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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 30.05.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 59

 

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Diese Schule, dieses Schulmodell, mit dem von den Architekten Popelka und Poduschka ein Wettbewerb gewonnen wurde, bricht völlig mit der Vorstellung, die wir von Schule im Kopf haben. Schule im Kopf heißt, wir haben eine Klasse - ich denke einmal, alle, die hier im Saal sitzen, egal, von welcher Partei, sind so in die Schule gegangen -, da gibt es eine Klasse, da sind, je nachdem, 25, 30, vielleicht 35 Sessel drinnen, vorne ist eine Tafel, und dort, wo ich in die Schule gegangen bin, gab es noch einen Katheder - schön, sagen Sie.

 

Es gibt jedes Jahr einen PISA-Sieger, das sind skandinavische Länder. Da gibt es ... (GR Mag Wolfgang Jung: Die haben alle Tafeln! - Weitere Zwischenrufe.) Auch in dieser Schule sind Tafeln möglich. Können wir es so machen: Ich polemisiere jetzt überhaupt nicht, dafür hören Sie mir ganz kurz zu - schaffen wir das für ein paar Minuten? Dann wäre das super! (GR Dr Wolfgang Aigner: ... alle Klassen!)

 

In dieser Schule sind also auch Tafeln möglich. Ich möchte von einer Exkursion einer österreichischen Delegation zum PISA-Sieger Finnland erzählen. Da kommt eine Delegation, diese Leute kommen in ein Gebäude, da sind Tische, es sitzen ein paar Schüler herum, dort reden ein paar miteinander, da zeichnen ein paar. Die österreichische Delegation wird herumgeführt, und irgendwann fragt, glaube ich, ein Lehrer: Entschuldigung, wann ist denn da Unterricht? - Und der finnische Lehrer sagt: Das ist Unterricht! (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

 

Dort gibt es kaum mehr - und warum auch!; jetzt erzähle ich einen Hauch meiner Erinnerung - Lernen im Sinne von: Ich sitze, und vorne erzählt mir jemand die ganze Zeit etwas (GR Mag Wolfgang Jung: ... Phantasie von Chorherr!) Eine meiner prägendsten Erinnerungen an die Schule - an die ich auch positive Erinnerungen habe - ist Langeweile: Es ist einfach wahnsinnig fad, sechs oder sieben oder acht Stunden lang zu sitzen. Aus der Sicht des Lehrers oder der Lehrerin sage ich, es ist auch extrem schwer, junge Leute, die irgendwie motorisch sind - ich bin ja froh, dass es zu meiner Zeit dieses Syndrom, dieses Unruhesyndrom nicht gegeben hat, ich wäre sicher so diagnostiziert worden.

 

Die Leute wollen sich bewegen, sie wollen herumtun, und skandinavischen Schulen gelingt das sowohl inhaltlich als auch räumlich. Ich zeige Ihnen das jetzt. Das ist kein Propaganda-Taferl, ich hätte jetzt lieber - aber das geht nicht - eine große Beamer-Wand. (Der Redner hält ein Schild in die Höhe, das einen Bauplan zeigt.) Ich zeige Ihnen - und ich habe es dann auch da -, wie diese Schule genau ausschaut.

 

Da gibt es kleine Einheiten, die alles Mögliche sein können. Sie können ein Werkraum sein, sie können eine Studierprojektgruppe sein, sie können alles Mögliche sein. Im Kern dieser kleinen Einheiten gibt es so etwas wie einen Marktplatz, wo man sich treffen kann, wo man diskutieren kann, wo man gemeinsam etwas erarbeiten kann, wo man eigenständig arbeitet. (GR Mag Wolfgang Jung: Also meine Tochter war jetzt an einer skandinavischen Schule! Die hat nicht so ausgeschaut, die war schäbiger!)

 

Okay, nehme ich zur Kenntnis: Skandinavische Schulen sind schäbiger. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Umso besser, was hier passiert! Wenn Sie sich den Grundriss anschauen: Das ist wirklich ein extrem - mutig ist zu wenig. Ich mache jetzt vielleicht vorweg mein Ersuchen an den Herrn Stadtrat.

 

Die Vorstellung vieler Lehrerinnen und Lehrer ist noch immer die - die meisten haben es gelernt, und wir haben es so in den Köpfen -: Man unterrichtet normal in einer Klasse. Dort gibt es diese Klassen im engeren Sinn nicht, dort wird es auch diese Art von tradiertem Unterricht nicht geben.

 

Jetzt komme ich ganz bewusst - und interpretiere ihn einfach positiv - zu dem richtigen Einwand: Wenn man für Schwächere etwas tut, muss es auch für die Begabten, muss es auch für die, die schneller sind, entsprechende Angebote geben. Da bin ich übrigens total dafür - nichts ist öder, als wenn jemandem, der etwas schnell kapiert, weil es für die Schwächeren immer wieder wiederholt werden muss, fad wird -, das geht aber speziell nicht in einer ganz normalen Klasse, in der 30 Sessel sind und vorne einer sitzt.

 

Da gibt es einen eigenen Raum. Die bekommen eine spezielle Aufgabe, sie suchen sich eine spezielle Aufgabe und können das entsprechend nutzen - also gerade, wenn man für das schwierige Ziel der Individualisierung eintritt! Das sagt sich ja leicht - jeder, der ein bisschen mit Schulen zu tun hat, weiß das: Dann macht eben individualisierten Unterricht! Jeder sagt, individualisierter Unterricht klingt gut, aber das ist sehr kompliziert. Da muss man sich völlig anders vorbereiten, da muss man parallel drei, vier, fünf Lernpläne, um es so zu nennen, im Kopf haben: Wie man die einen beschäftigt, wie man die anderen beschäftigt, wie man die einen fordert, die anderen fördert und trotzdem mitnimmt, das ist anspruchsvoll. Dazu bedarf es auch anderer Räumlichkeit, und diese Räumlichkeiten bietet diese Schule an.

 

Dies signalisiert aber sehr eindeutig: Du Lehrer, du Lehrerin, wenn du ganz normal unterrichten willst und sagst, bitte, wo ist meine Klasse, wo ich die 30 habe - die gibt es in der ganzen Schule nicht! (GR Mag Wolfgang Jung: Und deswegen streicht ihr die Lehrerausbildung in der Koalition?) Diese Klasse gibt es überhaupt nicht, und darum komme ich zum Kern meines Ersuchens an den Herrn Stadtrat. (GR Mag Wolfgang Jung: Bitte, sagen Sie das der SPÖ!) Das ist jetzt sehr ernst gemeint.

 

Bitte, versuchen wir - weil das dort eine völlig andere Lernsituation sein wird, die wir meines Erachtens in Wien so noch nicht haben (GR Mag Wolfgang Jung: ... aus den Wolken herunterholen!) -, versuchen wir, nicht erst kurz vor Inbetriebnahme die Direktion, die Lehrerinnen und Lehrer zu suchen, sondern versuchen wir, möglichst frühzeitig - ich nenne jetzt keinen Termin -, möglichst frühzeitig die Führung dieser Schule zu bestimmen, und auch die LehrerInnen, damit sie sich vorbereiten können, weil dort anderer Unterricht stattfinden muss!

 

Das ist Architektur im besten Sinne, nämlich nicht eine andere Fassade, die man schön oder schiach finden kann, sondern etwas konzeptiv ziemlich Neues. Das ist

 

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