern nicht das Gefühl geben, dass sie ein Teil unserer Gesellschaft sind, werden wir diese Kinder in die falschen Hände treiben, und diese falschen Hände kennen Sie genauso wie ich. Es gibt nationalistische Bewegungen und Strömungen unter den vielen Ethnien, die auch in Wien unterwegs sind, und wir stehen in einem Wettbewerb, wie ich jetzt einmal sagen möchte. Auf die Gründe, warum das entstanden ist, möchte ich nicht eingehen, denn das würde meine gesamte Zeit in Anspruch nehmen. Wenn wir diesen Leuten nicht das Gefühl geben: Du bist hier geboren, du bist hier zu Hause, du verdienst unsere Beachtung, und du bist genauso ein Teil unserer Gesellschaft, dann werden wir diese Kinder immer wieder in die falschen Hände treiben.

 

Manchmal denke ich: Solle ich Ihnen eine böse Absicht unterstellen oder nicht? – Ich möchte keine böse Absicht unterstellen, aber ich möchte eine politische Analyse daraus machen: Wenn wir diese Kinder immer wieder aus der Gesellschaft ausschließen und eine Exklusionspolitik betreiben, dann entsteht bei diesen Kindern und Jugendlichen das Gefühl, dass sie in dieser Gesellschaft nicht willkommen sind, und daher werden sie dorthin gehen, wo sie mit offenen Armen empfangen werden. Und das sind jene nationalistischen Kräfte, die innerhalb von ethnischen Gruppierungen in Europa Fuß fassen wollen. Diese holen diese Personen dann und sagen: Du bist bei uns gut aufgehoben! Die Österreicher mögen dich nicht! – Solche Kräfte gibt es in Wien, das bestreite ich nicht. Und wir stehen in einem Wettkampf mit diesen Kräften, und wir müssen mit all unseren de

 

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